Freispruch für Patienten aus Nordrhein-Westfalen wegen rechtfertigenden Notstands; Krankenkasse übernimmt nun die Kosten für Dronabinol

Wie der Westfälischer Anzeiger am 22. August 2008 berichtete, wurde Mitte August ein Mann, der an einer schweren Erbkrankheit leidet, vom Amtsgericht Hamm vom Vorwurf des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln freigesprochen. Es ging um mehrere Kilogramm Cannabis, den der Angeklagte therapeutisch einsetzte, nachdem die Krankenkasse die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit Dronabinol verweigert hatte. Später erklärte sich seine Krankenkasse, die TKK (Techniker Krankenkasse), nach einem Artikel im Westfälischen Anzeiger vom 1. September 2008 doch zur Übernahme der Therapiekosten bereit.

„Höchst bemerkenswerte Worte fielen vor einer Woche im Sitzungssaal des Hammer Amtsgerichts. ‚Niemand, der bislang auf dieser Anklagenbank Platz genommen hatte, wurde nach der Sitzung von mir so geachtet wie Sie.‘ Worte, die der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts aussprach, als ihm Markus Trampe gegenüber stand. Und fast schon sensationell war das Urteil, das damit einherging. Der 38-jährige Trampe wurde freigesprochen, obwohl er in seinem Garten an der Viktoriastraße Cannabispflanzen angebaut hatte und damit eindeutig als Drogenbesitzer im strafrechtlich relevanten Bereich überführt war. Doch die richterliche Einsicht, nichts Verwerfliches getan zu haben, nützt ihm gar nichts, solange seine Krankenkasse weiter mauert… Markus Trampe ist krank. Er leidet an der sehr seltenen Krankheit namens ‚Hereditäre Motorisch-Sensible Neuropathie‘ (HMSN), Typ II. ‚Ich werde als denkendes Stück Fleisch enden‘, beschreibt er sein trauriges Schicksal, das durch den allmählichen und immer weiter fortschreitenden Abbau seines Nervensystems vorbestimmt ist. Langsam, an Händen und Füßen beginnend, frisst sich die Krankheit zu seiner Wirbelsäule vor. In ärztlichen Gutachten ist ihm vor Jahren schon bescheinigt worden, dass er über ‚Primatenhände‘ verfüge – er kann zwar noch zugreifen, aber weiß nicht, mit welcher Kraft dies geschieht. (…) Dronabinol heißt ein in den USA zugelassenes Medikament, das den Wirkstoff THC enthält. Ein paarmal hat seine Hausärztin ihm das Mittel Ende 2007 verschrieben, und Trampe war geholfen. ‚Es wirkt entspannend, und ich konnte des nachts wieder schlafen‘, sagt der zwangsverrentete ehemalige Laborleiter. THC ist der Wirkstoff, der auch in Haschisch und Marihuana enthalten ist, bei Dronabinol handelt es sich folglich um ein synthetisches Cannabis-Derivat. Aber Dronabinol ist teuer. 415 Euro kostet ein Fläschchen, mit dem Trampe etwa einen Monat auskommen würde. Offenbar zu viel Geld für die Techniker Krankenkasse. Opiate, wie das Mittel Tramal, sind für etwas mehr als 100 Euro zu bekommen. Und wirken genauso gut, beruft sich die TK auf ein Gutachten des Medizinisches Dienstes und lehnt die Verabreichung von Dronabinol auf Kassenrezept ab. Dass die Wirkungsweise beider Mittel vergleichbar sei, klingt für Trampe wie Hohn. Opiate wirken rein betäubend, führen zu keinerlei Entspannung der Muskulatur. Er weiß es, denn er hat auch das Tramal ausprobiert. Damit nicht genug: Auf Privatrezept könnte er sich weiterhin Dronabinol besorgen. Nur, wie soll das gehen, angesichts von einer monatlichen Rente von 750 Euro?
Trampe, der über sich selbst sagt, dass er immer versucht habe, ‚mir selbst zu helfen‘, schreitet in der Wartephase auf Dronabinol schließlich selbst zur Tat. Im eigenen Garten züchtet er THC, indem er Hanf anbaut. Zwar hat er davon keine Ahnung, aber immerhin wächst das Zeug an der Viktoriastraße wie Unkraut. Sein Pech, dass Nachbarn seine gärtnerischen Versuche beobachten und ihn bei der Polizei anschwärzen. 3,3 Kilogramm bringen seine Pflanzen auf die Waage, als im Oktober 2007 die Polizei bei ihm auftaucht.“

„Na bitte, es geht doch. Knapp drei Wochen nach seinem sensationellen Freispruch vor dem Hammer Schöffengericht hat gestern auch die Techniker Krankenkasse (TKK) eingelenkt. Markus Trampe, der wie berichtet an der unheilbaren Krankheit ‚HMSN, Typ II‘ leidet, erhält nun auch von der TKK das für ihn bitter nötige Medikament Dronabinol. ‚Zunächst einmal für ein Jahr und unter der Bedingung, dass seine Ärztin einen regelmäßigen Bericht erstellt‘, freute sich auch sein Rechtsanwalt Dr. Michael von Glahn über die Entscheidung, die gestern schon einmal vorab per Telefon von der TKK verkündet wurde.“

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(Quellen: Westfälischer Anzeiger vom 22. August und 1. September 2008)

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