Das Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz

Presseschau: Das Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz: Warum die Bundesregierung endlich aufhören sollte, nur gerichtlich erzwungene Verbesserungen vorzunehmen (Huffington Post Deutschland)

Die Bundesregierung reagiert mit ihrer Initiative offensichtlich auf den erwarteten Erfolg anhängiger Klagen von Patienten gegen die Bundesregierung vor den Verwaltungsgerichten, in denen diese den Eigenanbau von Cannabisprodukten erklagen wollen. Die Initiative der Bundesregierung sei der Beweis dafür, dass auch die Bundesregierung nicht mehr daran glaubt, den Erfolg der von der ACM unterstützten Klagen abwenden zu können. Darauf weist Dr. Franjo Grotenhermen in seinem Blog in Huffington Post hin und erläutert Hintergründe und Konsequenzen der Regierungsinitiative, die ein Grund zum Feiern sei.

Das Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz: Warum die Bundesregierung endlich aufhören sollte, nur gerichtlich erzwungene Verbesserungen vorzunehmen

In den letzten 15 Jahren gab es bei den Verbesserungen beim Zugang zu Cannabis für medizinische Zwecke eine Konstante. Alle Bundesregierungen haben nur das umgesetzt, was unvermeidbar war.

2007 erhielt erstmals eine Patientin eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabis, weil die Bundesregierung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu gezwungen worden war. 2011 wurde Sativex für die Behandlung der mittelschweren bis schweren Spastik bei Erwachsenen mit multipler Sklerose, die auf andere Medikamente nicht ausreichend ansprechen, zugelassen, weil es schwer vermittelbar gewesen wäre, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Auch diesmal plant die Bundesregierung, nur das umzusetzen, was aus ihrer Sicht unvermeidbar ist – und versucht erneut, einen weiteren, von den Patienten hart erkämpften Schritt in die richtige Richtung als einen großen Wurf der Politik zu verkaufen.

Die Angst vor dem Eigenanbau bringt die Bundesregierung in Zugzwang
Die Bundesregierung möchte den Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtern, sagt die Bundesregierung. Die genauen Pläne sind bisher nicht bekannt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stellte bereits in seinem Interview mit Der Welt klar, dass die Regelung nur für „schwerkranke Menschen, denen nur durch Medizinhanf geholfen werden kann“ gilt.

Eine solche Regelung gibt es allerdings bereits. Patienten, denen nur mit Cannabisprodukten geholfen werden kann, haben bereits heute die Möglichkeit, eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke zu bekommen. Es ist nicht schwer, aus den bisherigen Informationen die zentralen Eckpunkte des noch für dieses Jahr geplanten Gesetzes herauszulesen.

Danach sind Zweifel angebracht, ob es der Drogenbeauftragten Marlene Mortler (CSU) tatsächlich darum geht, „dass in Zukunft mehr Menschen als bisher Cannabis als Medizin bekommen können“, auch wenn es so kommen wird, aber auch wenn die Bundesregierung nichts tun würde.

Es ist offensichtlich, dass die aktuelle Charme-Offensive auf der nun sehr akut gewordenen Angst beruht, das Bundesverwaltungsgericht könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Juli 2014 (Az: 7 K 4447/11) folgen, nach der Patienten der Eigenanbau von Cannabis nicht generell verwehrt werden kann, wenn sie aus finanziellen Gründen keine andere Alternative zu einer ausreichenden und notwendigen Behandlung mit Cannabis haben. Der Eigenanbau wäre eine sehr preisgünstige Alternative, den sich die meisten Patienten leisten können.

Warum es nun ganz schnell gehen muss
Dieses Urteil muss für die Bundesregierung ein Schock gewesen sein. Eine der ersten Maßnahmen war die Einschaltung eines bekannten Fachanwalts für Verwaltungsrecht, (Prof. Dr. Peter Kothe aus Stuttgart), der nunmehr im Auftrag der Bundesregierung aus Steuermitteln für die Verhinderung der Eigenanbau-Bedrohung zuständig ist. Zuvor waren die hauseigenen Juristen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für das Thema zuständig, denen man offenbar keine optimale Arbeit zutraut.

Die Bundesregierung möchte auch juristisch auf Nummer sicher gehen. Parallel dazu gab es hektische Überlegungen im Bundesgesundheitsministerium, wie man mit dieser unliebsamen Situation umgehen könne. Aus internen Kreisen war zu hören, dass die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsrechts Köln durch die Bundesregierung das Ziel hatte, Zeit für geeignete Gegenmaßnahmen zu gewinnen.

Bereits im Jahr 2016 könnte das Bundesverwaltungsgericht einigen Patienten das Recht zusprechen, Cannabis für den eigenen Bedarf selbst anzubauen – mit weitreichenden Folgen für die gesamte Dynamik der Antragstellungen an die Bundesopiumstelle. Die Zahl der Anträge würde massiv ansteigen, und vielen müsste der Antrag auf Eigenanbau genehmigt werden.

Das muss aus Sicht der Bundesregierung unbedingt verhindert werden. So treibt Herrn Gröhe nach Presseberichten angesichts des erheblichen juristischen Drucks die Frage um, „wie Missbrauch wirksam verhindert werden kann“. Eile ist geboten. Ein Gesetz, das den Anspruch auf einen Eigenanbau durch Patienten abwenden kann, muss daher noch 2015 durch den Bundestag gebracht werden.

Zehn Jahre Untätigkeit bei der Umsetzung eines Richterspruchs
Ein der Bundesregierung missliebiger Richterspruch durch das höchste Verwaltungsgericht der Bundesrepublik würde zudem deutlich machen, dass die Bundesregierung sich seit zehn Jahren weigert, ein Urteil des gleichen Gerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.0) korrekt umzusetzen.

Danach könne das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anträge auf die medizinische Verwendung von Cannabis nicht pauschal ablehnen, wie das in den Jahren davor geschehen war. Dieses Urteil ist die Grundlage für die gegenwärtige Möglichkeit der Beantragung von Ausnahmeerlaubnissen, von denen es nach der jüngsten Auskunft der Bundesopiumstelle 358 gibt.

Das Bundesverwaltungsgericht betonte damals den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. „In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden“, heißt es im Urteil.

Auf das Argument, Patienten könnten sich auch vom Arzt Dronabinol verschreiben lassen, auch wenn dieses teuer sei und von den Krankenkassen nicht immer erstattet werde, entgegnete das Bundesverwaltungsgericht unmissverständlich: „Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt.“

Genau das geschieht aber seit der ersten Ausnahmeerlaubnis. Die Bundesregierung verweigert seit Jahren den Eigenanbau von Cannabis durch Patienten mit dem Hinweis, dass sie sich Medizinalcannabisblüten in der Apotheke kaufen können, auch wenn sich viele Patienten den Cannabis nicht in dem notwendigen Umfang leisten können. Eine Tatsache, die allen Beteiligten, inklusive Bundesopiumstelle, Bundesgesundheitsministerium und Bundeskanzleramt, seit langem bekannt ist.

Massenhafte langjährige unterlassene Hilfeleistung
Im Klartext bedeutet das: Diese Bundesregierung und die Vorgängerregierungen haben wissentlich unzureichende Maßnahmen ergriffen, um das Leiden vieler Patienten zu lindern. Hätten wir es hier nicht mit Verwaltungsrecht, sondern mit Strafrecht zu tun, so wäre der Regierung eine massenhafte langjährige unterlassene Hilfeleistung sowie ein Verstoß gegen das im Grundgesetz verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit vorzuwerfen.

Bereits 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass bei Cannabis eine Erlaubnis zum Eigenanbau infrage komme. „Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung“, hieß es im Urteil vor zehn Jahren.

Es ist absehbar, dass die Richter des Bundesverwaltungsgerichts der Bundesregierung dieses Versagen um die Ohren hauen, wenn, ja wenn der Bundesregierung keine geeigneten gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen eingefallen wären. Ein Cannabiseigenanbauverhinderungsgesetz (CEVEG) muss her.

Wie die Politik den Schein zu wahren sucht
Politiker wollen in der Wählerschaft als aktive Gestalter wahrgenommen werden, die die Nöte der Bürger ernst nehmen, und nicht von höchsten Gerichten schwerwiegende Richterschelten aufgrund von Grundrechtsverletzungen kassieren, und sie wollen auch nicht von Richtern zum Handeln gezwungen werden, sondern zumindest dem Anschein nach Politik selbst gestalten.

Die Eckpunkte des Cannabiseigenanbauverhinderungsgesetzes
Wie könnten also die Pläne der Bundesregierung aussehen? Diese Frage ist nicht schwer zu beantworten, denn sie müssen ganz konkrete Ziele erfüllen. Ein wirksames CEVEG-Gesetz muss nach dem gegenwertigen Stand die folgenden drei Punkte beinhalten.

1. Die Krankenkassen müssen verpflichtet werden, die Kosten für eine Behandlung mit Dronabinol oder Sativex zu übernehmen, wenn alle anderen Therapieverfahren ausgeschöpft und nicht ausreichend wirksam sind bzw. zu starke Nebenwirkungen verursachen. Diese Anträge für eine Ausnahmeerlaubnis werden nicht mehr von der Bundesopiumstelle, sondern von den Krankenkassen bzw. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen geprüft.

In diesem Fall spricht man von Anträgen auf einen Off-Label-Use bzw. No-Label-Use, also um Anträge auf eine Kostenübernahme von Medikamenten durch die Krankenkassen, die nicht für die beantragte Erkrankung bzw. das entsprechende Symptom zugelassen sind.

2. Wenn Dronabinol oder Sativex im konkreten Fall nicht ausreichend wirksam sind, dann und nur dann kommt weiterhin eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Medizinalcannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle infrage. In diesen Fällen müsste die zuständige Krankenkasse ebenfalls die Kosten der Behandlung übernehmen. Anderenfalls müsste möglicherweise doch in vielen Fällen ein Antrag auf Eigenanbau genehmigt werden.

3. Die deutsche Regelung darf im Gegensatz zu Regelungen in anderen Ländern aus Sicht der Bundesregierung keine Liste von Diagnosen enthalten, bei denen die Krankenkassen zur Kostenübernahme verpflichtet werden, sondern der deutsche Gesetzgeber muss alle Fälle abdecken, die bisher durch Ausnahmeerlaubnisse durch die Bundesopiumstelle abgedeckt werden. Daher sind wie bisher Einzelfallüberprüfungen geboten, diesmal durch die Krankenkassen.

Der Zweck des Gesetzes
Nach den bisher vorliegenden Informationen erfüllt das geplante Gesetz die folgenden Zwecke:

1. Der Eigenanbau von Cannabis durch Patienten wird wirksam und lückenlos verhindert.

2. Das Gesetz wird um keinen Schritt mehr geändert, als unbedingt notwendig, um den Eigenanbau zu verhindern.

3. Es haben zukünftig nur solche Patienten einen Anspruch auf eine Kostenübernahme von Dronabinol, Sativex und Cannabisblüten, die im Falle einer gesetzgeberischen Untätigkeit möglicherweise einen Anspruch auf Eigenanbau gehabt hätten, weil sie sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht leisten können.

4. Die steigende Zahl von Anträgen auf Ausnahmeerlaubnisse wird wieder reduziert, und die Antragsthematik auf die Krankenkassen bzw. die Sozialgerichte umgeleitet.

5. Den aktuellen Gerichtsverfahren zum Eigenanbau wird die Basis entzogen, so dass es keine Richterschelte durch das Bundesverwaltungsgericht gibt.

6. Die Bundesregierung nimmt in den Augen der Wählerschaft die Nöte der Patienten, die von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, ernst.

Wer hat einen Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse?
Es wird dann spannend werden, wie viele dieser Anträge auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen vor den Sozialgerichten landen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hatte bereits in ihrem Interview für Die Welt darauf hingewiesen, dass es „nicht ganz einfach“ sei, abzugrenzen, wer Cannabis tatsächlich dringend als Medikament benötige.

Anders ausgedrückt, ist es nicht ganz einfach, diese Gesetzespassage so zu formulieren, dass eindeutig geregelt ist, wer einen Anspruch auf Kostenerstattung durch die Krankenkassen hat und wer nicht.

Das erkämpfte Gesetz ist ein Grund zum Feiern
Mehr als 10 Jahre lang hat Ute Köhler aus Thüringen für die Kostenübernahme von Dronabinol durch die AOK gekämpft. Die AOK hat mit aberwitzigen Argumenten diese Kostenübernahme abgelehnt. Wider besseres Wissen hat ihre Krankenkasse behauptet, Frau Köhler habe mögliche alternative Behandlungsverfahren zur Linderung ihrer Schmerzen nicht ausgeschöpft.

Diese Geschichte wird nun ein gutes Ende finden. Frau Köhler hat das mehr als verdient. So wie auch andere Patienten, die keine andere Alternative als eine Behandlung mit Dronabinol, Sativex oder Cannabisblüten haben, jetzt hoffen dürfen, dass ihre Krankenkasse die Kosten der Behandlung zukünftig erstatten wird.

Dass die Kostenerstattung für Dronabinol durch Klagen von Patienten auf den Eigenanbau von Cannabisblüten durchgesetzt wurde, ist eine besondere Pointe der Geschichte der medizinischen Cannabisverwendung in Deutschland.

Auch die beiden Firmen, die mit großem Engagement nicht aufgegeben haben, den deutschen Patienten trotz geringer Umsätze Dronabinol zur Verfügung zu stellen, so dass dieses Präparat in Deutschland so preiswert ist wie nach meiner Kenntnis in keinem anderen Land der Welt, werden für ihre Ausdauer belohnt.

Ein weiterer positiver Effekt könnte in der größeren Bereitschaft von Ärzten liegen, Dronabinol und Sativex zu verschreiben, auch wenn sie sich dabei mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen herumschlagen müssen. Immerhin ist dem normalen Arzt die Diskussion mit dem MDK vertrauter als die ungewohnte Prozedur bei Anträgen auf eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke.

Zudem werden die Cannabinoid-Medikamente Dronabinol und Sativex ganz normal auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben. Auch das ist vertrauter als die Begleitung von Patienten im Rahmen einer Selbsttherapie mit Cannabisblüten.

Könnte es auch Verlierer geben?
Es wird sich die Frage stellen, was Patienten machen können, die 1000 oder 2000 mg Dronabinol monatlich benötigen, der Arzt aber nur bereit ist, maximal 500 mg zu verschreiben. Eine Ausnahmeerlaubnis wie bisher wäre ihnen sicherlich verwehrt, weshalb das neue Gesetz in ihren konkreten Auswirkungen auch viele Verlierer haben könnte.

Es stellt sich auch die Frage, was mit den bisherigen Erlaubnisinhabern für eine Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke geschieht. Wird man jetzt verlangen, dass sie zunächst Dronabinol oder Sativex ausprobieren müssen? Viele haben ihre Ausnahmeerlaubnis erhalten, weil die Krankenkasse eine Kostenübernahme für Dronabinol abgelehnt hat.

Der Fall Michael Fischer, der eine Ausnahmeerlaubnis für den Eigenanbau gestellt hat, und bei dem die AOK plötzlich die Kostenübernahme für Dronabinol zugesagt hat, zeigt auf, wie kompliziert es sein kann darzulegen, dass Dronabinol nicht so wirksam wie Cannabisblüten sind, auch wenn die behandelnden Ärzte und der Patient selbst dies so sehen.

Die Zweiklassenmedizin bleibt bestehen
Die Ausführungen von Herrn Gröhe und Frau Mortler machen deutlich, dass es auch nach Umsetzung des Gesetzes weiterhin nicht in der Hand von Arzt und Patient liegen soll, ob eine Therapie mit Cannabisprodukten durchgeführt werden soll oder nicht. Denn eine solche Therapie wird nur bezahlt, wenn keine Behandlungsalternativen bestehen.

Darüber hinaus können sich weiterhin nur vermögende Patienten Medikamente auf Cannabisbasis leisten. Die anderen Patienten werden bei chronischen Schmerzen weiterhin gezwungen sein, Opiate einzunehmen, auch wenn Arzt und Patient der Ansicht sind, eine Therapie mit Cannabis wäre langfristig mit weniger Nebenwirkungen assoziiert.

Sie müssen weiterhin bei Rheuma und anderen schweren chronisch-entzündlichen Erkrankungen Immunsuppressiva wie Cortison und Methotrexat mit schwerwiegenden Langzeitnebenwirkungen einnehmen, auch wenn Arzt und Patient der Auffassung sind, dass Cannabisprodukte sinnvoller wären.

Es ist nicht beabsichtigt, die Zweiklassenmedizin in diesem Bereich aufzuheben. Die zentralen Forderungen von Patienten und Ärzten an einen angemessenen Umgang mit der Thematik werden mit diesem Gesetz nicht erfüllt.

Diesmal wäre für die Bundesregierung mehr drin als ein weiterer kleiner Schritt
Alle repräsentativen Umfragen zum Thema Cannabis als Medizin der letzten Jahre zeigen, dass eine große Mehrheit der Wählerschaft für deutliche Verbesserungen beim Zugang zu Cannabis als Medizin ist. Die Umfragen zeigen auch, dass die Bevölkerung besser als die Politikerklasse von rechts und links zwischen der medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten und der generellen Legalisierung der Droge unterscheiden.

Die dumme Furcht vor dem falschen Signal an die Jugend
Unter konservativen Politikern herrscht die Furcht, die Freigabe von Cannabis als Medizin sei beispielsweise ein falsches Signal an die Jugend. Vertreter dieser Position halten die Jugendlichen für so blöd, dass diese nicht zwischen einer medizinischen Verwendung und dem Freizeitkonsum unterscheiden können – als wüssten Jugendliche nicht, dass Substanzen wie Antibiotika, Schmerzmittel, Neuroleptika und Cortison nicht harmlos sind, nur weil sie medizinisch verwendet werden.

Viele Politiker merken nicht, dass die Jugendlichen ihnen die nötige intellektuelle Reife absprechen, wenn sie hier keine Unterscheidung machen.

Das törichte Gefasel vom ersten Schritt zur generellen Legalisierung
Es gibt aber auch im linken Spektrum der Politik Vertreter, denen diese Unterscheidungsfähigkeit fehlt, wenn auch mit anderem Vorzeichen. Die Aussage, die Verwendung von Cannabis als Medizin sei ein erster Schritt zur generellen Legalisierung, ist eine andere Form, die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten nicht ernst zu nehmen.

Das ist ungefähr so, als würde man Verbesserungen in der palliativen Schmerztherapie in Verbindung zur Heroinabgabe an Schwerstabhängige oder eine generelle Legalisierung von Opiaten bringen, auch wenn es in allen drei Fällen um Opiate geht. Auch da wird nicht verstanden, wie viel Leid die medizinische Verwendung von Cannabis nicht nur in der Palliativmedizin hunderttausendfach in Deutschland lindern könnte.

Bündnis 90/die Grünen und hier vor allem ihr Fachpolitiker Harald Terpe sowie die Linksfraktion im Bundestag und hier vor allem ihr Fachpolitiker Frank Tempel sind die engagiertesten Streiter für Patienteninteressen, wenn es um die medizinische Verwendung von Cannabis geht. Aber einige Fraktionskollegen haben die Bedeutung der Thematik offenbar noch nicht erkannt.

Die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten ist aus wissenschaftlicher Sicht sicherlich eine Dummheit. Die Kriminalisierung von Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, ist aus wissenschaftlicher und ärztlicher Sicht dagegen ein Verbrechen und ein Verstoß gegen die Menschenrechte, die durch nichts mehr zu rechtfertigen sind.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung mit Cannabisprodukten
Die zu erwartenden Verbesserungen beim Thema Cannabis als Medizin sind nicht ein erster Schritt für etwas anderes, sondern ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis.

Dieser Schritt ist ein Grund zur Freude. Es handelt sich immer noch um einen positiven Nachhall der Bundesverfassungsbeschwerde aus dem Jahr 1999 mit den nachfolgenden juristischen Erfolgen von Patienten und ihren Anwälten vor den Verwaltungsgerichten.

Vom Gesetzgeber könnte mehr Mut erwartet werden, als nur einem gefürchteten Richterspruch vorzubeugen. „Habt keine Angst vor Cannabis als Medizin!“, möchte man den Parlamentariern in Berlin zurufen. „Die bundesrepublikanische Bevölkerung ist reif für größere Schritte.“

Bundestagsabgeordnete, die sich freuen, etwas tun zu dürfen, weil sie es müssen
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit meiner Einschätzung daneben läge, und wäre bereit in diesem Fall mehr als vier Wochen lang mit einer Glatze oder einem Schnurrbart herumzulaufen bzw. herumzuliegen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn die Mitglieder der christdemokratischen Fraktion im Bundestag sich auch bei der Diskussion um die medizinische Versorgung Schwerkranker auf ihre christlichen Werte besinnen würden, und wenn die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion sich auf ihre sozialen Werte besinnen würden.

Das Thema Cannabis als Medizin erfreut sich in allen Fraktionen zunehmender Sympathien, die Probleme der schwerkranken Patienten finden zunehmend Beachtung. Es gibt in den Regierungsfraktionen auch heute bereits viele Mitglieder, die sich darüber freuen, dass sie jetzt etwas machen dürfen, weil sie es jetzt machen müssen. Das macht Mut, dass diesem Schritt, der häufig mit dem Adjektiv „überfällig“ charakterisiert wird, in der Zukunft noch weitere folgen werden.

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