Der Weg zu Cannabis als Medizin

Der Weg zu Cannabis als Medizin

Hier sind die Schritte beschrieben, die zur Verschreibung und zur Kostenübernahme durch die Krankenkasse führen. Zu einigen Aspekten gibt es im Internet fehlerhafte Informationen, auch von Institutionen, die eigentlich als zuverlässig und seriös gelten.

1. Gute Vorbereitung des Arztbesuches
Informieren Sie sich gut, zunächst über die Webseite der ACM und mit dem Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt, damit Sie wissen, was sie wollen. Sie können nicht erwarten, dass Ihr Arzt gut informiert ist. Es reicht nicht aus, wenn Sie Ihrem Arzt sagen, dass Sie gern Cannabisblüten auf Rezept hätten. Sie sollten in der Lage sein, ihm zu sagen, welche Sorte Sie haben möchten. Hinweise zu Cannabissorten finden sich auf der ACM-Webseite. Wenn Sie bereits Erfahrungen mit der Verwendung von Cannabisblüten haben, teilen Sie ihm mit, wie sie es dosieren, beispielsweise Inhalation von 0,5 g in 4-5 Dosen über den Tag verteilt. Wenn Sie keine Erfahrungen haben, teilen Sie ihm bitte mit, ob Sie die Inhalation oder die orale Aufnahme bevorzugen. Dann kann er entsprechend die Dosierungsanleitung von der ACM-Webseite herauskopieren und unter seinen Briefkopf setzen. Informieren Sie sich auch genau darüber, unter welchen Voraussetzungen die Krankenkassen die Kosten einer Behandlung übernehmen, damit Sie Ihren Arzt entsprechend informieren können.
2. Arztbesuch
Fragen Sie Ihren Arzt, ob er grundsätzlich bereit ist, Ihnen cannabisbasierte Medikamente oder Cannabisblüten zu verschreiben. Bieten Sie ihm an, ihm alle Informationen zu liefern, die es ihm erleichtern, eine Verschreibung vorzunehmen und eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu beantragen.

3. Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse
Hier findet sich ein Fragebogen der AOK zur Entscheidung über die Kostenübernahme. Bei Frage 9 sollten Sie schreiben, dass der Gesetzgeber an die Kostenübernahme nicht die Voraussetzung gestellt hat, dass es zur Erkrankung bzw. Symptomatik, um die es im konkreten Fall geht, Studien gibt. Die Kostenübernahme wurde ausdrücklich nicht an das Vorliegen bestimmter Indikationen knüpft. Der Arzt braucht daher keine Literatur zu nennen, geschweige denn Literatur im Original beizufügen. Hilfreich können jedoch Verweise sein, nach denen die Bundesopiumstelle bei den folgenden und weiteren Erkrankungen Ausnahmeerlaubnisse erteilt hat:

Allergische Diathese
Angststörung
Appetitlosigkeit und Abmagerung (Kachexie)
Armplexusparese
Arthrose
Asthma
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Autismus
Barrett-Ösophagus
Blasenkrämpfe nach mehrfachen Operationen im Urogenitalbereich
Blepharospasmus
Borderline-Störung
Borreliose
Chronische Polyarthritis
Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)
Chronisches Schmerzsyndrom nach Polytrauma
Chronisches Wirbelsäulensyndrom
Cluster-Kopfschmerzen
Colitis ulcerosa
Depressionen
Epilepsie
Failed-back-surgery-Syndrom
Fibromyalgie
Hereditäre motorisch-sensible Neuropathie mit Schmerzzuständen und Spasmen
HIV-Infektion
HWS- und LWS-Syndrom
Hyperhidrosis
Kopfschmerzen
Lumbalgie
Lupus erythematodes
Migraine accompagnée
Migräne
Mitochondropathie
Morbus Bechterew
Morbus Crohn
Morbus Scheuermann
Morbus Still
Morbus Sudeck
Multiple Sklerose
Neurodermitis
Paroxysmale nonkinesiogene Dyskinese (PNKD)
Polyneuropathie
Posner-Schlossmann-Syndrom
Posttraumatische Belastungsstörung
Psoriasis (Schuppenflechte)
Reizdarm
Restless-Legs-Syndrom
Rheuma (rheumatoide Arthritis)
Sarkoidose
Schlafstörungen
Schmerzhafte Spastik bei Syringomyelie
Systemische Sklerodermie
Tetraspastik nach infantiler Cerebralparese
Thalamussyndrom bei Zustand nach Apoplex
Thrombangitis obliterans
Tics
Tinnitus
Tourette-Syndrom
Trichotillomanie
Urtikaria unklarer Genese
Zervikobrachialgie
Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma
Zwangsstörung

Letztes Update der Liste: 12.03.2017

Für die meisten Erkrankungen, die oben genannt wurden, inklusive Migräne, Hyperhidrosis, Arthroseschmerzen, ADHS oder Reizdarm gibt es keine oder nur wenig aussagekräftige Studien.

Für die Kostenübernahme ist es nicht erforderlich, dass Sie sich vorher Cannabisblüten auf einem Privatrezept verschrieben haben lassen, wie es gelegentlich behauptet wurde. Sowohl Sie als auch Ihr behandelnder Arzt können eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragen.

4. Weitere Gültigkeit der Ausnahmeerlaubnis
Wenn Sie eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten von der Bundesopiumstelle haben, so haben einige Krankenkassen offenbar bereits erklärt, dass sie keine erneute Prüfung vornehmen wollen, sondern die Kosten erstatten. Von anderen Krankenkassen war zu hören, dass sie bei bestimmten Indikationen die Kosten nicht erstatten würden. Das wird möglicherweise dann vor den Sozialgerichten zu klären sein.
Die Erlaubnis ist noch 3 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes gültig, also bis zum 10. Juni 2017. Bis dahin können Erlaubnisinhaber weiterhin ohne Rezept Cannabis in der Apotheke abholen.

5. Erwerb von Cannabisblüten in der Apotheke
Mit einem Betäubungsmittelrezept können Sie in jeder Apotheke Cannabisblüten bestellen. Sie sind nicht, wie zuvor Erlaubnisinhaber, an eine bestimmte Apotheke gebunden. Es gibt einige Fehlinformationen zu den Preisen. Die kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat in einem Schreiben an Ärzte vom 3. März 2017 darauf hingewiesen, dass es bei der Verschreibung von Cannabisblüten 3 Verordnungsmöglichkeiten gibt.
1. Verordnung als unverändertes „Produkt“, also so wie es importiert wird, wird es auch abgegeben. In diesem Fall gelten Cannabisblüten als Fertigarzneimittel und sollten nicht mehr als 70 € kosten.
2. Verordnung in einer Menge, die nicht den importierten Packungsgrößen entspricht. Beispiel: Bedrocan 7,5 g (geliefert wird Bedrocan in 5 g Packungen). Man sollte möglichst nur in den Packungsgrößen bestellen, die verfügbar sind, also die Sorten von Bedrocan und von MedCann in 5-Gramm-Schritten sowie die Sorten von Pedanios in 10-Gramm-Schritten. Auf diese Weise erspart man sich Preisaufschläge durch die Apotheke durch die Notwendigkeit, die Blüten umzufüllen.
3. Verordnung von Cannabisblüten in abgeteilten Einzeldosen. Dann werden die höheren Kosten von 110-120 € für 5 g fällig, da in diesem Fall die Cannabisblüten wie ein Rezepturarzneimittel behandelt werden.

6. Teilnahme am Straßenverkehr
In der Vergangenheit hatten Erlaubnisinhaber wiederholt Probleme mit den Führerscheinstellen, weil die Cannabisblüten nicht verschrieben wurden. Daher haben Erlaubnisinhaber formal gegen den § 24 des Straßenverkehrsgesetzes verstoßen, der eine Ordnungswidrigkeit vorsieht, wenn Drogen, die im Blut nachgewiesen wurden, nicht durch einen Arzt verschrieben wurden.
Autofahren und die Verwendung illegaler Betäubungsmittel schließen sich aus – wie das Fahren unter Alkoholeinfluss. Das ist Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zu entnehmen. Anders sieht die Rechtslage aus, wenn man ein BtM als Patient im Zusammenhang mit einer entsprechenden Erkrankung einnehmen muss, also aus medizinisch-therapeutischen Gründen. Hier ist das Fahren grundsätzlich zulässig. So heißt es im § 24a, Satz 2, des Straßenverkehrsgesetzes: „Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.“ Analog unterscheidet auch die Fahrerlaubnisverordnung zwischen der illegalen Verwendung von Drogen und der Einnahme von Arzneimitteln. So heißt es in einem Merkblatt des Bundesverkehrsministeriums: „Während der illegale Konsum von Betäubungsmitteln (außer Cannabis) die Fahreignung nach Anlage 4 Nr. 9.1 FeV ausschließt, führt die Einnahme von Medikamenten nur dann zum Ausschluss der Fahreignung, wenn es zu einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens unter das erforderliche Maß kommt (Anlage 4 Nr. 9.6.2 FeV)“. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass der Patient sich in einem stabilen, gut eingestellten Zustand befindet und die Einnahme des betreffenden BtM seinen Allgemeinzustand nicht wesentlich negativ beeinflusst – und dass sich der Patient vor Fahrtantritt kritisch hinterfragt.
Leider sind viele Führerscheinstellen und MPU-Stellen noch nicht ausreichend informiert.

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