7 Jahre Haft für Querschnittsgelähmten, der Cannabis zu medizinischen Zwecken verwendete und darüberhinaus damit Handel betrieb

Unter dem Titel „Ein Joint pro Tag – sieben Jahre Haft“ berichtete der Wochenspiegel über das Urteil gegen einen 33-Jährigen aus der Eifel durch das Landgericht Koblenz. Der Betroffene therapiert sich seit vielen Jahren selbst mit Cannabis. Um seinen Konsum zu finanzieren, trieb er auch Handel mit Cannabis. Dabei diente sein Rollstuhl als Versteck bei Drogenfahrten in die Niederlande. Er ist bereits mehrfach vorbestraft. Die Strafen wurden jedoch wegen der fehlenden Haftfähigkeit nicht vollstreckt. Der Wochenspiegel berichtete über den Fall wie folgt:

„Vom Hals abwärts ist er gelähmt, lediglich seine Arme kann er teilweise bewegen. Das hielt Michael L. (Name geändert) jedoch nicht davon ab, sich jahrelang Drogen zu beschaffen. Mehrfach ‚kassierte‘ er dafür Haftstrafen, die jedoch nie vollstreckt wurden, weil er aufgrund seiner Behinderung als ‚haftunfähig‘ galt. Bis Mai 2010. Seitdem sitzt er in der JVA Wittlich. Vor ihm türmt sich nun ein ‚Berg von Vorstrafen‘ von mehr als sieben Jahren auf.
‚Wer nur das Vorstrafenregister liest, denkt, dass wir es hier mit einem Unbelehrbaren zu tun haben‘, sagt der Vorsitzende Richter Ralf Bock am Landgericht Koblenz. Gerade hat er den 33-jährigen Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Und dennoch spricht er vom ‚Prinzip Hoffnung‘ und dass der Fall zeige, wie wichtig eine mündliche Verhandlung sei.
In dieser hatte sich Michael L. zum wiederholten Mal wegen Marihuana-Einfuhr, -Handel und -Konsum verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft ließ sogar per Gutachten klären, ob eine Sicherungsverwahrung in Frage kommt. Die aktuellen Vorwürfe umfassten ebenfalls gleich mehrere Fälle.
In den Jahren 2006 und 2007 war Michael L. mit unterschiedlichen Mittätern fünf Mal nach Maastricht gefahren. Dort wechselte jeweils ein Kilo Marihuana für rund 3 500 Euro den Besitzer. Die Drogen versteckten die Käufer im Batteriefach von L.s Rollstuhl. Aufgeflogen waren die Fahrten, nachdem einer der Mitwisser bei einer Verkehrskontrolle erwischt wurde und bei der Polizei ‚geplaudert‘ hatte. ‚Offene Aussage‘ nannte eine Polizeikomissarin das vor Gericht. Michael L. zeigte sich viele Jahre ’solidarischer‘ mit seinen so genannten Freunden. ‚Ich wollte sie weiter schützen‘, sagt er. Ein Schutz, der ihn die nächste Verhandlung einhandelt, denn demnächst muss er sich wegen Falschaussage abermals vor Gericht verantworten. ‚Es ist ein Unterschied, ob man vor Gericht nichts sagt oder lügt‘, belehrte Richter Ralf Bock den Angeklagten. Seine Vermutung: Der Mann aus der Eifel habe die Justiz bisher etwas unterschätzt. Die Konsequenzen aus dieser Haltung bekommt er nun mit aller Härte zu spüren.
Mit einem tragischen Badeunfall fing alles an. Ein Kopfsprung ins Pulvermaar verändert das Leben des damals 17-Jährigen Michael L. für immer. Nach einem Genickbruch ist unklar, ob er überhaupt überlebt. Er kämpft sich zurück ins Leben, allerdings wird er für immer an den Rollstuhl gefesselt bleiben. Chronische Schmerzen sind Folgeschäden. Während einer Reha gibt ein Pfleger ihm offenbar den Hinweis, dass Cannabis sich schmerzlindernd auswirken kann. Der junge Mann, der bis dahin nie mit Drogen in Kontakt kam, beginnt mit dem regelmäßigen Cannabis-Konsum. ‚Eine Tüte pro Tag‘, beschreibt er sein Suchtverhalten vor Gericht. Um seinen eigenen Konsum zu finanzieren, sucht er sich Bekannte, die ihm dabei helfen, die Drogen zu beschaffen und zu verkaufen. Er allein ist noch nicht einmal in der Lage, sich einen Joint zu drehen.
Jeweils mehrere Personen legen Geld zusammen, um in den Niederlanden günstig möglichst viele Drogen zu beschaffen. Zurück in der Heimat wird dann aufgeteilt. Wer nicht mitfährt, bezahlt mehr für das Marihuana – dadurch wird auch L.s Drogensucht ‚refinanziert‘. Immer öfter gerät der Eifeler jedoch ins Visier der Drogenfahnder.
Es kommt zu mehreren Verhandlungen am Amtsgericht Cochem. Die erste größere Haftstrafe kassiert L. im Jahr 2000: drei Jahre. Einsichtig macht ihn das nicht. ‚Ein Urteil, das ergeht, aber nicht vollstreckt werden kann, ist nur mäßig beeindruckend‘, kommentiert seine Verteidigerin. Seit Mai 2010 ist das anders. Für L. wird ein Haftplatz gefunden.“

Das Urteil ist rechtskräftig.

Mehr unter:
https://www.wochenspiegellive.de/Redaktion/Cochem.html?doc=43621

(Quelle: Wochenspiegel vom 15. Februar 2011)

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