Schwerstkranke erhalten nach einem Erlass der Bundesregierung künftig verbesserten Zugang zu neuen nicht zugelassenen Arzneimittelbehandlungen

Nach einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums hat die Bundesregierung am 7. Juli 2010 dem Erlass der vom Bundesminister für Gesundheit vorgelegten Ministerverordnung über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Genehmigung oder ohne Zulassung in Härtefällen (Arzneimittel-Härtefall-Verordnung) zugestimmt. In der Pressemitteilung heißt es:

„Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern. Dazu erklärt Dr. Philipp Rösler: ‚Damit werden die Behandlungsoptionen für schwerstkranke Patientinnen und Patienten weiter verbessert und den forschenden Unternehmen der erforderliche Rechtsrahmen für das ausnahmsweise zur Verfügung stellen eines Arzneimittels vor seiner Zulassung gegeben.‘
Die medizinische Behandlung Schwerstkranker stößt nicht selten an Grenzen, wenn verfügbare Verfahren und Arzneimittel ‚ausgereizt‘ sind und der Patientin / dem Patienten keine Heilung oder Linderung mehr bieten können. Zwar läuft die Forschung zur Entwicklung neuer Arzneimittel z. B. gegen Krebserkrankungen und HIV auf hohem Niveau, doch dauert es viele Jahre, bis wirksame Neuentwicklungen tatsächlich anwendungsreif und zugelassen sind. In bestimmten Fällen erscheinen andererseits solche Arzneimittelkandidaten für die Behandlung betroffener Patientengruppen so aussichtsreich, dass sie diesen aus humanitären Gründen auch vor der Zulassung schon zur Verfügung gestellt werden sollten. Mit der vorgelegten Arzneimittel-Härtefall-Verordnung sollen solche Behandlungen, auch auf der Grundlage bestehenden europäischen Rechts, in rechtssicherer Form ermöglicht werden.
Härtefallprogramme werden in anderen europäischen Mitgliedstaaten bereits seit einigen Jahren mit guten Erfahrungen durchgeführt. In Deutschland gibt es kaum Erfahrungen mit Härtefallprogrammen. Allerdings ist vor allem wegen der insgesamt guten Versorgungssituation in Deutschland nicht davon auszugehen, dass zukünftig Härtefallprogramme in größerer Zahl durchgeführt werden. Nach der Verordnung trägt der Antragsteller eines Härtefallprogramms, in der Regel der Sponsor einer klinischen Prüfung oder der Antragsteller der Zulassung, die Gesamtverantwortung für das Programm und ist nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet, das Arzneimittel kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Die Verordnung regelt ein möglichst unbürokratisches und rasches Verfahren für die Durchführung. Härtefallprogramme sind bei der zuständigen Bundesoberbehörde vor Beginn anzuzeigen: Nach dem Eingang einer Bestätigung der Anzeige durch die Behörde, in der Regel innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Anzeige, kann mit der Durchführung des Härtefallprogramms begonnen werden. Um die Durchführung von Härtefallprogrammen verhindern zu können, bei denen zu befürchtende Risiken den für die Patienten zu erwartenden Nutzen überwiegen, erhält die zuständige Bundesoberbehörde ein Recht zum Widerspruch. Um größt-mögliche Transparenz über Härtefallprogramme in Deutschland zu erhalten, ist vorgesehen, dass die Bundesbehörde die Öffentlichkeit über angezeigte Härtefallprogramme auf Ihrer Website informiert.
Unabhängig von dieser Verordnung bleibt der Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel auch in individuellen Behandlungsfällen zulässig, wenn er unter der unmittelbaren Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes (‚Heilversuch‘) erfolgt.“

In der Verordnung heißt es:
„Die Voraussetzungen, unter denen ein Härtefallprogramm initiiert werden kann, sind daher restriktiv zu handhaben. Im Rahmen eines Härtefallprogramms eingesetzte genehmigungs- oder zulassungspflichtige Arzneimittel müssen der Behandlung einer Erkrankung dienen, die zu einer schweren Behinderung führen würde oder lebensbedrohend ist. Es darf kein genehmigtes oder zugelassenes Arzneimittel für eine zufriedenstellende Behandlung zur Verfügung stehen. Für das zur Behandlung vorgesehene Arzneimittel müssen ausreichende Hinweise für seine Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen. Ferner muss ein Antrag auf Genehmigung oder Zulassung gestellt sein oder eine genehmigte klinische Prüfung durchgeführt werden.“

Ob Medikamente auf Cannabisbasis bzw. Dronabinol (THC), die sich in der klinischen Forschung befinden, in ein solches Härtefallprogramm aufgenommen werden, ist bisher nicht bekannt.

Die Pressemitteilung sowie der vollständige Erlass stehen auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums zum Download bereit:
https://www.bmg.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/pm-10-07-07-nicht-zugelassene-arzneimittel.html

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 7. Juli 2010)

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