Anordnung des Bundesgesundheitsministeriums an die Bundesopiumstelle aus dem Jahr 2010 gegen den Eigenanbau von Cannabis nun öffentlich verfügbar

Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 hat Dr. Erhardt Schmidt, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angewiesen, einen Antrag von Michael F. auf einen Eigenanbau von Cannabis für persönliche medizinische Zwecke „unverzüglich“ abzulehnen. Das Schreiben wurde nun mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz veröffentlicht und ist hier verfügbar. Martin Steldinger vom Hanfmuseum Berlin hatte die Veröffentlichung des Schreibens verlangt.

Am 10. August 2010 erfolgte dann gemäß der Weisung aus dem Ministerium der Widerspruch des BfArM gegen einen Widerspruch von Michael F. vom 8. Januar 2008 gegen die Ablehnung seines Antrags auf den Eigenanbau von Cannabis für persönliche medizinische Zwecke (ACM- Mitteilungen vom 28. August 2010). Damals konnte den Gerichtsakten entnommen werden, dass diese Ablehnung auf einer Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums beruhte (ACM- Mitteilungen vom 26. Februar 2011). Den Akten kann ebenfalls entnommen werden, dass die Bundesopiumstelle die Auffassung gewonnen hatte, dass eine Erlaubnis zum Eigenanbau im Falle des Michael F. erforderlich ist.

Das verwaltungsrechtliche Verfahren, in dem das BfArM gegen ihre eigene Überzeugung die Position des Bundesgesundheitsministeriums vertritt, ist auch heute noch nicht abgeschlossen. In der Zwischenzeit hat aber das Oberverwaltungsgericht Münster die vom Bundesministerium für Gesundheit vorgetragenen Argumente zurückgewiesen (ACM- Mitteilungen vom 29. Dezember 2012). Allerdings klammert sich das BfArM im Auftrag des Bundesumweltministeriums noch an die Behauptung, Dronabinol (THC) habe bei Herrn F. die gleiche therapeutische Wirksamkeit wie die von ihm selbst angebauten Cannabisblüten (ACM- Mitteilungen vom 27. Juli 2013), eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt vom Gericht noch zu klären ist.

In dem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums vom 16. Juli 2010 heißt es:

„Ihr Bericht vom 29.6.2010
Mein Erlass vom 19.3.2010

Es wird gebeten, im vorliegenden Verfahren nunmehr unverzüglich einen Widerspruchsbescheid zu erlassen.

In dem Widerspruchsbescheid ist eine umfassende Ermessensausübung darzulegen. Die Entscheidung muss sich an den Zwecken des § 3 Abs. 2 BtMG und den übrigen Zwecken des BtMG orientierten und ist unter Berücksichtigung und Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls, einschließlich der im Erlass des BMG vom 19. März 2010 genannten Versagungsgründe, zu begründen.

Ergänzend bitte ich zu berücksichtigen:

1. Dem BfArM steht im vorliegenden Fall ein Entschließungsermessen zu. Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht ersichtlich. Die Zwecke des BtMG (notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung bzw. im vorliegenden Fall des Klägers) gebieten hier nicht die Erlaubniserteilung. Eine Versagung bewirkt auch keine Grundrechtsverletzung des Klägers (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit), da Therapiealternativen verfügbar sind.

2. Arzneimittel- und Therapiesicherheit:
Arzneimittel- und Therapiesicherheit sind nicht gegeben. Der Arzt verschreibt nicht, sondern „begleitet“ lediglich. Der Wirkstoffgehalt, die Qualität und die Menge des vom Kläger angebauten und gelagerten Stoffes sind nicht bekannt. Eine Dosierungsempfehlung ist dem Arzt daher unmöglich. In der Literatur beschriebene schwerwiegende Nebenwirkungen, wie z.B. epileptische Anfälle können vom Arzt weder vorausgesehen werden, noch kann zielgerichtet auf unerwünschte Wirkungen regiert werden.

3. Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs:
Die Richtlinien des BfArM zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten sind auch in diesem Fall anzuwenden. Danach sind zertifizierte Wertschutzschränke mit einem Widerstandsgrad I oder höher nach EN 1143-1 zu verwenden. Wertschutzschränke mit einem Eigengewicht unter 1000 kg sind entsprechend der EN 1143-1 zu verankern. Sogenannte Einmauerschränke sind in eine geeignete Wand fachgerecht einzubauen.

Es macht einen Unterschied, ob ein ärztlich verschriebenes und von der Apotheke abgegebenes Arzneimittel in der Privatwohnung gelagert wird oder ob dort Betäubungsmittel angebaut werden. Beim Eigenanbau kann ein Missbrauch deutlich schwerer ausgeschlossen werden. Es ist keine effektive Kontrolle über den Umgang des Anbaus und der Lagerbestände möglich. Beim Anbau im einzigen Badezimmer einer 2-Zimmer-Wohnung ist auch ein Zugang Dritter kaum zu vermeiden; Anbau und Lagerbestände sind für jeden Besucher unmittelbar ersichtlich.

4. Verstoß gegen internationales Recht:
Auch der Verstoß gegen internationales Recht (Art. 28 i.V.m. Artikel 23 ÜK 1961) ist ein Argument für die Versagung. Deutschland arbeitet eng mit dem Internationalen Suchtstoffkontrollrat INCB zusammen. Die Einhaltung der Konventionen und die Kooperation mit den internationalen Behörden sind unverzichtbar für eine effiziente Überwachung und Kontrolle im Betäubungsmittelbereich und für einen ausgewogenen Ansatz in der Drogenpolitik.

Um rechtzeitige Vorlage des Entwurfs des Widerspruchsbescheids vor Abgang wird gebeten.

Im Auftrag
Schmidt“

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