Presseschau: „Nicht nur das letzte Mittel“ Mediziner kämpft für mehr Einsatz von Cannabis (Kölnische Rundschau)

Ein kurzes Interview mit Dr. Grotenhermen in der Kölnischen Rundschau.

„Nicht nur das letzte Mittel“ Mediziner kämpft für mehr Einsatz von Cannabis

Köln-Franjo Grotenhermen studierte Medizin in Köln und spezialisierte sich auf die Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden. Thomas Geisen hat mit ihm gesprochen.

Herr Grotenhermen, Sie propagieren seit Jahrzehnten, Cannabis als Medizin einzusetzen. Sind Sie mit der Gesetzesänderung am Ziel?
Ich setze mich mit vielen anderen dafür ein, dass Patienten, die eine cannabisbasierte Therapie benötigen, diese auch erhalten können. Wir haben mit dem neuen Gesetz einen großen Schritt in eine gute Richtung gemacht. Angesichts der weiterhin bestehenden Probleme für viele Patienten ist unser Ziel leider noch nicht erreicht.

Wo gibt es denn da Probleme?
Es gibt bereits einige zugelassene Medikamente auf Cannabisbasis. Zwei davon sind in Deutschland zugelassen, der Cannabisextrakt Sativex für die Behandlung der Spastik bei Multipler Sklerose und das Nabilon-Präparat Canemes für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Krebs-Chemotherapie. Nabilon ist ein synthetischer Tetrahydrocannabinol (THC)-Abkömmling mit einer ähnlichen Wirkung wie THC. Es gibt Bemühungen, auch Cannabisblüten zur arzneimittelrechtlichen Zulassung zu bringen, etwa vom niederländischen Produzenten Bedrocan, der auch nach Deutschland exportiert. Ein gravierendes Problem sind Fragen, die beim Versuch der Patentierung eines pflanzlichen Produkts auftauchen. Große pharmazeutische Firmen wie Novartis, Sanofi und Pfizer, die alle in diesem Forschungsbereich aktiv sind, konzentrieren sich daher eher auf synthetische Präparate, von denen sich einige bereits im klinischen Test befinden.

Sie sind ja selber Arzt, wann verschreiben Sie Cannabis?
Ich verschreibe Cannabis bei einem breiten Spektrum von Erkrankungen, darunter vor allem chronische Schmerzsyndrome, neurologische Erkrankungen sowie psychiatrische Leiden.

Muss die Krankenkasse in jedem Fall zahlen?
Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten einer Therapie übernehmen, wenn das Präparat für eine bestimmte Indikation zugelassen ist. Ist dies nicht der Fall, muss der Patient einen Kostenübernahmeantrag bei seiner Krankenkasse stellen, der vom Arzt begründet werden muss. Es müssen laut Gesetz, das im März 2017 in Kraft trat, drei Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss eine schwere Erkrankung vorliegen. Zweitens darf eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehen oder im Einzelfall nach der Einschätzung des Arztes nicht zur Anwendung kommen können. Drittens muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf die Erkrankung oder schwerwiegende Symptome bestehen.

Was ist schwieriger: Gegen das Stigma des Illegalen von Cannabis anzukämpfen, den medizinischen Nutzen zu erklären, oder die Pharma-Industrie zu überzeugen, dass sich ein Geschäftsfeld auftut?
Diese Aspekte spielen alle eine Rolle. Ich habe den Eindruck, dass der medizinische Nutzen von cannabisbasierten Medikamenten in der Ärzteschaft weitgehend akzeptiert ist. Es gibt allerdings Diskussionen zu der Frage, bei welchen Erkrankungen und Symptomen ihr Einsatz sinnvoll ist. Die Linderung von Schmerzen oder die Steigerung des Appetits bei Krebskranken ist eine allgemein akzeptierte mögliche Cannabiswirkung, während der Einsatz bei psychiatrischen Erkrankungen, wie etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung.

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