ACM-Mitteilungen vom 10. Dezember 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 19. Dezember 2022 findet eine Anhörung zum Entwurf für eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie durch den G-BA (Gemeinsamen Bundesausschuss) zur weiteren Ausgestaltung der Kostenübernahme für cannabisbasierte Medikamente statt. Der ACM-Vorstand darf mit 2 Personen teilnehmen. Die Anhörung ist nicht öffentlich, es wird jedoch nach Angaben des G-BA ein Wortprotokoll geben, das später auch veröffentlicht wird.

Mehrere Verbände haben am 30. November 2021 zum Entwurf des G-BA eine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht. Einige Verbände, darunter auch die ACM haben ausführliche Stellungnahmen abgefasst. Die Arzneimittelrichtlinien werden nur Kassenpatienten betreffen. Patienten, die privat behandelt werden, sind davon nicht betroffen.

Die gerichtliche Auseinandersetzung der ACM mit Algea Care hat nun mit der Rücknahme ihrer Klage gegen mich sein vorläufiges Ende gefunden. Algea Care hat nun alle Beschwerden und Klagen vor Gericht gegen die ACM sowie mich persönlich verloren, weil die von der ACM erhobenen Vorwürfe von den Gerichten als Tatsachen gewertet wurden.

Und im Übrigen: Das Betäubungsmittelgesetz wurde geschaffen, um Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch Betäubungsmittel zu schützen. Es wurde nicht geschaffen, um kranke Menschen durch strafrechtliche Maßnahmen zu schädigen!

Franjo Grotenhermen

Pressemitteilung: Patient:innen zurück auf den Schwarzmarkt? – Gemeinsamer Bundesausschuss bedroht etablierte Versorgung von schwerstkranken Patient:innen mit Cannabis als Medizin

Die ACM hat zusammen mit anderen Verbänden am 30. November 2021 zum Richtlinienentwurf des G-BA eine Pressemitteilung veröffentlicht.

„Es besteht die Gefahr, dass schon bald wieder viele schwerstkranke Patient:innen in den Schwarzmarkt zurück gezwungen werden“, ist die einhellige Meinung der Fachverbände von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und Herstellern auf den neuen Richtlinienentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin. Heute wurden die Stellungnahmen verschiedener Verbände beim G-BA eingereicht.

Der am 01.11.2022 veröffentlichte Richtlinienentwurf des G-BA wird unter anderem vorgeschlagen, dass getrocknete Cannabisblüten nur noch nach besonderer Begründung verordnet und erstattet werden dürfen. Gleichzeitig wird angeregt, dass es zukünftig nur noch bestimmten Fachärzt:innen erlaubt sein soll, Rezepte für Cannabis-basierte Medikamente auszustellen. Hausärzt:innen wären bei der Versorgung von Patient:innen damit außen vor. Darüber hinaus werden zahlreiche und zusätzliche bürokratische Hürden empfohlen, die das Verordnen von Cannabis in den unterschiedlichen Applikationsformen weiter erschweren würden.

Im Jahr 2017 beschloss der Deutsche Bundestag das Cannabis-als-Medizin-Gesetz, welches den Weg für Therapien mit Cannabis in der Breite eröffnete und bis heute mehreren zehntausend Patient:innen mit schweren Krankheiten eine deutliche Steigerung ihrer Lebensqualität ermöglichte. Nach dem Willen von Teilen des G-BA soll die Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis-basierten Medikamenten aber nicht etwa erleichtert, sondern weiter erschwert werden. Patient:innen würden dadurch im schlimmsten Falle (zurück) in die Illegalität gedrängt oder müssten ihre Therapie abbrechen, wenn ihnen der Zugang zu Therapien erschwert wird und sie nicht in der Lage sind, die Kosten dafür selbst zu tragen.

Nach Einschätzung der unterzeichnenden Verbände widersprechen die vom G-BA gegebenen Empfehlungen den Zielen und dem Willen des Gesetzgebers, die er mit dem Cannabis-als-Medizin-Gesetz seit 2017 verfolgte.

Darüber hinaus sind die vorgeschlagenen Neuregelungen – mit Blick auf die geplante Legalisierung von Cannabis als Genussmittel – ein Schlag ins Gesicht der Patient:innen, die seit Jahren erfolgreich mit Cannabis-basierten Medikamenten behandelt werden. Während darüber debattiert wird, Cannabis zu legalisieren, da die Gefahren für die Gesundheit durch den Schwarzmarkt mit den dazugehörigen Risiken zu groß sind, werden Patient:innen im schlimmsten Fall genau in diesen bzw. zum Eigenanbau gezwungen.

Weiterhin sind Teile des G-BA Richtlinienentwurfs ein direkter Angriff auf die Therapiefreiheit der Ärzt:innen. Während der aktuelle Rechtsrahmen bereits jetzt große Hürden für die Verschreibung von Cannabis als Medizin setzt, würden in Zukunft noch weniger Ärzt:innen in der Lage sein, über die richtige Behandlungsmethode für ihre Patient:innen zu entscheiden.

Nicht zuletzt beruhen die derzeitigen Entwürfe der neuen G-BA Richtlinie auf den Erkenntnissen der Begleiterhebung, welche einerseits nicht als wissenschaftliche Studie verstanden werden darf und andererseits nur einen Bruchteil der Patient:innen abbildet und damit nicht repräsentativ ist. Trotz dieser methodischen Einschränkung schlussfolgern die Verfasser der Begleiterhebung u.a., dass in nahezu 75% der Fälle durch die Anwendung von Cannabisarzneimitteln eine Besserung der Symptomatik erreicht wurde. Berichtete Nebenwirkungen waren häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend. Somit überrascht es sehr, dass die nun vorliegenden Entwürfe der neuen G-BA Richtlinie den Zugang für eine Cannabis-basierte Medikation insbesondere für Kassenpatient:innen deutlich einschränken würde.

Deutschland ist in den vergangenen fünf Jahren für seine Vorreiterrolle beim Umgang mit Cannabis als Medizin als Vorbild bewundert worden. Tausende schwerkranke Patient:innen konnten ihre Lebensqualität deutlich verbessern. Weltweit wurden Regierungen anderer Länder durch die deutschen Erfahrungen ermutigt, selbst entsprechende Schritte zu unternehmen. Doch heute stehen wir vor einer Rolle rückwärts bei Medizinalcannabis, während wir gleichzeitig im Genussmittelbereich drei Rollen vorwärts machen wollen. Und dies, obwohl viele bis heute un- und unterversorgte Patient:innen auf Verbesserungen im Cannabis-als-Medizin-Gesetz wie eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts hofften.

Patient:innen brauchen ärztliche Begleitung und eine Möglichkeit der Erstattung durch die Krankenkassen. Wenn wir jetzt die Rolle rückwärts vollziehen, lassen wir die Schwächsten unserer Gesellschaft – die schwerkranken Patient:innen – im Regen stehen.

Die Verbände haben ihre Stellungnahmen gegen die vorgesehenen Verschlechterungen bei der Versorgung mit Cannabismedikamenten fristgerecht beim G-BA eingereicht und setzen sich weiter dafür ein, dass auch im Bereich Cannabis als Medizin Schritte nach vorn gemacht werden.

Den Richtlinienentwurf des G-BA zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin finden Sie hier:

Die Pressemitteilung wurde verfasst und unterstützt von:

  • Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM)
  • Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan)
  • Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW)
  • Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC)
  • Deutsche Medizinal-Cannabis Gesellschaft e.V. (DMCG)
  • Interdisziplinärer Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten und Palliativmediziner e.V. (IABSP)
  • Patientenverband Selbsthilfenetzwerk Cannabis-Medizin (SCM)
  • Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA)

Stellungnahme der ACM zum Richtlinienentwurf des G-BA zu Cannabis als Medizin

Die ACM hat dem G-BA eine ausführliche Stellungnahme übermittelt.

„Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) dankt dem G-BA für die Möglichkeit einer Stellungnahme.

Die ACM wurde im Jahr 1997 gegründet und ist die nationale Gliederung der IACM (Internationale Allianz für Cannabinoidmedikamente e.V.). Die IACM ist die führende internationale wissenschaftliche Gesellschaft, die sich vorrangig mit dem therapeutischen Potenzial von Cannabis und Cannabisinhaltsstoffen sowie anderen Modulatoren des Endocannabinoidsystems, aber auch mit der Grundlagenforschung, anderen pharmakologischen Aspekten sowie der Toxikologie befasst.

Die ACM schätzt aufgrund von Daten und Entwicklungen in anderen Ländern, namentlich Israel, Kanada und den USA, dass mindestens 2 % der Bevölkerung in westlichen Industrienationen, entsprechend 1,6 Millionen Bundesbürger, eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten benötigen (https://www.arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de/2022/05/28/acm-mitteilungen-vom-28-mai-2022/#3).

Vor diesem Hintergrund setzt sich die ACM für Erleichterungen des Zugangs zu solchen Medikamenten ein, damit der Bedarf gedeckt und unnötiges Leid von Kranken vermieden werden kann. Gegenwärtig besteht gemessen an diesen Zahlen in Deutschland eine erhebliche Unterversorgung mit Arzneimitteln auf Cannabisbasis, sodass weitere Verbesserungen notwendig sind. Die Unterversorgung führt die ACM vor allem auf die strengen gesetzlichen Vorgaben, die 2017 von Bundestag und Bundesrat geschaffen wurden, zurück.

Versuche, den Zugang zu erschweren und damit die Versorgung zu verschlechtern, etwa durch einen vermehrten bürokratischen Aufwand für die behandelnden Ärzt:innen, eine Beschränkung der Therapiefreiheit hinsichtlich der Wahl des Medikamentes und den Ausschluss großer Gruppen von Humanmedizinern, konkret von Hausärzt:innen, aus der Versorgung von Patient:innen, die eine solche Therapie benötigen, wie sie von Teilen des G-BA vorgeschlagen werden, lehnt die ACM daher ab.

Am 6. Juli 2022 hat das BfArM seinen Abschlussbericht zur Begleiterhebung veröffentlicht. Auf dieser Grundlage soll der Gemeinsame Bundesausschuss den weiteren Umgang mit cannabisbasierten Medikamenten regeln.

Im Gesetz (§ 31 Abs. 6 SGB V) heißt es dazu: „Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht.“

Danach ist der G-BA gehalten, den Studienbericht bis zum 6. Januar 2023 vorzulegen.
Am 25. Oktober 2022 hat der G-BA ein Stellungnahmeverfahren für Fach- und Branchenverbände zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie für Cannabis-Medikamente eingeleitet. Der G-BA hat dazu mehrere Beschlussoptionen vorgelegt, nummeriert mit A, B und C.
In seiner Stellungnahme vom 16. September 2016 zum Cannabis als Medizin-Gesetz hat der G-BA die geplante und schließlich auch durchgeführte Begleiterhebung zwischen 2017 und 2022 als unzureichend kritisiert und erklärt, dass weitergehende Maßnahmen notwendig seien, um eine aussagekräftige Grundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. Dennoch muss der G-BA entsprechend des gesetzlichen Auftrags auf einer Grundlage entscheiden, die er selbst vor 6 Jahren als unzureichend kritisiert hatte.

So heißt es in der Stellungnahme des G-BA von 2016: „Aus Sicht des G-BA ist zudem eine geeignete und aussagefähige Evidenzgrundlage notwendige Voraussetzung zur Regelung der Einzelheiten der Leistungsgewährung nach Abschluss der vorgesehenen Begleiterhebung. Insofern ergibt sich im Zusammenhang mit der zunächst allein in der ärztlichen Verantwortung liegenden Therapie mit Medizinalhanf und Cannabisextrakten die Notwendigkeit der methodisch adäquaten und aussagekräftigen Begleitforschung in Form einer klinischen Studie mit patientenrelevanten Endpunkten. Die alleinige Erhebung von Routinedaten aus der ärztlichen Praxis ist nach Einschätzung des G-BA nicht als aussagefähige Evidenzgrundlage geeignet.“

Nach Vorlage des Abschlussberichts der Begleiterhebung ist zudem deutlich geworden, dass diese selbst für Patient:innen, die einen Kostenübernahmeantrag bei der gesetzlichen Krankenkasse gestellt und erhalten haben, nicht repräsentativ ist.

In dem Abschlussbericht der Begleiterhebung gingen etwa 17.000 Patientinnen und Patienten ein, von insgesamt etwa 100.000 Patient:innen, die eine cannabisbasierte Therapie in Deutschland erhalten. Die mangelnde Repräsentativität wurde selbst von den Autor:innen des Abschlussberichts der Begleiterhebung eingeräumt. Entsprechend wurde von der ACM und anderen Verbänden kritisiert, dass es auf der Grundlage der Begleiterhebung nicht möglich ist, valide Aussagen zu machen über geeignete Indikationen für Cannabismedikamente, über die in der Praxis verwendeten Dosierungen, über einen Vergleich der Kosten zwischen Cannabisextrakten und Cannabisblüten sowie über Vor- und Nachteile der verschiedenen Medikamente.

Im Deutschen Ärzteblatt heißt es zur Repräsentativität des Abschlussberichts der Begleiterhebung:
„Nicht zuletzt deshalb ist die Anzahl der gemeldeten Fälle eher gering, wie das BfArM selbst einräumt. Insgesamt rund 21 000 Datensätze wurden von März 2017 bis März 2022 in anonymisierter Form übermittelt. Davon konnten 16 809 vollständige Datensätze für die Analyse berücksichtigt werden. (…)
Das sind bei Weitem nicht alle Fälle, in denen Cannabis verschrieben wurde. Das BfArM geht unter Bezug auf Medienberichte davon aus, dass allein bis Ende 2020 und nur bei den AOKen, der Barmer und der Techniker Krankenkasse rund 70 000 Anträge auf Genehmigung einer Therapie mit medizinischem Cannabis gestellt wurden. Von diesen sollen etwa zwei Drittel, also mehr als 46 000, genehmigt worden sein. Hinzu kommt, dass laut verschiedener anderer Erhebungen – beispielsweise der Firma Copeia, die Ärzte bei der Verordnung von Cannabis unterstützt – verschiedene Indikationen unterschiedlich oft von den Kassen abgelehnt werden. Die Daten von Patienten, deren Kostenübernahmeantrag von der Krankenkasse abgelehnt wurde, flossen genauso wenig in die Erhebung ein wie die von Privatversicherten oder Selbstzahlern. Dabei machen die Selbstzahler anderen Erhebungen zufolge die Mehrheit der Patienten aus. 55 Prozent der Cannabispatienten waren es bei Copeia.
Quelle: Kurz C, Lau T. Begleiterhebung zu medizinischem Cannabis: Bedingt aussagekräftig. Dtsch Arztebl 2022; 119(29-30): A-1290 / B-1082. (Anlage 1)

Die ACM stellte zu den Ergebnissen der Begleiterhebung fest:
„1. Insgesamt wurde nur ein Bruchteil der Cannabispatient:innen in Deutschland durch die Begleiterhebung erfasst.

  1. Mit der Begleiterhebung wurde nur ein Teil der Patient:innen erfasst, die gemäß Auskunft der gesetzlichen Krankenkassen eine Kostenübernahme erhalten haben.
  2. Es wurde nur ein Teil der Indikationen erfasst, bei denen cannabisbasierte Medikamente verschrieben wurden.
  3. Die Kostenübernahme war offenbar abhängig von der Art des verordneten Medikamentes.
  4. Der Abschlussbericht liefert keine Erklärung für unterschiedliche Dosen bei der Verschreibung von Extrakten einerseits und Blüten andererseits.
  5. Cannabispatienten sind durchschnittlich älter als Freizeitkonsumenten.
  6. Viele Patienten erlebten durch Cannabis-Medikamente eine Verbesserung der Lebensqualität.
  7. Bei der Verschreibung von Blüten waren im Vergleich zur Verschreibung von Cannabisextrakten der Therapieerfolg höher und die Nebenwirkungen geringer.
  8. Nebenwirkungen sind häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend.
  9. Die Abbruchrate aufgrund von mangelnder Wirksamkeit war gering.
  10. Spekulationen über Missbrauch und Abhängigkeit bei der medizinischen Verwendung von Cannabis durch Männer und Patienten mit geringem Alter entbehren einer Basis.
  11. Die Daten des Abschlussberichts liefern keine gute Grundlage für Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die zukünftige Kostenübernahme von cannabisbasierten Medikamenten.“
    Quelle: Analyse des Abschlussberichts der Begleiterhebung zur Verschreibung und Anwendung von Cannabisarzneimitteln und Stellungnahme des ACM-Vorstandes (Anlage 2)

Experten und Politiker drängen auf Verbesserungen bei Cannabis als Medizin
Im Jahr 2021 haben Expert:innen und Politiker:innen in einem Positionspapier Forderungen zur Verbesserung der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit cannabisbasierten Medikamenten gestellt. Zu den Unterzeichnern zählten Burkhard Blienert (SPD, Drogenbeauftragter der Bundesregierung), die ehemaligen Drogenpolitiksprecher von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, sowie namhafte Expert:innen.
Problembereiche umfassen unter anderen hohe Kosten für Medizinalcannabisblüten, Regressdrohungen gegen Ärztinnen und Ärzte, sodass viele vor einer Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen zurückschrecken, hohe Ablehnungsquoten bei einem Antrag auf eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie kaum öffentlich geförderte Forschung, obwohl die limitierte klinische Forschungslage bei vielen Indikationen allgemein bemängelt wird.

Konkrete Forderungen
(…)“

Die gesamte Stellungnahme der ACM findet sich hier.

Schwere Vorwürfe gegen Cannabisärzte-Startup Algea Care

Am 29. Oktober 2021 hat die ACM die nachfolgende Pressemitteilung veröffentlicht. Durch eine einstweilen Verfügung konnte Algea Care zunächst die Löschung der Pressemitteilung erwirken. Jetzt hat Algea Care eingestanden, dass es gegen die Gebührenordnung für Ärzte und damit gegen ein strafbewehrtes Gesetz verstößt. Einige Patienten haben bereits zu Unrecht erhobene Behandlungsgebühren von Algea Care erstattet bekommen. Einige Patienten haben zudem eine Strafanzeige gegen Algea Care gestellt.

„Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Algea Care GmbH, die in mehreren Städten Standorte eröffnet hat, um Patient:innen eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten zu ermöglichen – für teures Geld. Die Vorwürfe gegen das Unternehmen reichen von überzogen hohen Rechnungen bis zu Verstößen gegen die Gebührenordnung für Ärzt:innen. Die ACM hat daher einige Landesärztekammern aufgefordert, zu überprüfen, ob Verstöße gegen die Berufsordnung vorliegen. Die ACM ist ein gemeinnütziger Interessenverband von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und anderen Interessierten am Thema Cannabis als Medizin.

„Ich habe in meiner Praxis eine Anzahl von Patient:innen von Algea Care übernommen, weil sie sich die Behandlung dort nicht mehr leisten können, so die betroffenen Patienten“, erklärt Cannabis-Experte Dr. med. Franjo Grotenhermen aus Steinheim, Geschäftsführer der ACM. „So berechnet Algea Care nach den von Patient:innen vorgelegten Unterlagen für eine 15-minütige Videosprechstunde etwa 120 EURo.“ Es würden auch Leistungen abgerechnet, die gar nicht erbracht wurden.

„Anhand von Schilderungen von Patient:innen, die bei Algea Care GmbH in Behandlung waren, und die ich haarsträubend finde, zweifele ich an, dass die mediale Selbstdarstellung als Experten für Cannabis als Medizin zutrifft, ergänzt Gero Kohlhaas, Soziologe und Mitglied des Sprecherrats des Selbsthilfenetzwerk Cannabis Medizin (SCM). Das SCM ist eine Arbeitsgruppe der ACM und die größte Organisation von Cannabis-Patient:innen in Deutschland.

„Viele Patient:innen haben bei der gegenwärtigen Rechtslage Probleme, einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, der/die cannabisbasierte Medikation verschreibt,“ bemängelt die Vorsitzende der ACM, Professorin Dr. med. Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover. „Es ist wichtig, dass bürokratische Hürden und finanzielle Risiken abgebaut werden, damit mehr niedergelassene Kassenärzt:innen bereit sind, eine solche Therapie anzubieten.“

Die ACM betrachtet die jüngst von Algea Care berichteten Erfolge als Alarmsignal, da sie verdeutlichen, dass bei der Verordnung cannabisbasierter Medikamente bei einigen Ärzt:innen kommerzielle Interessen, die als erfolgreiches Geschäftsmodell deklariert werden, im Vordergrund stehen und nicht die Behandlung chronisch kranker Patient:innnen.

Bereits im Mai 2021 hatten Vertreter:innen der ACM zusammen mit zahlreichen weiteren Expert:innen aus Medizin und Suchtforschung sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestags von FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Linken in einem Positionspapier Verbesserungen bei der Behandlung mit Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland gefordert. Nur so kann es gelingen, Fehlentwicklungen zu korrigieren, bei denen die Not der Patient:innen, die keinen behandelnden Kassenarzt finden, ausgenutzt wird.“

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:
Franjo Grotenhermen, Bahnhofsallee 9,32839 Steinheim

Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Dr. med. Franjo Grotenhermen, ACM e.V., Bahnhofsallee 9, 32839 Steinheim
Gero Kohlhaas, SCM, Bahnhofsallee 9,32839 Steinheim
E-Mail: info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de

Algea Care gegen ACM – eine Chronologie der Ereignisse

Die Auseinandersetzung zwischen der ACM und Algea Care begann am 29. Oktober 2021 mit einer Pressemitteilung der ACM zum rechtswidrigen Gebaren von Algea Care.

29. Oktober 2021
Die ACM veröffentlicht eine Pressemitteilung zu den kriminellen Machenschaften von Algea Care im Presseportal. Die Pressemitteilung wurde von einigen Medien aufgegriffen und verbreitet. Allerdings hat Algea Care dafür gesorgt, dass die meisten der im Internet verfügbaren Pressemeldungen gelöscht wurden, allerdings nicht alle.

30. Oktober 2021
Die Pressemitteilung erscheint in den ACM-Mitteilungen vom 30. Oktober 202.

2. November 2021
Algea Care fordert über ihren Anwalt mit einer Frist bis zum 5. November 2021 eine Unterlassungserklärung vom Geschäftsführer der ACM, Dr. Franjo Grotenhermen, da die in der Pressemitteilung genannten Aussagen nicht korrekt seien. Sie verlangt eine Unterlassungserklärung. Anderenfalls werde Algea Care gerichtlich gegen Dr. Grotenhermen, vorgehen: „Sollte bis zum obigen Fristende die Unterlassungserklärung von Ihnen nicht abgegeben worden sein, so werden wir unserer Mandantin raten, diesbezüglich ohne weitere Korrespondenz gerichtliche Schritte einzuleiten.“
In dem Schreiben des Anwalts heißt es, dass die folgenden 2 Aussagen nicht korrekt seien:

  1. unsere Mandantin verstoße gegen die Gebührenordnung für Ärztinnen und/oder sei dafür verantwortlich;
  2. Unsere Mandantin rechne ich Leistungen ab, die gar nicht erbracht wurden.
    Diese Aussagen sind unzulässig.

9. November 2021
Der Anwalt von Algea Care beantragt mittels einstweiliger Verfügung die Weiterverbreitung der Pressemitteilung bzw. deren Inhalte. Er fordert von Dr. Grotenhermen eine entsprechende Unterlassungserklärung.

11. November 2021
Rechtsanwalt Johannes Eisenberg verlangt im Auftrag von Dr. Grotenhermen und der ACM beim Landgericht Frankfurt, den Antrag auf einstweilige Verfügung von Algea Care zurückzuweisen. Er empfiehlt Dr. Grotenhermen, keine Unterlassungserklärung abzugeben.

17. November 2021
Das Landgericht Frankfurt entspricht dem Antrag von Algea Care. Dr. Grotenhermen darf die in der Pressemitteilung geäußerten Inhalte über Algea Care nicht mehr weiterverbreiten. Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten. Am 7. Dezember 2022 – also etwa ein Jahr später – soll vor dem Landgericht Frankfurt die Klage von Algea Care gegen Dr. Grotenhermen verhandelt werden.

30. Dezember 2021
Nachdem Algea Care im Dezember 2021 vor dem Landgericht Frankfurt beantragt hat, dass auch gegen die ACM eine einstweilige Verfügung erlassen werden soll, urteilt das Landgericht gegen Algea Care. Die ACM berichtet darüber am 22 Januar 2021 unter dem Titel Schwere Schlappe für Cannabis-Ärzte-Startup Algea Care bei seiner Klage gegen die ACM vor dem Landgericht Frankfurt. Zu den Vorwürfen der ACM schreibt das Gericht:Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Dies gilt auch hier.

7. April 2022
Algea Care scheitert mit einer Beschwerde gegen das Urteil des Landgerichts auch vor dem Oberlandesgericht. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestätigt die Auffassung des Landgerichts: Die Behauptungen der Antragsgegnerin [ACM]. die Antragstellerin [Algea Care]
verstoße gegen die Gebührenordnung für Ärzte bzw. sei dafür verantwortlich, und auch ihre Behauptung, die Antragstellerin rechne Leistungen ab, die gar nicht erbracht worden seien. sind wahr. Die ACM berichtete darüber unter den Titel Oberlandesgericht Frankfurt: Vorwürfe der ACM gegen Algea „sind wahr“

22. Mai 2022
Nachdem sich Patienten bei einigen Ärztekammern über die Machenschaften von Algea Care beschwert hatten, bestätigt die Ärztekammer Hamburg als erstes die Vorwürfe der ACM gegen Algea Care. Daraufhin erhalten einige Patienten Geld von den überhöhten Rechnungen von Algea Care zurück. Die ACM berichtete unter dem Titel:Ärztekammer Hamburg bestätigt Vorwürfe der ACM gegen Algea Care. Die Rechtsabteilung der Ärztekammer Hamburg findet Verstöße gegen die Berufsordnung für Ärzte, die noch über die Vorwürfe der ACM hinausgehen.

Business Insider berichtet unter dem Titel Presseschau: Algea Care macht Millionen mit Cannabis-Rezepten – und zweifelhaften Methoden (Business Insider)

Juni 2022
Die ersten Patient:innen erhalten aufgrund der überhöhten Rechnungen Geld von Algea Care zurück.

5. Dezember 2022
Algea Care zieht die Klage gegen Dr. Grotenhermen zurück. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht, das für den 7. Dezember 2022 angesetzt war, findet nicht statt. Rechtsanwalt Eisenberg beantragt bei Gericht, dass Algea Care die Kosten aus allen gerichtlichen Verfahren inklusive Rechtsanwaltskosten von ACM und Dr. Grotenhermen übernehmen muss.

Presseschau: Kleine Anfrage: BfArM registriert 120 Anträge auf Cannabis-Einfuhr (Ärzte Zeitung)

Die Ärzte Zeitung berichtete über die Entwicklung der Zahl der Importeure von Cannabisblüten und Cannabisextrakten sowie den in Deutschland von Apotheken bereitgestellten Mengen an Cannabisblüten.

Kleine Anfrage BfArM registriert 120 Anträge auf Cannabis-Einfuhr

In 2022 nahmen Apotheken bereits neun Tonnen Medizinalhanf und 8,4 Tonnen Cannabisblüten in Empfang. Die Beratungen über eine kontrollierte Abgabe zu Genusszwecken sind indes noch nicht
Berlin. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom März 2017 sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 119 Anträge für die Einfuhr von Cannabis zu medizinischen Zwecken gestellt worden. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/4460) der Linksfraktion hervor. Davon wurden 115 Anträge positiv beschieden.

2021 wurden den Angaben zufolge rund 9 Tonnen und im ersten Halbjahr 2022 rund 5,4 Tonnen medizinisches Cannabis in Form von Blüten an Apotheken geliefert. Von Januar bis September 2022 wurden rund 8,4 Tonnen Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken an Apotheken geliefert. Im selben Zeitraum hat die deutsche Cannabisagentur etwa eine Tonne aus dem Anbau aus Deutschland erworben.

Wie es in der Antwort weiter heißt, sind die Beratungen der Bundesregierung über eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken noch nicht abgeschlossen. Bei den Beratungen werde berücksichtigt, dass weiterhin eine qualitätsgesicherte und bedarfsgerechte Versorgung von Patienten mit Cannabis zu medizinischen Zwecken sicherzustellen ist.

Einige weitere Meldungen der vergangenen Tage

Medizinisches Cannabis erstmals in Schweizer Apotheken erhältlich (Presseportal)

Cannabis-Rezept nach Videochat: Ist das legal? (Deutsche Apotheker Zeitung)

Drogenbeauftragter: Für Cannabis-Freigabe muss noch geworben werden (Deutsches Ärzteblatt)

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