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Illegale Beschlagnahmung von Cannabisblüten aus der Apotheke im Rahmen einer Hausdurchsuchung

Drei Beamte der Polizei Esslingen haben bei unserem Mitglied Thomas Keilwerth eine Hausdurchsuchung durchgeführt und dabei nicht nur das selbst formal illegal angebaute Pflanzenmaterial, sondern auch die in der Apotheke erworbenen Cannabisblüten aus den entsprechenden Döschen beschlagnahmt. Die Beamten interessierte weder die Erlaubnis durch die Bundesopiumstelle noch die Quittung über die bezahlten Medizinal-Cannabisblüten aus seiner Apotheke. In einem Schreiben an das Innenministerium von Baden-Württemberg fordert Franjo Grotenhermen im Auftrag des Vorstands der ACM eine sofortige Rückgabe des Medikaments an seinen Patienten. Es darf nicht sein, dass Patienten, die Cannabis zu medizinischen Zwecken benötigen, ihr legal erworbenes Medikament durch die Polizei entwendet wird.

Herrn
Innenminister Reinhold Gall
Innenministerium des Landes Baden-Württemberg
Willy-Brandt-Straße 41
70173 Stuttgart

22. Juni 2014

Illegale Beschlagnahmung von Medikamenten auf Cannabisbasis durch Beamte der Kriminalpolizeidirektion Esslingen

Sehr geehrter Herr Gall,

bei unserem Mitglied und meinem Patienten Thomas Keilwerth wurde am Mittag des 13. Juni 2014 eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dabei wurden illegal angebaute Cannabispflanzen sowie auf Grund einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle legal in der Apotheke erworbene Cannabisblüten beschlagnahmt.

Diese Cannabisblüten werden aus den Niederlanden importiert und an bestimmte Apotheken in Deutschland geliefert, bei denen Patienten mit einer solchen Ausnahmeerlaubnis Cannabis erwerben dürfen. 5 g Cannabis kosten Herrn Keilwerth 90,88 Euro.

Herr Keilwerth aus Esslingen leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und chronischen Schmerzen, die auf andere Medikamente nicht ausreichend an¬sprechen. Er hat daher eine Ausnah-meerlaubnis nach §3 Abs. 2 BtMG zur ärztlich begleiteten Selbst¬therapie von der Bundesopiumstelle in Bonn erhalten. Er ist auf die Behandlung mit Cannabisblüten dringend angewiesen. Eine Beschlag¬nahmung seines Medikamentes stellt in meinen Augen eine Kör-perverletzung dar.

Nach Angaben von Herrn Keilwerth wurden ihm weder ein Durchsuchungsbeschluss noch die Dienst¬ausweise der durchsuchenden drei Beamten gezeigt. Es interessierte die Beamten nicht, dass er seine Erlaubnis (siehe in der Anlage die Ausnahmeerlaubnis von Herrn Keilwerth) und Kaufbelege für die Cannabisblüten vorlegen konnte. Drei Tage nach diesem Vorfall sei er von den gleichen Beamten erneut in der Öffentlichkeit durchsucht worden.

Herr Keilwerth hat aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nur ein sehr geringes Einkommen, und es ist allen Beteiligten, wie beispielsweise der Bundesopiumstelle, klar, dass Herr Keil¬werth sich die Cannabisblüten aus der Apotheke nicht in dem für eine adäquate Therapie erforderli¬chen Umfang leisten kann, so dass sein Eigenanbau aus unserer Sicht aus Notstandsgründen ge¬rechtfertigt erscheint. Allerdings ist sein Eigenanbau formal sicherlich eine Straftat. Es ist aber durch nichts zu entschuldigen, dass ihm darüber hinaus ein legal in der Apotheke erworbenes Medikament von der Polizei entwendet wurde.

Die erste Ausnahmeerlaubnis wurde im Sommer 2007 nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) erteilt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte damals festgestellt, dass die Bundesopiumstelle unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahmeerlaub¬nis zur Verwendung von Cannabisblüten erteilen muss. In seiner Begründung für das Urteil schreibt das Bundesverwaltungsgericht: „Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt, der sich auf eine Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich vielmehr stets durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen.“ Das Bundesverwaltungsgericht be¬tont in seinem Urteil den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körper¬liche Unversehrtheit. Es schreibt: „In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrecht-erhalten werden.“

Ärzte dürften zwar keinen Cannabis verschreiben. Dies hindere „sie aber nicht, einen Patienten medi¬zinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG solche Mittel im Rahmen der Schmerztherapie bei sich anwendet.“ Auf das Argument, Patienten könnten sich auch vom Arzt Dronabinol verschreiben lassen, auch wenn dieses teuer sei und von den Krankenkassen nicht immer erstattet werde, entgegnet das Bundesverwaltungsgericht: „Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krank¬heitsbekämpfung entfallen lässt.“

Das Bundesverwaltungsgericht regt als Lösung die Erlaubnis zum Eigenanbau nahe, indem es schreibt, „dass insbesondere bei Cannabis“ die Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage komme. Konkret heißt es im Urteil: „Die Entscheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen Nutzen in Rechnung stellen. Dieser kann gerade bei schweren Erkrankungen, wie sie hier in Rede stehen, auch in einer Verbesserung des subjektiven Befindens liegen.“

Zurzeit finden vor den Verwaltungsgerichten Prozesse für die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken statt.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf mehrere Freisprüche von Schwerkranken, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, wegen des Vorliegens eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB). Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2004 (3 Ss 187/03) liegt dieser Notstand vor, wenn drei Voraussetzungen vorliegen:
– Es muss eine schwere Erkrankung vorliegen.
– Diese Erkrankung oder Symptome dieser Erkrankung sind mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht oder nicht ausreichend behandelbar.
– Die Verwendung von Cannabis-Produkten muss die Krankheitssymptome tatsächlich lindern.

Diese Voraussetzungen liegen bei Herrn Keilwerth vor, da ihm sonst die Bundesopiumstelle keine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke erteilt hätte.

Ich bitte darum, dafür Sorge zu tragen, dass Herr Keilwerth in einem ersten Schritt seine in der Apotheke erworbenen Medikamente (Medizinal-Cannabisblüten) unverzüglich zurück erhält.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag des Vorstandes der ACM

Dr. F. Grotenhermen
Vorstandsvorsitzender

Nachrichtlich
Thomas Keilwerth

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
– Bundesopiumstelle –
Dr. Peter Cremer-Schaeffer
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn

Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags
Prof. Dr. Edgar Franke, Vorsitzender
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Anlagen
– Erlaubnis nach §3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für Herrn Thomas Keilwerth.
– Grotenhermen F, Müller-Vahl K. Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoi¬den. Dtsch Arztebl 2012; 109(29-30):495-501.
– Grotenhermen F. Der Stand der medizinischen Versorgung mit Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland. Stellungnahme im Rahmen des Expertengesprächs zum Thema Cannabis im Bundeskanzleramt am 20. März 2013.

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