Palliativmediziner warnen vor Verschlechterung der ärztlichen Versorgung chronisch Kranker durch die neue Gebührenordnung

In einer gemeinsamen Presseinformation der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) und des Palliativnetzes Bochum vom 4. Dezember 2007 weisen beide Institutionen darauf hin, dass die neue Gebührenordnung die Palliativversorgung gefährde und Spezialisten den Patienten raten, ihre Krankenkasse zu kontaktieren.
Mit der neuen Gebührenordnung für niedergelassene Ärzte, die zum 1.1.2008 in Kraft tritt, wird die Versorgung chronisch kranker und insbesondere sterbenskranker Menschen für den Arzt endgültig unwirtschaftlich. Mit der sog. „Versichertenpauschale“ – in Medizinerkreisen bereits als „Blickpauschale“ tituliert – wird dann alles abgegolten: egal ob ein Zweiminutentermin wegen eines Schnupfens oder die umfangreiche Versorgung eines todkranken Patienten. „Es wird immer schlimmer“, stellt Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns, Vorsitzender des Palliativnetzes Bochum, fest, „die letzte Gebührenordnung definierte zumindest noch für den Hausarzt ein Zusatzentgelt für die palliativmedizinische Begleitung.“ Selbst das wurde jetzt ersatzlos gestrichen, die Begleitung sterbenskranker Menschen offensichtlich schlicht vergessen. „Es mutet schon als Zynismus an, wie gerade Sterbende und völlig Wehrlose von dieser Gebührenordnung behandelt werden“, sagte Prof. Dr. Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V.
Zur palliativen Versorgung – der Begleitung von Patienten mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung – gehören Leistungen wie die Verordnung häuslicher Krankenpflege, Infusionen, Transfusionen, das Legen von Magensonden oder Kathetern, Punktionen von Lungenwasser oder Bauchwassersucht, Verbände, oder die Behandlung mit Lokalanästhetika. „Alles das ist künftig praktisch ehrenamtlich zu leisten“, so Dr. Thöns. Der Arzt, der den Patienten kurz berät, erhält das gleiche niedrige Honorar, wie der Arzt, der seinen Patienten umfangreich versorgt. Ob Besuche noch zu einem Benefit für den engagierten Arzt führen, wird derzeit heftig diskutiert, bereits jetzt wurde allerdings beschlossen, dass Zusatzentgelte für die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Arztes (sog. Notfallpauschale) nur maximal zweimal alle drei Monate abgerechnet werden dürfen. „Wer glaubt, hier sei der Arzt maximal zweimal notwendig, ist naiv“, so Prof. Zenz.
Besonders kurios mute die Streichung sämtlicher Zusatzentgelte für die Palliativversorgung vor dem Hintergrund an, dass erst seit dem 1.4.2007 alle Patienten einen gesetzlichen Anspruch auf „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ haben. Es wurde eigens ein neuer Paragraph 39a in das Sozialgesetzbuch integriert. „Sowohl das Bundesverfassungsgericht wie das Bundesverwaltungsgericht haben darauf hingewiesen, dass die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Menschenwürde verletzt werden, wenn einem Patienten eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine wesentliche Linderung seines Leidens erreicht werden kann, versagt wird“, verdeutlichte Klaus Kutzer, Richter am Bundesgerichtshof a. D., im Oktober in Bochum. „Recht und Rechtsansprüche sind leider nur sehr bedingt geeignet, die Wirklichkeit zu verändern und zu prägen“, fügte er hinzu. „Hier müssen wohl erst Patienten oder ihre Angehörigen die Sozialgerichte bemühen. Dieser Weg ist allerdings kostenfrei.“
Die vollständige Pressemitteilung findet sich auf der Internetseite:

(Quelle: Pressemitteilung von DGSS und Palliativnetz Bochum vom 4. Dezember 2007)

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