Schreiben der Sprecherin des SCM an die drogenpolitischen Sprecher im Deutschen Bundestag

Im Vorfeld der Bundestagsdebatte zur Änderung des Gesetzes aus 2017 hatte Gabriele Gebhardt, Sprecherin des SCM, die drogenpolitischen Sprecher der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien eine E-Mail geschickt. Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/die GRÜNEN) und Niema Movassat (Die Linke) haben geantwortet und betont, dass sie sich für weitere Verbesserungen beim Zugang zu einer medizinischen Behandlung mit Cannabis im Deutschen Bundestag einsetzen.

„Aus Anlass  der am 6. Juni 2019 anstehenden Diskussion des Deutsche Bundestags über das Thema Arzneimittelsicherheit und Cannabis als Medizin, möchte ich Sie nochmal auf das Problem der ärztlichen Versorgung von Patienten, die Cannabis medizinisch benötigen, hinweisen.

Ich bitte Sie inständig, sich dafür einzusetzen, dass Cannabis-Verordnungen zukünftig bundesweit nicht mehr in das Arzneimittelbudget einfließen. In Baden-Württemberg wird dies bereits umgesetzt. Das ist also machbar. Diese Hürde muss aber für alle Patienten und alle Ärzte beseitigt werden. Darüber hinaus muss der bürokratische Aufwand für Ärzte mit Antragstellung, Widerspruch, Gutachten vor Sozialgerichtsprozessen reduziert werden.

Das Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin führt z.Zt. eine Umfrage durch, an der bisher 171 Patienten ihre Suche nach einem Arzt, der sie mit Cannabis-Medikamenten behandelt, schildern.  Häufige Gründe für eine ablehnende Haltung von Ärzten sind:

– Angst vor Regressen
– Zu viel Bürokratie und unbezahlte Arbeit
– fehlendes Wissen über die Wirkungsweise von Cannabis und das neue Gesetz
– grundsätzliche Entscheidung, Cannabis nicht zu verschreiben, oder erstmal abzuwarten, wie sich die Umsetzung des Gesetzes entwickelt
– vereinzelt auch generelle Vorurteile gegen Cannabis und Cannabispatienten, die dann auch schon mal unter Beschimpfungen als Yankee der Praxis verwiesen werden

Der große Mangel an Ärzten, die bereit sind Patienten Cannabis zu verschreiben und Patienten bei der Antragstellung zu unterstützen, spiegelt sich in den 171 Antworten zu unserer Umfrage wieder:

92 Patienten haben  keine Kostenübernahme – 60 davon bekommen aber ein Privatrezept
78 Patienten mussten 5 und mehr Ärzte aufsuchen, bis sie Unterstützung beim Antrag oder ein Privatrezept bekamen
97 Patienten haben einen Arzt gefunden, der sie bei der Antragstellung unterstützt, oder ein Privatrezept verschreibt,  der mehr als 10 km entfernt vom Wohnort ist, bei  45 Patienten ist der Arzt  zwischen 50 km und 700 km vom Wohnort entfernt
23 Patienten  bekommen nicht die von der Krankenkasse genehmigte Menge verschrieben

Die Schilderung der Patienten sind erschütternd.

Um nur mal 2 Beispiele zu schildern:
Patient mit chronischen Schmerzen und chronischer Darmentzündung seit vielen Jahren:  „Orthopäde empfiehlt Cannabis, sagt aber, Hausarzt sei für Verschreibung zuständig. Hausarzt sagt „keine Chance bei Krankenkasse“, der nächste „viel zu teuer“, Internist sagt Hausarzt sei zuständig. Bis heute noch keinen Arzt gefunden, der es mir verschreibt.“
Ein Patient mit Krebs und psychischen Krankheiten bekam  recht schnell das OK von MDK. Als sein Arzt aufhörte zu praktizieren, musste er 4 Monate ohne Medikation verbringen und  83 Ärzte anfragen, bis er einen fand, der die Therapie weiterführte. Alle anderen haben ihn abgewiesen.

Diese Situation ist menschenverachtend und führt schwerkranken Menschen zusätzliches Leid zu. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient sollte ein Vertrauensverhältnis sein und die Verordnung sich einzig und allein an der medizinischen Notwendigkeit orientieren. Stattdessen werden Patienten zusätzliche Schikanen, Arbeitsaufwand und Kosten auferlegt, die sie oftmals nicht mal bewältigen können und Ärzte, die sich trotz der wirtschaftlichen Bedrohung für ihre Patienten einsetzen, verbringen schlaflose Nächte.

Bitte helfen Sie das zu ändern.

Freundliche Grüße
Gabriele Gebhardt“
(Sprecherin Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin)“

Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin
c/o ACM
Bahnhofsallee 9
32839 Steinheim

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