ACM-Mitteilungen vom 19. Februar 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

auch in diesem Jahr werden wir – am Samstag, den 2. April, von 9:00 Uhr bis 18:15 Uhr – eine kostenlose virtuelle Fortbildungsverstaltung für Ärztinnen und Ärzte durchführen, bei der sie CME-Fortbildungspunkte erwerben können. Das Programm ähnelt dem vom 20. März 2021, das eine sehr gute Resonanz hatte. Wir haben 3 neue Referenten gewinnen können, Privatdozent Dr. Christian Kessler von der Charité in Berlin, Professor Dr. Volker Auwärter vom rechtsmedizinischen Institut der Universität Freiburg sowie Professor Dr. Matthias Karst von der Schmerzambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover.

Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass von den Ergebnissen der Begleiterhebung zur Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten in Deutschland durch die Bundesopiumstelle zwischen 2017 und 2022 nicht sehr viele neue Erkenntnisse erwartet werden können, da in dieser Begleiterhebung ausdrücklich nur Patientinnen und Patienten eingehen, die eine Kostenübernahme von einer gesetzlichen Krankenkasse erhalten haben.

Da die Krankenkassen häufig eine Kostenübernahme ablehnen, was bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht so erwartet werden konnte, können die Daten hinsichtlich der Verschreibung bei verschiedenen Indikationen nicht repräsentativ sein. Viele wichtige Indikationen werden in der Begleiterhebung überhaupt nicht erfasst. Daher begrüßen wir eine Initiative von Copeia, die gegenwärtig eine breit angelegte Umfrage unter Patientinnen und Patienten zu Ihrer Cannabistherapie durchführen. Die Umfrage läuft noch bis zum 30. April 2022. Ich habe mir von den Initiatoren der Umfrage die Methodik und die ersten Ergebnisse ausführlich erläutern lassen. Bisher haben etwa 450 Personen teilgenommen. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn noch deutlich mehr Patientinnen und Patienten an der Umfrage teilnehmen würden und damit zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zur Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten in Deutschland beitragen.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Inhalt:

ACM-Konferenz 2022: Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten: Grundlagen und Fallberichte

– Kostenlose Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Apotheker am 2. April 2022 als Zoom-Webinar –

Die ACM führt am Samstag, den 2. April 2022, eine ganztägige Fortbildungsveranstaltung für Ärztinnen und Apothekerinnen durch. Eine CME-Zertifizierung ist bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe beantragt.

Wie im letzten Jahr werden die Vorträge aufgezeichnet und später in die Video-Datenbank auf der ACM-Webseite integriert.

Termin: 2. April 2022
Art: Virtuell als Zoom-Webinar
Gebühren: Kostenlose Registrierung und Teilnahme

Kostenlose Anmeldung:
Nach der Registrierung erhalten Sie eine Bestätigungs-E-Mail mit Informationen über die Teilnahme am Webinar.

CME-Punkte
Die Vergabe von CME-Punkten ist an die Teilnahme an einem kurzen Multiple -Chroice -Test und von mindestens 90 % der Fortbildungszeit gebunden.

Sponsoring
Die Logos der Sponsoren werden ein Jahr lang in die Video-Datenbank der ACM integriert.

Kontakt
Dr. med. Franjo Grotenhermen, ACM e.V., Bahnhofsallee 9, 32839 Steinheim
E-Mail: info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de

Programm:

ab 08:00 Uhr: Möglichkeit der Einwahl in Zoom

8:45 Uhr: Begrüßung

9:00 Uhr bis 10:00 Uhr: Grundlagen

10:15 Uhr bis 10:30 Uhr: Pause

10:30 Uhr bis 12:00 Uhr: Einsatzgebiete

12:15 Uhr bis 12:45 Uhr: Pause

12:45 Uhr bis 14:00 Uhr: Rechtliche Fragen

14:00 Uhr bis 14:30 Uhr: Pause

14:30 Uhr bis 15:30 Uhr: Cannabismedikamente in der Apotheke

  • 14:30 – 14:45: Dr. Thorsten Tuschy, Apotheke Lux99, Hürth – Überblick über die verschiedenen cannabisbasierten Medikamente in der Apotheke
  • 14:45 – 15:00: Dr. Dennis Stracke, Medios-Apotheke an der Charité – Zubereitung von cannabisbasierten Rezepturarzneimitteln
  • 15:00 – 15:15: Florian Heimann, Apotheke Lux99, Hürth – Medizinalcannabis – Mehr als THC und CBD – Der Entourage-Effekt
  • 15:15 – 15:30: Fragen und Diskussion

15:30 Uhr bis 16:00 Uhr: Pause

16:00 Uhr bis 18:15 Uhr: Praktische Anwendung

17:00 Uhr bis 17:15 Uhr: Pause

17:15 – 18:15: Mein erster Patient: Wie man eine Therapie mit Cannabis-Medikamenten beginnt

Mit: mehrere Referent: innen

18:15 Uhr: Ende der Veranstaltung

Neues von der SPD

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. berichtete in seinem Newsletter vom 14. Februar 2022 über ein Gespräch zwischen dem alten und neuen drogenpolitischen Sprecher der SPD, Dirk Heidenblut, und seiner Kollegin Carmen Wegge. Der Geschäftsführer des Deutschlandverbandes, Georg Wurth, führte zudem mit Herrn Heidenblut ein Gespräch, das auf YouTube verfügbar ist.

Die Berichterstatterin der SPD für das Thema Cannabisregulierung im Innen- & im Rechtsausschuss, Carmen Wegge (MdB), setzt sich in einem Interview auf Instagram dafür ein, dass die deutsche Bundesregierung bis Juni 2022 den völkerrechtlichen Vertrag kündigt, so dass die Bundesrepublik Deutschland ab dem 01.01.2023 nicht mehr verpflichtet, Cannabis zu verbieten (25:12). Somit sollen völkerrechtliche Hindernisse beseitigt werden. Anlässlich des EU-Rechts werden sich die zuständigen SPD-Berichterstatter für Finanzen, Landwirtschaft, Innen, Recht, Gesundheit, Familie und Internet zusammensetzen und die erforderlichen Punkte zu besprechen (29:50). Der drogenpolitische Sprecher der SPD, Dirk Heidenblut, begrüßte den Vorschlag.

Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband (DHV) hat in einem Live-Interview mit dem drogenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Heidenblut, über die kommende Cannabis Legalisierung gesprochen. In dem Interview wurde darüber gesprochen, dass das Gesundheitsministerium die Zuständigkeit habe, bei einer reinen Entkriminalisierung aber auch das Justizministerium die Verantwortung trage (3:34). Die Entkriminalisierung innerhalb 100 Tage sei theoretisch möglich (11:54), wenn der Eigenanbau mit geregelt werden soll, wäre dies aber wesentlich komplizierter und langwieriger. Einzig der Aufbau eines Geschäftssystems sowie die Legalisierung und Entkriminalisierung sei im Koalitionsvertrag bereits eindeutig geklärt (16:31). Zum Cannabiskontrollgesetz (18:04) gibt es innerhalb der Fraktion jedoch keine Einigkeit. Innerhalb der SPD wurde sich zuvor lediglich auf das Ordnungsrecht und die Modellprojekte geeinigt (19:14). Eine Amnestie für Altfälle wurde bisher nicht diskutiert, soll aber in der Fraktion angesprochen werden. Dafür soll die Opposition oder gar die Regierung ein Gutachten eines Strafrechtler in Auftrag geben bzw. beschließen (29:28).

Befragung zum Therapieverlauf mit Cannabisarzneimitteln

In einer Befragung durch Copeia können Patienten:innen ihre Erfahrungen und Eindrücke, die Sie im Rahmen einer medizinischen Cannabistherapie machen, angeben:
– Welche Symptome werden neben der eigentlichen Indikation behandelt?
– Welche Veränderungen der Symptome traten im Rahmen der Behandlung auf (positive und negative Therapieerfahrungen)?
– In welcher Form, Sorte und Dosierung werden Cannabisarzneimittel zu sich genommen?

Durch die Befragung werden die Informationen von Patienten:innen gesammelt, um indikationsspezifische Muster und Zusammenhänge aufzeigen zu können. Die Befragung erfolgt anonym über ein interaktives Chatbot-Protokoll.

Auftraggeber: Copeia GmbH
Projektleiter: Dr. Andre Ihlenfeld, Garvin Hirt
Mitarbeiter: Dr. Knud Gastmeier, Dr. Ruwen Böhm, Dr. Thorsten Tuschy, Assaf Landschaft
Beginn: 17.01.2022
Ende: 30.04.2022

Die erhobenen Daten werden anschließend wissenschaftlich validiert und veröffentlicht. Die Befragung wird von einem medizinisch-wissenschaftlichen Gremium begleitet:
– Dr. Knud Gastmeier (Schmerztherapeut und Palliativmediziner, Potsdam)
– Dr. Ruwen Böhm (Facharzt für klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein)
– Dr. Thorsten Tuschy (Apotheker, Hürth)
– Dr. André Ihlenfeld (Facharzt für Anästhesiologe, Berlin)

Seit März 2017 können die Kosten einer Therapie mit Medizinalcannabis durch die Krankenversicherungen getragen werden. In diesem Zusammenhang führt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln durch.

Bei der Erhebung übermitteln die behandelnden Ärzt:innen die Daten von Patienten:innen, die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, in anonymisierter digitaler Form. Die Begleiterhebung umfasst einen Zeitraum von fünf Jahren und endet am 31. März 2022. Die regelmäßig veröffentlichten Zwischenberichte zeigen, dass vorrangig Daten zu einer Behandlung mit Dronabinol gesammelt wurden, für den Therapieverlauf mit Cannabisblüten und Extrakten wurden entsprechend weniger Daten erhoben.

Mit der Befragung „Therapieverlauf mit Cannabisarzneimitteln“ sollen aus der Patientensicht ergänzende Daten über den Verlauf der Therapie und die Behandlung der Symptome erhoben werden, um indikationsspezifische Muster und Zusammenhänge analysieren zu können.

Um möglichst viele Patienten:innen zu erreichen, wird die Befragung durch ein Netzwerk von Verbänden und Unternehmen unterstützt. Dieses Netzwerk schließt Patientenorganisationen, Mediziner, Apotheken sowie Hersteller und Großhändler von Medizinalcannabis ein.

Websitelink zu der Befragung

Presseschau: Experte zu Cannabis als Medizin: Wirkung ist „überaus vielfältig“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

In einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erläutert der Geschäftsführer der ACM, Dr. Grotenhermen, einige Aspekte der Möglichkeiten der Cannabistherapie in Deutschland.

Experte zu Cannabis als Medizin: Wirkung ist „überaus vielfältig“

Cannabis kann als Medikament bei verschiedenen Krankheiten verschrieben werden.
Doch nicht jeder kann von einer Behandlung profitieren. Gesetzlich Versicherte müssen die Kosten oft selbst tragen.

Auch die geplante Legalisierung wird daran wohl nichts ändern.

Seit fünf Jahren gibt es in Deutschland medizinisches Cannabis auf Rezept. Das therapeutische Potenzial der Pflanze wird bei der Behandlung vieler Krankheiten aber noch nicht ausgeschöpft, sagt Franjo Grotenhermen, Vorstandsmitglied der internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente. Cannabis werde oft auf seine schmerzlindernden Eigenschaften reduziert. Bei psychiatrischen Erkrankungen könnten Cannabismedikamente zum Beispiel ebenfalls hilfreich sein, würden aber von den Krankenkassen in der Regel nicht erstattet. Auch durch die geplante Legalisierung werde sich daran nicht automatisch etwas ändern.

Blüten und Extrakte der Cannabispflanze können in Deutschland seit 2017 per Rezept verschrieben werden, zuvor war dafür noch eine Ausnahmegenehmigung erforderlich. Zudem sind Fertigarzneimittel zugelassen, die auf den Hauptwirkstoffen der Cannabispflanze basieren: dem berauschenden Tetrahydrocannabinol (THC) und dem beruhigenden Cannabidiol (CBD).

Die Fertigarzneien unterscheiden sich danach, ob sie nur einen der Wirkstoffe oder eine Kombination aus beiden enthalten. Zur Behandlung von Spastiken bei multipler Sklerose ist in Deutschland ein Spray aus Pflanzenextrakten erhältlich, das sowohl THC als auch CBD enthält. Ein weiteres Präparat, das einen synthetisch hergestellten Abkömmling von THC enthält, ist für die Behandlung von Übelkeit bei Krebspatienten während einer Chemotherapie zugelassen. Ein CBD-reicher Cannabisextrakt ist außerdem für die Behandlung einiger seltener Formen der Epilepsie zugelassen.

Krankenkassen zahlen oft nicht
Cannabisblüten und Extrakte, die beide Wirkstoffe enthalten, werden häufig zur Linderung chronischer Schmerzen verschrieben. Das therapeutische Potenzial der Cannabinoide sei aber überaus vielfältig und gehe über diese Indikationen hinaus, sagt Mediziner Grotenhermen: „Es gibt wohl kein anderes Molekül, das ein auch nur annähernd so breites Wirkungsspektrum hat wie THC“. Relativ gute Belege gebe es dafür, dass THC gegen Spastiken, neuropathische Schmerzen und Appetitlosigkeit hilft. CBD wirke antiepileptisch, angstlösend, antientzündlich und lindernd bei Krämpfen. Das könne einen therapeutischen Nutzen bei ganz verschiedenen Krankheiten bedeuten. Weitere Wirkungen werden zudem noch erforscht.

Grotenhermen glaubt, dass die therapeutischen Möglichkeiten, die Cannabis und Cannabismedikamente bieten, in Deutschland nicht ausreichend genutzt werden. Weil entweder die Ärzte noch nicht genug darüber wissen oder weil die Krankenkassen eine Erstattung verweigern. Seit einer Gesetzesänderung von 2017 müssen die gesetzlichen Krankenkassen eine Behandlung mit Cannabis eigentlich erstatten, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die Standardbehandlung nicht geholfen hat oder nicht angewendet werden kann, und Aussicht auf Besserung durch die Cannabistherapie besteht. „Trotzdem tun sie es oft nicht“, sagt Grotenhermen.

Grotenhermen selbst betreibt eine private Praxis, daher sei es für ihn einfacher, Cannabis zu verschreiben, die Kosten müssen jedoch meistens von den Behandelten selbst getragen werden. „Und Kassenärzte haben bei einigen Krankheiten große Probleme damit, eine Erstattung durchzukriegen“, sagt er. Ein großer Bereich, in dem das Potenzial von THC-reichem Cannabis als Medizin noch nicht richtig ausgeschöpft und Cannabis meist nicht bezahlt werde, sei die Behandlung psychischer Krankheiten wie der posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Auch beim Tourette-Syndrom, einer neuropsychiatrischen Erkrankung, die mit Tics einhergeht, gebe es Hinweise darauf, dass Cannabis hilft.

CBD und THC können bei Schizophrenie helfen
Für CBD habe sich bereits in Studien gezeigt, dass es bei der symptomatischen Behandlung einer Schizophrenie genauso wirksam war wie ein oft eingesetztes Medikament aus der Gruppe der Neuroleptika. Untersuchungen würden darauf hindeuten, dass bei einer begleitenden Therapie mit CBD die Dosis der Psychopharmaka reduziert werden könnte. THC hingegen steht zwar eigentlich im Verdacht, im jungen Alter das Risiko für eine Schizophrenie erhöhen zu können oder die Symptome einer Schizophrenie zu verschlimmern. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass THC zumindest einer kleinen Gruppe von Schizophrenie-Patienten und Patientinnen helfen könne.

In einem New Yorker Psychiatriezentrum war eine kleine Gruppe an Schizophrenie-Erkrankter unter stationären Bedingungen mit THC behandelt worden. Diese hatten alle nur schlecht auf die gängigen Medikamente angesprochen, aber berichtet, dass Cannabis ihre Symptome in der Vergangenheit gelindert habe. Bei vier Teilnehmenden der Studie verbesserten sich die Symptome durch die kontrollierte THC-Gabe, bei drei von ihnen so stark, dass sie aus der Klinik entlassen werden konnten.

Die Autoren und Autorinnen der Studie vermuteten, dass bei dieser Untergruppe der von Schizophrenie-Betroffenen eine Störung des Hirnstoffwechsels vorlag, die sich von der der anderen Erkrankten unterschied. Ein Hinweis darauf könne die Wirkungslosigkeit der üblichen Medikamente sein. „Auch wenn es sich wohl eher um Ausnahmefälle handelt, könnten solche Menschen von THC profitieren“, sagt Grotenhermen. Er selbst hat bei einigen seiner Patienten und Patientinnen mit Schizophrenie Erfolge mit einer THC-Behandlung erzielt.

Cannabis und seine Inhaltstoffe wirken bei jedem anders
Auch bei anderen Erkrankungen seien cannabisbasierte Medikamente zwar oft hilfreich, bei vielen Kranken aber völlig unwirksam oder unverträglich. Dass eine Therapie mit Cannabis und seinen Inhaltsstoffen so unterschiedliche oder auch paradoxe Wirkungen zeigen kann, hängt mit dessen Wirkmechanismus zusammen, sagt Grotenhermen: „Es gibt körpereigene Cannabinoide, diese sind wichtige Inhibitoren im Nervensystem, das heißt, sie wirken einer Überaktivität anderer Botenstoffe im Nervensystem entgegen. Die Cannabinoide aus der Cannabispflanze entfalten eine ähnliche Wirkung und hemmen alle anderen Neurotransmitter.“ Doch das Wechselspiel der Botenstoffe ist kompliziert. Ihre Aktivität im Gehirn ist nicht bei jedem Menschen gleich und kann bei einer Erkrankung verändert sein. Daher kann auch die Wirkung von Cannabis und Cannabismedikamenten bei verschiedenen Personen und Krankheitsbildern unterschiedlich ausfallen.

Bei neuropathischen Schmerzen etwa helfe Cannabis nur in einem von etwa drei oder vier Fällen. Einer seiner Patienten mit Cluster-Kopfschmerzen sei durch Cannabis praktisch beschwerdefrei, während andere mit der gleichen Erkrankung nicht profitieren, sagt Grotenhermen. Trotzdem lohne sich bei chronischen Krankheiten oft der Versuch einer Therapie, wenn es Hinweise gibt, dass Cannabis einigen Erkrankten helfen könne. Vor allem dann, wenn noch keine andere gut wirksame Therapie zur Verfügung steht. „Man beginnt dabei stets vorsichtig mit einer niedrigen Dosis, die man langsam steigert. So lässt sich ganz einfach herausfinden, wie man die beste Wirkung mit möglichst wenigen Nebenwirkungen erzielt“, sagt Grotenhermen.

Grotenhermen sagt, er wünsche sich, dass die Krankenkassen bei Cannabis und Cannabismedikamenten weniger Entscheidungsgewalt und Ärzte und Ärztinnen wie bei anderen Verschreibungen die Therapiehoheit hätten. Dann seien diese auch allen Kranken zugänglich, die sie nach ärztlichem Urteil benötigen und nicht nur „gut Betuchten, die sich die auf einem Privatrezept verschriebenen Arzneimittel leisten können“. Wenn Cannabis künftig legalisiert wird, sei es zwar auch rezeptfrei erhältlich. Falls eine Therapie weiterhin nicht erstattet wird, bedeute das aber, dass eine Cannabistherapie für viele unerschwinglich bleibe.

Presseschau: Arzt verschreibt Cannabis: Dreieinhalb Jahre Haft (Deutsches Ärzteblatt)

Ein Arzt aus München, Rolf M., hat gemäß eines Urteils des Landgerichts München I in der Vergangenheit mit den Voraussetzungen bei der Verschreibung von Medizinalcannabis wiederholt gegen § 13 Betäubungsgesetz verstoßen. Die Pflichten eines Arztes bei der Verschreibung von Cannabis hatte Oberstaatsanwalt Dr. Jörn Patzak in den ACM-Mitteilungen vom 2. Juni 2019
erläutert. Eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten muss begründet sein.

Arzt verschreibt Cannabis: Dreieinhalb Jahre Haft

Weil er mehr als 500 Mal ohne medizinischen Grund Cannabis verschrieben hat, muss ein Münchner Arzt dreieinhalb Jahre in Haft. Das Landgericht München I verurteilte ihn heute wegen 539 Fällen der unerlaubten gewerbsmäßigen Verschreibung von Betäubungsmitteln – und wegen des Besit­zes einer Pistole. Außerdem wurde ein Berufsverbot gegen den 68-Jährigen verhängt.

Seit einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom März 2017 können Ärzte ihren Patienten in be­gründeten Fällen Cannabis verschreiben – allerdings nur dann, wenn der Arzt bei der Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass die Anwendung aus ärztlicher Sicht geeignet und erforderlich ist.

Das Gericht stellte aber im Rahmen der Beweisaufnahme fest, dass der geständige Arzt seinen Patienten in den Jahren 2017 und 2018 ohne eigene Untersuchung und Diagnose Cannabis verschrieb, um daran zu verdienen. Die Praxis des Mannes sei für „eine Untersuchung und ordnungsgemäße Diagno­se­stellung“ gar nicht ausgestattet gewesen.

Nach Gerichtsangaben traf er sich mit seinen Patienten ohnehin nicht in der Praxis, sondern in verschie­denen Cafés und Restaurants in München – und verlangte zwischen 120 und 150 EURo für eine erste Ver­schreibung und 60 EURo für Folgeverschreibungen. 47.700 EURo „Taterträge“ zog das Gericht ein.

Gerichtsmitteilung
Der 68-Jährige habe „seine Pflichten als Arzt grob verletzt“, urteilte die Kammer. Strafmildernd berück­sichtigte das Gericht „den freiwilligen Verzicht auf die Approbation sowie sein von Schuldeinsicht und Reue getragenes Geständnis“ und die Tatsache, dass er auch die Pistole, die er verbotenerweise besaß, ohne Widerstand einziehen ließ.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidigung und der Staatsanwaltschaft können binnen einer Woche Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.

Eine weitere Meldung in den Medien aus den vergangenen Tagen

Schmerzen lindern, Selbsttötung regeln, Rausch gestatten (Legal Tribune Online)

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