Presseschau: Schmerzpatient: Ohne Cannabis kann ich nicht leben (Frankfurter Neue Presse)

Die Frankfurter Neue Presse berichtet anhand der Situation von Frank-Josef Ackerman, neben Michael Fischer der zweite Patient, der in Deutschland eine Ausnahmeerlaubnis zum Anbau von Cannabis durch die Bundesopiumstelle besitzt, über die Probleme der Umsetzung des Gesetzes und auch über die Bedeutung der Therapie mit Cannabis für viele Patienten. Irrtümlicherweise berichtet die Zeitung, dass Dr. Franjo Grotenhermen ebenfalls Cannabis medizinisch einsetzt, was nicht der Fall ist. Der Autor hat sich aber entschuldigt und will den Fehler im Text korrigieren.

Schmerzpatient: „Ohne Cannabis kann ich nicht leben“

Frank-Josef Ackerman aus Nieder-Rodenbach ist einer von wenigen Deutschen, die zum Eigenverbrauch Cannabis anbauen dürfen. Der 47-jährige Schmerzpatient musste lange um die Ausnahmegenehmigung kämpfen – und könnte sie bald wieder verlieren.

Ein Dutzend Pflanzen unter hellen Wärmestrahlern sind alles, was Frank-Josef Ackerman von einem Leben voller Schmerzen trennt. Die mannshohen Gewächse stehen in einem Seitenzimmer seiner karg eingerichteten Erdgeschosswohnung in Nieder-Rodenbach. „Mein Cannabis ist sauber“, sagt er. „Viel besser als der Kram, den ich früher auf der Straße bekommen habe.“

Ackerman ist einer von wenigen Schmerzpatienten in Deutschland, die zuhause Cannabis anbauen dürfen, zum Eigenkonsum. Der 47-Jährige leidet seit knapp zehn Jahren an Poly-Arthrose. Seine Gelenke sind teils knotenhaft verdickt; er bewegt sich langsam, wie ein viel älterer Mann. Vor ein paar Jahren hatte er Krebs.

„Ich hatte Phasen, da habe ich nächtelang nicht geschlafen vor Schmerzen“, erzählt er. Die Ärzte verschrieben konventionelle Schmerzmittel. Aber die schlugen entweder nicht an – oder machten seine Situation noch schlimmer, indem sie Magen und Darm angriffen.

Also half Frank-Josef Ackerman sich selbst. Anfangs mit Stoff, den er auf der Straße kaufte. „Ich habe das Zeug in die Pfeffermühle getan, überall drübergestreut und gegessen“, erzählt er. Die Substanz schlug an, seine Schmerzen nahmen ab. 2013 stellte sein Arzt ein Rezept aus: Für 15 bis 20 EURo pro Gramm konnte er fortan Cannabis aus der Apotheke bekommen.

Das konnte sich Ackerman nicht leisten: Nach eigenen Angaben raucht er sieben bis acht Joints pro Tag, das entspricht ein bis zwei Gramm. Das Cannabis aus der Apotheke wurde schnell zu teuer – der vierfache Vater ist arbeitsunfähig und bezieht nur eine kleine Rente.

Daraufhin begann er, Cannabis in seinen eigenen vier Wänden anzubauen – und zeigte sich bei der Staatsanwaltschaft an. Dabei bat er die Behörden, wegen seiner speziellen Situation von einer Strafverfolgung abzusehen. „Was soll ich denn machen?“, sagt er. „Ich brauche Cannabis, kann mir das Zeug aus der Apotheke aber nicht leisten.“

Die Botschaft an die Behörden kam nicht an: Die Polizei durchsuchte seine Wohnung und beschlagnahmte die Pflanzen. Ackerman reichte Beschwerde ein – erst vor dem Amtsgericht in Darmstadt, später vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter gaben ihm Anfang 2015 recht: Aufgrund seiner schweren Krankheit und seiner Mittellosigkeit sei der Eigenanbau in seinem Fall zu rechtfertigen, urteilten sie.

Seither baut Ackerman sei eigenes Cannabis an. Zunächst noch in einer legalen Grauzone, seit Beginn des Jahres 2017 mit einer offiziellen Anbaugenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Diese Genehmigung ist aber befristet: Im Juni läuft sie ab. Und es sieht so aus, als werde sie nicht verlängert.

Seit Beginn des Jahres ist Cannabis auf Rezept freigegeben. Eine entsprechende Gesetzesnovelle hat der Bundestag verabschiedet. Weil medizinisches Cannabis jetzt legal ist, möchte der Gesetzesgeber die laufenden Anbaugenehmigungen so schnell wie möglich kassieren.

„Ein Patient, der jetzt eine befristete Anbaugenehmigung hat, muss sich darum bemühen, dass er sein Cannabis künftig auf konventionellem Weg bekommt“, erklärt Dr. Franjo Grotenhermen, der selbst Cannabis zur Behandlung einsetzt. „Er muss also einen Arzt finden, der Cannabis verschreibt, und eine Krankenkasse, die die Kosten übernimmt.“

Das, sagt Grotenhermen, funktioniere zurzeit aber nur in der Theorie. „Die meisten Ärzte lehnen es ab, Cannabis zu verschreiben, weil sie Angst haben, das Arzneimittelbudget zu überschreiten.“ Cannabis aus der Apotheke sei ziemlich teuer.

Und auch die Krankenkassen sperren sich, sagt der Arzt: „Dass die Krankenkassen die Übernahme der Kosten ablehnen, sollte eigentlich die Ausnahme sein, in begründeten Fällen. Momentan ist es die Regel, und die Begründungen sind oft ziemlich schlecht.“

Entsprechende Erfahrungen hat Frank-Josef Ackerman schon gemacht: „Ich war bei einer großen Krankenkasse und habe denen gesagt: ‚Ich bin Cannabis-Patient, ich brauche Cannabis‘. Die haben mir einfach nur gesagt: Von uns bekommen Sie nichts.“

So wie Ackerman geht es den meisten, die zurzeit noch Ausnahmegenehmigungen für den Anbau von Cannabis haben: Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll.

„Ich habe Angst, dass ich demnächst zuhause nichts mehr anbauen kann, aber aus der Apotheke auch nichts bekomme“, sagt Ackerman. „Aber das geht nicht. Ich kann das nicht beenden. Ich nehme das ja nicht zum Spaß. Wenn ich kein Cannabis mehr rauche, kommen die Schmerzen. Dann habe ich kein Leben mehr.“

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