ACM-Mitteilungen vom 3. April 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Vorfeld der Bundestagswahl können wir vermehrt Initiativen von Bundestagsfraktionen zum Thema Cannabis beobachten. Auch wenn es sich dabei vorwiegend um den Freizeitkonsum handelt, so ist es doch ein Zeichen, dass mit Ausnahme von CDU/CSU und AFD die Sinnhaftigkeit und Rechtfertigung von Kriminalisierung von Cannabisnutzern zunehmend infrage gestellt wird und auch als Wahlkampfthema entdeckt wurde.

Die FDP fordert unter dem Titel “Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert an Erwachsene abgeben – Gesundheits und Jugendschutz stärken“ eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene, inklusive einer saftigen Steuer.

Die Linke fordert unter dem Titel “Eine unabhängige Expertenkommission für die Drogenpolitik einberufen“ eine Überprüfung der bisherigen, stark auf Repression setzenden Drogenpolitik.

Kürzlich überarbeitete die SPD ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl, wie der Spiegel unter dem Titel SPD will kleine Mengen Cannabis legalisieren berichtete. Darin spricht sich die SPD für Modellprojekte zur Entkriminalisierung von Cannabis aus.

Der Vorstand der ACM hofft, in diesem positiven Klima auf eine Positionierung der im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AFD zugunsten von Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Patientinnen, die Cannabis aus medizinischen Gründen.

Wir hoffen, dass wir auch hinsichtlich der juristischen Einschätzung des kürzlichen Urteils des Bundesgerichtshofs über die Strafbarkeit von Nutzhanf-Produkten bald mehr erfahren.

Die ACM befasst sich ausschließlich mit der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden. Wir stellen jedoch fest, dass die im im Bundestag häufig nicht deutlich zwischen Freizeitkonsum und medizinischer Verwendung unterschieden wird. Da gibt es die Pro-Cannabis-Haltung und die Kontra-Cannabis-Haltung. So werden diese Themen im politischen Raum häufig verknüpft diskutiert, sodass wir uns dieser Verknüpfung leider auch nicht so entziehen können, wie wir das gern möchten.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Inhalt:

Bundesgerichtshof entscheidet über die Strafbarkeit von Nutzhanfblüten

Am 24. März entschied der Bundesgerichtshof über die Strafbarkeit von Nutzhanfblüten und Hanftee (AZ: 6 StR 240/20). Da es in den vergangenen Monaten vermehrt Razzien und Strafverfahren gegen Betreiber von Unternehmen oder Shops, die Produkte aus Faserhanf verkaufen, gegeben hat, ist das Urteil von großer Bedeutung. Das ausführliche schriftliche Urteil selbst liegt noch nicht vor. Die bisherigen Mitteilungen des Gerichts haben zu unterschiedlichen Interpretationen durch Juristen geführt. In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es:

„Nach den Feststellungen betrieben die Angeklagten in Braunschweig Ladenlokale, in denen sie – auch noch nach polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen – aus EU-zertifiziertem Nutzhanf gewonnene Cannabispflanzenteile mit geringen THC-Gehalten (0,08 % bis 0,33 %) als Hanftee an Endkonsumenten verkauften. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass dieser zwar nicht beim Aufguss mit Wasser, jedenfalls aber nach Verarbeitung zu Gebäck einen Rausch hervorrufen kann.

Der 6. Strafsenat hat das Urteil auf die Revision der Angeklagten aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der von den Angeklagten verkaufte Hanftee sei ein Betäubungsmittel. Diese Betäubungsmitteleigenschaft misst sich an Position "Cannabis" in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz und der dort vorgesehenen Ausnahme zu Buchstabe b. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbietet diese Ausnahmevorschrift zwar nicht grundsätzlich den Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken. Jedoch muss ein Missbrauch des Cannabisprodukts zur Berauschung ausgeschlossen sein. Die Feststellung, dass dies bei dem von den Angeklagten vertriebenen Hanftee nicht der Fall war, wurde vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen. Allerdings hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Vorsatz der Angeklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der vertriebenen Pflanzenteile zu Rauschzwecken umfasste.“

Das Braunschweiger Landgericht, das die Inhaber der Hanfbar Anfang 2020 wegen des Verkaufs von THC-armen Nutzhanfblüten und Tees an Endkunden zu Bewährungsstrafen verurteilt hatte, muss nun erneut über den Fall entscheiden. Die aktuellen Einschätzungen von Juristen zu den Konsequenzen des Urteils gehen auseinander.

Werner Siebers, einer der Anwälte der Hanfbar, schrieb in einem Blog:

„Was lange währt, wird endlich gut? Na ja, die Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (Verkauf von Hanftee) durch meinen Kollegen Jan Funck und durch mich waren für unsere Mandanten durchaus erfolgreich, zumal der 6. Strafsenat in Leipzig durchaus den Argumenten der Verteidigung gefolgt ist – allerdings nur auf der Vorsatzebene. Das bedeutet, unsere Mandanten können weiter auf einen Freispruch hoffen, aber alle anderen, die spekuliert haben, mit diesem Urteil sei zukünftig der Verkauf von Tee aus Nutzhanf legal, müssen eine herbe Enttäuschung hinnehmen.“

Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann interpretiert das Urteil auf LinkedIn jedoch positiv:

“Der BGH hat soeben eine langersehnte Klarstellung für die Hanfbranche vorgenommen. Er hat das Urteil im Hanfbar-Fall, in dem die Angeklagten für den Handel mit CBD-Blüten zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, aufgehoben und den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Laut der Pressemitteilung des Gerichts ist der Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wie es bislang von der juristischen Literatur und der Rechtsprechung angenommen wurde. Jedoch muss ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen sein. Und ein Missbrauch zu Rauschzwecken muss auch vom Vorsatz der Angeklagten umfasst sein, was das Landgericht hier nicht geprüft hat. Im Klartext, vorbehaltlich der genauen Entscheidungsgründe: solange der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist, und Händler keinen Vorsatz im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch haben, ist Abgabe und Besitz von jeglichen, unverarbeiteten Nutzhanf-Produkten an Endkonsumenten nicht vom Betäubungsmittelgesetz erfasst.”

Bevor das schriftliche Urteil vorliegt, ist eine abschließende Bewertung möglicherweise nicht möglich. Solange werden die Jagd auf CBD-Händler in Deutschland weitergehen, berufliche Existenzen und Arbeitsplätze vernichtet, während sich andere Länder über die Einstufung von Nutzhanf als Betäubungsmittel wundern und diesem Markt eine Chance geben.

So gab die EIHA (European Industrial Hemp Association) gab am 23. März bekannt, dass sowohl die regulären/Vollspektrum- als auch die natürlichen Isolat-Produkte der EIHA-Konsortiumspartner weiterhin auf dem britischen Markt verkauft werden dürfen. Dies geschieht, nachdem beide Anträge die wichtige administrative Prüfung durch die UK Food Standards Agency (FSA) bestanden haben.

Einige Pressemeldungen der vergangenen Tage

„Debatte über Legalisierung: Goldene Zeiten für Cannabis“ (Der Standard)

„Medizinisches Cannabis wird zu 96 Prozent von Ärzten in Westdeutschland verschrieben“ (Business Insider)

„FDP will „Genusscannabis“ aus der Apotheke“ (Apotheke ADHOC)

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