Beispiel 1: Chronische Schmerzen
Es handelt sich um einen 50-jährigen Mann, der nach einem Motorradunfall vor etwa 30 Jahren einen Bruch des 12. Brustwirbels mit einer kompletten Querschnittslähmung erlitt, die unter anderem mit starken chronischen Schmerzen in den Beinen einhergeht. Zudem bestehen eine Spastik in den Beinen sowie weitere belastende Unfallfolgen, bei denen der Betroffene festgestellt hat, dass Cannabis gut wirksam ist. In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von Schmerzmitteln zum Einsatz gekommen, darunter Novaminsulfon, Pregabalin, Duloxetin, Morphium und zuletzt L-Polamidon. Novaminsulfon und Pregabalin waren unwirksam. Morphium und Polamidon wurden nicht vertragen. Zudem führten auch diese Medikamente nicht zu einer befriedigenden Schmerzlinderung. Seine Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme für die Behandlung mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol ab.
Beispiel 2: Rheuma und Morbus Bechterew
Es handelt sich um einen 63-jährigen Mann mit Rheuma und Morbus Bechterew, die seit etwa 25 Jahren bestehen. Es wurden neben Kortison und nichtsteroidalen Antirheumatika wie Diclofenac und Ibuprofen auch Immunsuppressiva wie Methotrexat sowie Gold eingesetzt. Verstärkt seit 2005 hat er Nebenwirkungen entwickelt, darunter vor allem ausgeprägte Magenschmerzen mit Darmblutungen sowie ein Restless-Legs-Syndrom, das Syndrom der unruhigen Beine. Die Therapie mit Gold war nicht wirksam. Seit 2008 musste er aufgrund der Nebenwirkungen sämtliche Standardmedikamente absetzen und hat einen Versuch mit Cannabisprodukten gestartet. Dieser ist sehr erfolgreich verlaufen.
Die Entzündungen in den Gelenken und die Schmerzen haben sich deutlich gebessert. Er hat seit dieser Zeit nur noch selten Schübe entwickelt. Dadurch kann er nun mit seiner Krankheit leben. Es wurde zunächst Dronabinol rezeptiert, das ebenfalls gute therapeutische Wirkungen gezeigt hat. Die Kostenübernahme wurde jedoch von der Krankenkasse abgelehnt.
Beispiel 3: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Bei dem 40-jährigen Mann wurde im vergangenen Jahr eine ADHS des Erwachsenenalters festgestellt. Im Vordergrund stehen eine Hyperaktivität mit Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität, darüber hinaus jedoch auch Störungen der Aufmerksamkeit (ADHS vom kombinierten Typ). Neben Psychotherapie erhielt er Methylphenidat. Diese Medikation führte zu ausgeprägten Nebenwirkungen, darunter vor allem Schlaflosigkeit mit Wachphasen von bis zu 36 h, verstärkte Nervosität, Hyperaktivität, verstärkte Aggressivität, Fahrigkeit, Konzentrationsverlust und Appetitlosigkeit. Auch eine Medikation mit Atomoxetin (Strattera) und Dexamphetamin (Attentin) verursachte ausgeprägte Nebenwirkungen. Er hat im Selbstversuch festgestellt, dass Cannabisprodukte eine gute Linderung der ADHS-Symptomatik bewirken.
Beispiel 4: Kopfschmerzen und Epilepsie
Im Alter von 11 Jahren erlitt der heute 47-jährige Mann eine Gehirnblutung und lag 10 Tage im Koma. Es wurde ein Angiom, eine Fehlbildung eines Blutgefässes im Gehirn, diagnostiziert, das zum Teil entfernt wurde. Zudem wurde das Gefäß mit einem Clip verschlossen. In der Folge traten Kopfschmerzen auf, die nach einem Überfall vor 25 Jahren an Intensität zunahmen. Im Jahr 2005 trat ein generalisierter epileptischer Anfall auf. Aufgrund andauernder starker Kopfschmerzen und weiterer Beschwerden wurde er im Jahr 2008 berentet. Der letzte generalisierte epileptische Anfall trat im Jahr 2008 auf. Die aktuelle Medikation besteht aus Valproinsäure, Promethazin und Omeprazol. Bei Bedarf nimmt er die Schmerzmittel Novaminsufon und Tramadol ein. Diese verursachen Übelkeit, Kreislaufprobleme und Magendarmbeschwerden. Auch Valproinsäure ist mit Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Aggressionen, Reizbarkeit und Einschränkungen der Gedächtnisleistung assoziiert, allerdings kann er auf dieses Medikament nicht verzichten. Im Vordergrund stehen ständige Kopfschmerzen, die ohne Cannabis fast täglich auftreten. Durch die Verwendung von Cannabis wird die Anzahl der Anfälle deutlich reduziert bzw. in ihrer Intensität abgemildert. Gemäß eines Attestes zur Vorlage bei der Bundesopiumstelle seines langjährigen Hausarztes besteht ein schwerer Krankheitsbild durch ständige Cephalgien und rezidivierende generalisierte Krampfanfälle.
Beispiel 5: HIV-Infektion mit Gelenkschmerzen und Gewichtsabnahme
Der Betroffene ist 50 Jahre alt und leidet an Gewichtsabnahme und Gelenkschmerzen im Rahmen einer HIV-Infektion. Er hat seit 1999 eine Anzahl von Medikamenten vor allem gegen die Schmerzen (Novaminsufon, Ibuprofen, et cetera) erhalten, die er jedoch aufgrund von Nebenwirkungen, wie Schwindelanfällen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Durchfall absetzen musste. Zudem hat er probeweise schwach wirksame Opiate (Tilidin, Tramadol) von einem Freund und seiner Mutter versucht. Auch diese waren mit Nebenwirkungen wie vor allem Übelkeit und Juckreiz assoziiert, so dass er darauf verzichtet habe, seinen Hausarzt bzw. Arzt für Infektionskrankheiten darauf anzusprechen. Er hat dann festgestellt, dass Cannabisprodukte seine Symptomatik ohne relevante Nebenwirkungen lindern, und er wieder ohne Schmerzen und Depressionen leben kann. Er sei sogar wieder arbeitsfähig gewesen. Es wurde noch Katadolon (Flupirtin) verordnet, was jedoch keine relevante schmerzstillende Wirkung zeigte. Appetitsteigernde Medikamente habe sein Arzt ihm nicht anbieten können. Der Patient kann trotz der symptomatischen HIV-Infektion bei regelmäßiger Verwendung von Can-nabisprodukten einem Minijob nachgehen und seine schwerstbehinderte, demente Mutter betreuen.
Beispiel 6: Posttraumatische Belastungsstörung
Der heute 31 Jahre alte Patient ging im Alter von 17 Jahren zur US-amerikanischen Armee. Seine gesundheitlichen Probleme, die durch Depressionen, Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, Stimmen im Kopf, nach denen er es nicht schaffen wird, Schlafstörungen und Albträume charakterisiert sind, basieren auf Erlebnissen im Irak-Krieg. Er ist amerikanischer Staatsbürger und lebt seit einem Jahr in Deutschland. Er wurde im Jahr 2004 alkoholabhängig. Zwischen 2009 und 2012 hat er eine Anzahl von Antidepressiva und Benzodiazepinen, darunter Citalopram, Trazodon, Diazepam, Fluoxetin, Bupropion, Sertalin, et cetera. eingenommen. Darüber hinaus habe er an Gruppentherapien für Alkoholiker und depressive Patienten sowie an psychotherapeutischen Einzelsitzungen teilgenommen. Nach 3 Jahren habe er erkennen müssen, dass keine der therapeutischen Maßnahmen eine relevante Wirkung hat. Er griff wieder zum Alkohol und fiel in eine tiefe Depression. Es wurde zunächst mehrfach Dronabinol verschrieben, das er in einer Dosis von etwa 40-50 mg pro Tag einnahm. Er schrieb dazu, dass sein Leben seit der Einnahme der Medikamente einfacher sei, er dreimal am Tag essen könne, nicht täglich ein bis 2 l Wodka trinke, gut schlafen könne, am Tag arbeiten und sich abends auf sein Studium konzentrieren könne. Allerdings kann er Dronabinol auf die Dauer nicht finanzieren.