Interne Mailingliste für Ärzte

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin hat eine interne Mailingliste für Ärztinnen und Ärzte, die mit Cannabis und Cannabinoiden behandeln oder behandeln möchten, eingerichtet. Auf diese Weise können mit dem Thema erfahrene Ärzte Neulinge auf diesem Gebiet beraten und Fragen gestellt werden, die vielleicht auch andere interessieren.

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Wenn Sie Fragen haben und an einem Austausch mit Kollegen interessiert sind, sind Sie herzlich eingeladen, sich zu registrieren.

Bitte beachten Sie, dass die Registrierung nicht automatisch erfolgt, da wir vorher durch eine Rückfrage abklären, ob Sie wirklich Ärztin/Arzt sind.

Hier finden Sie beispielhaft einige Fragen und Antworten, die im Verteiler gestellt und beantwortet wurden:

Schädigt THC in der Milch von Cannabis konsumierenden Müttern dem Baby?

Chao und Kollegen: Milch gebende Affen, die chronisch 2 mg orales THC pro Kilogramm Körpergewicht entweder zwei- oder fünfmal pro Woche erhielten, wurde eine kleine Dosis radioaktiv markierten THCs vermischt mit dem THC gegeben. Während der 24-stündigen Beobachtungszeit erschienen etwa 0,2 % des markierten THCs in der Milch.

Modifiziert nach: Chao FC, Green DE, Forrest IS, Kaplan JN, Winship-Ball A, Braude M. The passage of 14C-delta-9-tetrahydrocannabinol into the milk of lactating squirrel monkeys. Res Commun Chem Pathol Pharmacol (1976 Oct) 15(2):303-317.

Susan Astley und Ruth Little: Die vorliegende Studie untersuchte die Beziehung zwischen der Exposition des Kindes mit Marihuana über die mütterliche Milch und der motorischen und geistigen Entwicklung des Kindes im Alter von einem Jahr. 136 gestillte Kinder wurden im Alter von einem Jahr hinsichtlich ihrer motorischen und geistigen Entwicklung beurteilt. 68 Kinder waren über die mütterliche Milch Marihuana ausgesetzt. Weitere 68 Kinder wurden den Marihuana-exponierten Kindern hinsichtlich mütterlichem Tabak- und Alkoholkonsum während und nach der Schwangerschaft angepasst. Marihuanaexposition über die mütterliche Milch während des ersten Monats nach der Geburt schien mit einer Abnahme der motorischen Entwicklung [Entwicklung der Bewegungen] des Kindes im Alter von einem Jahr assoziiert zu sein. Es gab keine Beziehung zwischen Marihuanaexposition während des dritten Monats nach der Geburt und der motorischen Entwicklung. Es gab keine Beziehung zwischen einer Marihuanaexposition während des ersten und dritten Monats und der geistigen Entwicklung des Kindes.

Dieses Ergebnis sollte mit Vorsicht interpretiert werden, wegen der vorläufigen Natur dieser Studie. Man kann aus den Ergebnissen, die hier präsentiert wurden, nicht schließen, dass eine Marihuanaexposition während der Stillzeit die motorische Entwicklung des Kindes im Alter von einem Jahre beeinträchtigt. Marihuanaexposition während der Stillzeit schien die motorische Entwicklung zu beeinflussen, aber das bedeutet nicht, dass die Beziehung eine von Ursache und Wirkung ist. Marihuanaexposition während der Schwangerschaft, passive Exposition mit Marihuanarauch in der Luft und die Qualität der Beziehung zwischen Mutter und Kind sind drei Faktoren, die potenziell die in dieser Studie beobachtete Beziehung durcheinander bringen könnten.

Modifiziert nach: Astley SJ, Little RE. Maternal marijuana use during lactation and infant development at one year. Neurotoxicol Teratol 1990;12(2):161-168.

Franjo Grotenhermen: Geringe Mengen an THC gelangen in die Milch Cannabis konsumierender Mütter. In einer Studie mit Affen, die chronisch THC erhielten, gelangte 0,2 % des THC in die Brustmilch. Danach würde ein täglicher Konsum von 50 mg THC (z.B. 1 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 5 %) zu täglich 0,1 mg THC in der Brustmilch führen.

Chronische Cannabisverwendung durch die Mutter führt zu einer Anhäufung von THC in der Brustmilch. Milch Cannabis konsumierender Mütter kann deutlich höhere THC-Konzentrationen aufweisen als ihr Blut. In einer Studie war die THC-Konzentration in der Milch 8,4-mal so hoch wie im Blutplasma. Unter der Annahme einer recht hohen durchschnittlichen Konzentration von 10 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter) im Plasma und einer zehnmal so hohen Konzentration in der Milch (100 ng/ml), würde sich eine Gesamtmenge von 0,07 mg THC in 700 ml Milch ergeben. 700 ml ist die mittlere tägliche Milchaufnahme eines Kleinkindes.

Bisher wurden zwei Studien durchgeführt, die die Wirkungen von Cannabiskonsum durch stillende Mütter auf die kindliche Entwicklung untersucht haben. Eine fand keine Wirkungen (Tennes et al. 1985), die andere geringe Wirkungen auf die motorische Entwicklung, wenn Cannabis öfter als an 15 Tagen im ersten Monat nach der Geburt verwendet wurde (siehe oben, Astley und Little 1990).

Die THC-Menge, die in der Muttermilch von Cannabiskonsumenten gefunden wird, ist gering, trotz der Anhäufung bei gewohnheitsmäßigem Konsum. Nur starker Cannabiskonsum wird zu Mengen führen, die möglicherweise für das Baby von Bedeutung sein könnten. Gelegentlicher oder geringer gewohnheitsmäßiger Konsum wird vermutlich ohne Bedeutung sein.

Gibt es Wechselwirkungen zwischen Cannabis bzw. THC und anderen Medikamenten?

Leo Hollister: Obwohl medizinisches Marihuana nicht offiziell zugelassen ist, wurde Marihuana empirisch zur Behandlung einer Anzahl von Erkrankungen verwendet, wie Übelkeit und Erbrechen bei Krebs-Chemotherapie, Gewichtsverlust bei Aids und Spastik bei neurologischen Erkrankungen. Immer sind auch andere Medikamente vorhanden. Bisher wurde von keinen nachteiligen Wechselwirkungen berichtet. Allerdings könnte das möglicherweise nicht die wahre Häufigkeit widerspiegeln. Wenn man nicht nach etwas sucht, findet man es wahrscheinlich auch nicht. (…)

Die veröffentlichte Literatur, zumindest in Hinsicht auf Studien mit Menschen, war bisher sehr ruhig. Im Allgemeinen zeigt diese Ruhe an, dass im Vergleich zu experimentellen Studien bei der realen Verwendung von Marihuana keine bedeutenden Wechselwirkungen beobachtet wurden. (…) Eine der vernünftigsten therapeutischen Verwendungen von Marihuana und THC ist die Linderung von Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit der Krebschemotherapie. Daher werden Cannabinoide gleichzeitig mit vielen hoch toxischen Krebsmedikamenten verwendet. (…) Bei keinem der Berichte der Verwendung von THC oder Marihuana bei Patienten, die gleichzeitig eine Krebschemotherapie erhielten, gibt es irgendeine Erwähnung einer zugenommenen Giftigkeit der Anti-Krebsmittel. Dennoch könnte die Abwesenheit solcher Berichte anzeigen, dass keine Versuche unternommen wurden, um danach zu schauen. Zu diesem Aspekt der Forschung sollte ermuntert werden.

Eine etwas ähnliche Situation besteht bei der therapeutischen Verwendung oral gegebenen THC in der Behandlung des Gewichtsverlusts bei Aids. (…) THC oder Marihuana wurde bei der Behandlung der Spastik bei neurologischen Störungen, wie multiple Sklerose oder Querschnittssyndrom, verwendet. Da THC Behandlungen mit muskelentspannenden Mitteln hinzugefügt werden kann, wäre es von einigem Interesse zu wissen, ob solche kombinierten Verwendungen schädlich sein könnten. In einem Tierversuch, bei dem THC zusammen mit muskelentspannenden Mitteln gegeben wurde, wurde herausgefunden, dass es die erwünschten Effekte der zuletzt genannten Mittel verstärkte. In diesem Fall könnte die Wechselwirkung von Vorteil sein.

(Bitte beachten Sie: Dieser Text wurde einem wissenschaftlichen Text entnommen. Einige Sätze wurden verändert, um die Verständlichkeit zu verbessern.)
Hollister LE. Interactions of marihuana and D9-THC with other drugs. In: Nahas G, Sutin KM, Harvey DJ, Agurell S, eds. Marihuana and medicine. Totowa, NJ: Humana Press, 1999, pp. 273-277.

Franjo Grotenhermen: Cannabis und Dronabinol (THC) wurden in Kombination mit einer Vielzahl von Medikamenten eingesetzt, ohne Registrierung starker unerwünschter Wechselwirkungen. Klinische Studien zu Anfang des 20. Jhds. ergaben oft eine wünschenswerte gegenseitige Verstärkung therapeutischer Effekte natürlicher Cannabiszubereitungen und anderer Medikamente. Auch in modernen therapeutischen Konzepten könnte eine Kombination von Cannabis/THC mit anderen Medikamenten bei vielen Indikationen sinnvoll sein. Cannabis wurde illegal von Personen mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen verwendet, die eine Vielzahl von Medikamenten genutzt haben, ohne dass bisher klinisch relevante unerwünschte Wechselwirkungen bekannt geworden sind. (…) Andere Medikamente können bestimmte Wirkungen von Cannabis/THC verstärken oder bestimmte Wirkungen dieser Medikamente können durch Cannabis/THC verstärkt oder vermindert werden. Es ist zudem möglich, dass bestimmte Effekte verstärkt und andere reduziert werden, wie dies beispielsweise bei den Phenothiazinen im Zusammenhang mit den Nebenwirkungen einer Krebschemotherapie der Fall ist (siehe unten).

Von klinischer Bedeutung ist vor allem die Verstärkung des beruhigenden Effektes anderer psychotroper Substanzen (Alkohol, Benzodiazepine) und die Wechselwirkung mit Substanzen, die auf das Herz wirken (Amphetamine, Adrenalin, Atropin, Betablocker, Diuretika, trizyklische Antidepressiva, etc.). (…)

Eine Anzahl von verstärkenden Effekten kann erwünscht sein, wie die Steigerung des schmerzlindernden Effektes von Opiaten und des antiemetischen Effektes von Phenothiazinen, bei der Muskelentspannung, Krampflösung, Bronchienerweiterung und bei der Senkung eines erhöhten Augeninnendrucks.

  • Anticholinergika: Atropin und Scopolamin können die herzfrequenzsteigernden THC-Effekte verstärken.
  • Antidepressiva (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer): THC kann den Effekt von Fluoxetin verstärken.
  • Antidepressiva (trizyklisch): Die herzfrequenzsteigernden, blutdrucksenkenden und beruhigenden Effekte von Amitryptillin können verstärkt werden.
  • Benzodiazepine: Die Verminderung der Aktivität der Atemorgane und des Gehirns können verstärkt werden. Der antiepileptische Effekt kann verstärkt werden.
  • Betablocker: Sie vermindern die durch THC verursachte Herzfrequenzsteigerung.
  • Glaukommedikamente: Die augeninnendrucksenkenden Effekte verschiedener Glaukommedikamente und von Cannabinoiden können sich addieren.
  • Neuroleptika: THC kann möglicherweise die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika hemmen. Es kann ihre therapeutische Wirksamkeit bei motorischen Störungen verbessern.
  • Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID): Indometacin, Acetylsalizylsäure (Aspirin) und andere NSAIDs können THC-Effekte hemmen. Indometacin verminderte signifikant das subjektive „High“ und die herzfrequenzsteigernden THC-Effekte.
  • Opiate: Verstärkung von Sedierung und Schmerzlinderung.
  • Phenothiazine: Prochlorperazin und andere Phenothiazine vermindern die psychotropen Effekte von THC und verstärken den brechreizhemmenden Effekt.
  • Sympathomimetika: Amphetamine und andere Sympathomimetika verstärken die Herzfrequenzsteigerung und die Blutdrucksteigerung.
  • Theophyllin: Der Stoffwechsel von Theophyllin wird durch THC beschleunigt. Daher sind möglicherweise höhere Dosen von Theophyllin erforderlich.

(Bitte beachten Sie: Diese Text wurde einem wissenschaftlichen Text entnommen. Einige Sätze wurden verändert, um die Verständlichkeit zu verbessern.)
Grotenhermen F. Praktische Hinweise. In: Grotenhermen F (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide. Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potential. Huber, Bern 2001.

Wie kann ich eine Cannabistinktur oder ein Cannabisöl herstellen?

Manfred Fankhauser: Alte Rezepte für Medikamente aus Cannabis legen das folgende Vorgehen nahe (wenn man keine spezielle pharmazeutische Ausrüstung hat):

  • Cannabis-Tinktur: Nimm etwa 3-5 Teile Alkohol (z.B. Schnaps oder Äthylalkohol aus der Apotheke, 40-70 %) und einen Teil Cannabisblätter/-blüten (z.B. 25 g Marihuana und 100 ml Alkohol). Lagere es etwa 10 Tage lang an einem dunklen und kühlen Ort. Schüttle es von Zeit zu Zeit. Filtere es mit einem Sieb. Verwahre die fertige Tinktur dunkel und kühl auf (z.B. im Kühlschrank), so dass die Wirksamkeit einige Wochen bzw. Monate bestehen bleibt.
  • Cannabis-Öl: Nimm etwas getrocknetes Cannabis, zerkleinere es und gib etwas Speiseöl hinzu (z.B. Olivenöl), so dass das Pflanzenmaterial vollständig mit dem Öl bedeckt ist. Lagere es etwa 3 Wochen lang an einem dunklen und kühlen Ort. Schüttle es jeden Tag ein wenig. Filtere es mit einem Sieb. Dieses Öl kann zur inneren und zur äußerlichen Anwendung verwendet werden. Dr. Fankhauser ist Apotheker in der Schweiz.

José T. Gállego: Es ist einfach, eine Tinktur oder ein Öl aus Cannabis herzustellen, das die aktiven Bestandteile der Pflanze konzentriert. Sie benötigen dazu Marihuana (jede Qualität, gut oder schlecht, Blätter oder Blüten), Äthylalkohol von 96-99 % (z.B. aus der Apotheke), ein Glas, das sich schließen lässt (z.B. ein Marmeladenglas), einen Kaffeefilter oder ein Stück Stoff (z.B. ein Teil von einem T-Shirt), einen tiefen Teller oder eine Bratpfanne, eine Flasche mit einem Tropfverschluss.

Zerkleinere das Cannabis und lege es ins Glas. Bedecke es mit ausreichend Alkohol. Lagere es etwa eine Woche an einem dunklen und kühlen Ort und schüttle es jeden Tag. Filtre es mit dem Kaffeefilter oder dem Stoff. Drück die letzten Tropfen Alkohol aus dem Pflanzenmaterial heraus. Sie können diesen Prozess mehrfach wiederholen, mindestens einmal, am besten zweimal: Sie können das Cannabis erneut in das Glas legen und mit Alkohol bedecken…. Schließlich: Schütten Sie den ganzen Alkohol (er wird eine grüne Farbe haben) in einen tiefen Teller. Lagere ihn an einem temperierten und luftigen Ort, so dass etwas von dem Alkohol verdunstet und die Cannabinoid-Konzentration der Tinktur zunimmt. Das kann etwa 10 Tage dauern. Wenn genug Alkohol verdunstet ist, fülle den Extrakt in die Flasche mit dem Tropfverschluss.

Die Cannabistinktur kann direkt verwendet werden, in ein Getränk oder Nahrung gegeben oder verdampft werden. Um die Tinktur zu verdampfen, kann ein kommerzieller Vaporizer verwendet werden oder die alte Silberpapiermethode. Forme einen Teelöffel aus Silberpapier, gib einige Tropfen der Tinktur hinein, erhitze es mit einer Kerze bis der Alkohol verdunstet. Dann inhaliere es mit einem Röhrchen (z.B. dem Körper eines Kugelschreibers).

Um Haschischöl herzustellen, muss man den gesamten Alkohol aus der Tinktur verdunsten lassen bis aus dem Extrakt eine dunkle Paste wird (ähnlich wie Teer). Es ist möglich, das Glas an einen warmen Ort zu stellen, um den Prozess des Verdunstens zu beschleunigen. Es sollte nicht in die Sonne gestellt werden, weil das THC dann schneller zerstört wird. Es sollte nicht erhitzt werden, um eine Explosion des Alkohols zu vermeiden.

Nach: Gállego JT: Tintura de cannabis. Canamo, No 46, July 2001:76-77.
Nach: Gállego JT: Tintura de cannabis. Canamo, No 46, July 2001:76-77.

Dosierung bei oraler Aufnahme: Welche Dosen werden verwendet, wenn THC (Dronabinol) oder Cannabis gegessen werden?

Franjo Grotenhermen: Wenn möglich sollten langsam zunehmende Dosen in einer titrierenden Art und Weise angewendet werden, um unerwünschte Nebenwirkungen auf Psyche und Kreislauf zu vermeiden. Ausgangsdosen sind 2 x 2,5 mg oder 2 x 5 mg Dronabinol am Tag. Die Dosen können bis auf mehrere Einheiten von 10 mg täglich erhöht werden. Bei Appetitverlust und Übelkeit wegen Aids sind 5-20 mg THC am Tag im Allgemeinen ausreichend, zur Schmerzbehandlung werden oft höhere Dosen benötigt. Wenn natürliche Cannabisprodukte von unbekanntem THC-Gehalt oral verwendet werden, sollte der Patient mit 0,05-0,1 Gramm beginnen (für Cannabis mit einem mittleren THC-Gehalt von 5 Prozent entspricht dies 2,5-5 mg THC).

Wenn der THC-Gehalt unbekannt ist, sollte ein Cannabis-Vorrat, der für einige Wochen ausreicht, angelegt werden, um eine konstante Qualität sicher zu stellen. In einer Studie von Fairbairn und Kollegen (1976) nahm der THC-Gehalt innerhalb von 47 Wochen nur um 7 Prozent ab, wenn er dunkel und trocken bei 5°C gelagert worden war, und um 13 Prozent bei einer Temperatur von 20°C.

Um reproduzierbare Wirkungen zu erzielen, sollten Cannabis oder THC immer unter ähnlichen Bedingungen hinsichtlich der Nahrungsaufnahme eingenommen werden, beispielsweise immer eine Stunde vor dem Essen. Wenn natürliche Cannabiszubereitung verwendet werden, sollten die Mengen sorgfältig abgewogen und mit dem gleichen Träger verwendet werden, beispielsweise Cannabis-Tee aus einem halben Gramm getrockneter Cannabisblüten auf einem halben Liter Wasser mit etwas Sahne.

Wie bei den Opiaten können einige Nebenwirkungen innerhalb von einigen Tagen oder Wochen abnehmen, was die Akzeptanz der Droge verbessert. Eine verlängerte THC-Einnahme verursacht eine Toleranz gegenüber unerwünschten Wirkungen auf den Kreislauf und gegenüber psychischen Wirkungen, so dass manchmal tägliche Dosen von mehr als 50 mg THC genommen werden können, ohne signifikante unerwünschte psychische oder körperliche Nebenwirkungen. Starke gewohnheitsmäßige Konsumenten in westlichen Gesellschaft können täglich fünf bis zehn Cannabiszigaretten oder mehr rauchen, und vertragen daher tägliche Dosen von 100 mg THC und mehr. Bei einem Kollektiv von Cannabiskonsumenten, das von Solowij (1991) analysiert worden war, betrug der mittlere wöchentliche Konsum 766 mg THC, mit einer Spanne von 30-2400 mg THC.

Toleranz kann auch bei therapeutisch erwünschten Wirkungen auftreten (z. B. Abnahme des Augeninnendrucks, Schmerzreduzierung) und erhöhte Dosen nach einiger Zeit der Behandlung erforderlich machen.

Verändert nach: Grotenhermen F. Harm reduction associated with inhalation and oral administration of cannabis and THC. Journal of Cannabis Therapeutics 2001;1(3-4):133-152

Schädigen Cannabis/THC den Fetus, wenn sie während der Schwangerschaft verwendet werden?

Institute of Medicine (Medizininstitut der USA): „Studien, die den Zusammenhang zwischen vorgeburtlicher Marihuanaexposition und Geburtsergebnis untersucht haben, haben zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt. Mit Ausnahme von jugendlichen Müttern gibt es wenige Hinweise, nach denen die Schwangerschaftsdauer bei Frauen, die Marihuana rauchen, kürzer ist. Einige Studien mit Frauen, die regelmäßig Marihuana während der Schwangerschaft rauchten, zeigten, dass sie dazu tendierten, Kinder mit einem geringeren Geburtsgewicht zur Welt zu bringen. (…)

In den meisten dieser Studien stimmen die Schäden im Zusammenhang mit Marihuanakonsum mit solchen, die mit Tabakkonsum assoziiert sind, überein. Und Rauchen ist ein signifikanter Faktor, so dass der Beitrag der Cannabinoide nicht bestätigt werden kann. Allerdings rauchen jamaikanische Frauen, die Marihuana konsumieren, es selten, sondern sie bereiten es stattdessen als Tee zu. In einer Studie mit Neugeborenen von jamaikanischen Frauen, die während der Schwangerschaft entweder Marihuana einnahmen oder es nicht einnahmen, gab es sowohl drei Tage als auch einen Monat nach der Geburt keinen Unterschied bei der neurologischen Beurteilung des Verhaltens. (…)

Seit 1978 hat die Ottawa Prenatal Prospective Study [vorgeburtliche prospektive Studie von Ottawa] die kognitiven Funktionen von Kindern, deren Mütter Marihuana während der Schwangerschaft geraucht haben, untersucht. (…) Die Kinder aus den verschiedenen Marihuanaexpositionsgruppen zeigten keine bleibenden Unterschiede in globalen Maßzahlen der Intelligenz wie etwa Sprachentwicklung, Leseleistung sowie Seh- und Wahrnehmungstests. Moderate kognitive Defizite waren bei diesen Kindern nachweisbar, als sie vier Tage alt waren und erneut im Alter von vier Jahren, aber diese Defizite waren mit fünf Jahren nicht länger sichtbar. Vorgeburtliche Marihuanaexposition war allerdings nicht ohne andauernden Einfluss. Zum Vergleich: in beiden Alterstufen von 5-6 und 9-12 zeigten Kinder in der gleichen Studie, die vorgeburtlich Tabakrauch ausgesetzt waren, signifikant schlechtere Ergebnisse in Tests für Sprachfertigkeiten und kognitive Funktion.“

Joy JE, Watson SJ, Benson JA, eds. Marijuana and medicine: Assessing the science base. Institute of Medicine. Washington DC: National Academy Press, 1999.

Peter Fried: „Die Konsequenzen einer vorgeburtlichen Exposition mit Marihuana sind gering. Der Einfluss während des Schwangerschaftsverlaufs und auf den Neugeborenen wird offenbar erheblich durch andere Risikofaktoren vermindert. Es bestehen Hinweise milder Effekte auf das fetale Wachstum und auf die Funktion des zentralen Nervensystems. Während des Kleinkindstadiums gibt es wenig Anzeichen eines pränatalen Marihuanaeffektes auf Wachstum oder Verhalten. Allerdings bestehen nach dem Alter von drei Jahren deutliche Anhaltspunkte für eine mögliche Assoziation zwischen pränataler Marihuanaexposition und Aspekten des kognitiven Verhaltens, die unter die Rubrik exekutive Funktion fallen. Facetten dieses Konstrukts aus den Bereichen Aufmerksamkeit/Impulsivität und Problemlösungssituationen, die eine Integration und Manipulation grundlegender Fähigkeiten aus dem Seh- und Wahrnehmungsbereich erfordern, scheinen besonders betroffen zu sein. Obwohl die Hinweise konvergieren, besteht wegen der geringen Zahl an Studien, die Kinder über das Alter von drei Jahren hinaus begleiten, dringender Bedarf an gut kontrollierten Untersuchungen in diesem Bereich.“

Fried P. Schwangerschaft. In: Grotenhermen F (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide. Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potential. Huber, Bern 2001.

Franjo Grotenhermen: Es ist unwahrscheinlich, dass Cannabis embryonale bzw. fetale Missbildungen verursacht. Es gibt inkonsistente epidemiologische Befunde zu seinen Wirkungen auf das Geburtsgewicht. Es bestehen deutliche Hinweise auf subtile Entwicklungsstörungen des Gehirns mit kognitiven Beeinträchtigungen bei Nachkommen cannabiskonsumierender Mütter. Es gibt Forscher, die solche Störungen vermuten und solche, die eher davon ausgehen, dass Cannabis keine relevanten negativen Effekte ausübt. Möglicherweise machen sich subtile kognitive Marihuana-assoziierte Störungen erst im Vorschul- bzw. Schulalter bemerkbar. (…)
Es wurde keine Beeinflussung der körperlichen fetalen Entwicklung bei Kindern chronischer Cannabiskonsumentinnen beobachtet. Dennoch sollte Cannabis in der Schwangerschaft und bei stillenden Müttern wegen umstrittener Hinweise auf eine diskrete Störung der kognitiven kindlichen Entwicklung möglichst nicht eingesetzt werden.“

Grotenhermen F. Übersicht über unerwünschte Wirkungen von Cannabis und THC. In: Grotenhermen F (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide. Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potential. Huber, Bern 2001.
Grotenhermen F. Praktische Hinweise. In: Grotenhermen F (Hrsg.): Cannabis und Cannabinoide. Pharmakologie, Toxikologie und therapeutisches Potential. Huber, Bern 2001.

Können Cannabinoide Krebs heilen?

Von Dr. Manuel Guzmán: Cannabinoide, die aktiven Bestandteile von Cannabis, und ihre Abkömmlinge weisen bei Krebspatienten lindernde Eigenschaften auf, indem sie Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen verhindern und den Appetit steigern. Zudem hemmen diese Substanzen bei Labortieren – Mäusen und Ratten – das Wachstum von Tumorzellen. Allerdings gibt es zur Zeit keine zuverlässigen Beweise, nach denen Cannabinoide – natürliche oder synthetische – wirksam Krebs bei Patienten heilen können, auch wenn in diesem Bereich geforscht wird.

Verständliche Übersichten – inklusive der Angabe von wissenschaftlichen Literaturstellen – zu Cannabinoiden und Krebs finden sich auf der Internetseite von Cancer Research UK und auf der Internetseite des Nationalen Krebsinstituts der USAntwort: Im folgenden werden diese Informationen zusammengefasst und diskutiert.

Was ist Krebs?
Krebs ist ein in einem umfassenden Sinn verwendeter Begriff für Krankheiten, in denen sich Zellen ohne Kontrolle teilen und im Allgemeinen in andere Gewebe eindringen können. Krebs ist nicht nur eine Erkrankung, sondern viele Erkrankungen: Mehr als 100 verschiedene Krebsarten werden von der Weltgesundheitsorganisation hinsichtlich ihrer feingeweblichen Charakteristika beschrieben und wahrscheinlich gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende Krebsarten, wenn man sie hinsichtlich ihrer molekularen und genetischen Profile betrachtet.

Was sind die häufigsten Krebsarten?
Die meisten Krebsarten werden nach dem Organ oder den Zelltypen, in denen sie beginnen, benannt. Darüber hinaus werden Krebsarten im Allgemeinen in die folgenden größeren Kategorien gruppiert:

  • Karzinom: Krebs, der in der Haut oder in Geweben, die innere Organe auskleiden oder bedecken, beginnt.

  • Sarkom: Krebs, der in Knochen, Knorpel, Fett, Muskulatur, Blutgefäßen oder anderen Binde- oder Stützgeweben beginnt.

  • Leukämie: Krebs, der in Blut bildenden Geweben wie dem Knochenmark beginnt und zur Produktion einer großen Zahl veränderter Blutzellen führt, die sich dann im Blut finden.

  • Lymphom und Myelom: Krebs, der in Zellen des Immunsystems beginnt.

  • Krebsarten des zentralen Nervensystems: Krebs, der in Geweben des Gehirns und des Rückenmarks beginnt.

Hemmen Cannabinoide das Krebswachstum?
Nahezu die gesamte Forschung zu Cannabinoiden und Krebszellen wurde bisher mit Krebszellen, die im Labor gezüchtet wurden, und an Tiermodellen durchgeführt. Viele wissenschaftliche Studien haben davon berichtet, dass verschiedene Cannabinoide (sowohl natürliche als auch synthetische) ein breites Spektrum an wachstumshemmenden Wirkungen auf Krebszellen ausüben. Dazu zählen:

  • Die Auslösung des Zelltodes durch einen Mechanismus, der als Apoptose bezeichnet wird.

  • Die Unterbrechung der Zellteilung.

  • Die Verhinderung der Bildung neuer Blutgefäße in Tumoren – der Vorgang der Bildung neuer Blutgefäße heißt Angiogenese.

  • Die Reduzierung der Möglichkeiten von Krebszellen, Tochtergeschwülste im Körper zu bilden, indem die Zellen davon abgehalten werden, sich zu bewegen oder in Nachbargewebe einzudringen.

  • Die Beschleunigung der zellinternen „Abfall-Ablagerungs-Maschine“ – ein Prozess, der als Autophagie bezeichnet wird –, was zum Zelltod führen kann.

Zusammengefasst sind Cannabinoide wirksame Substanzen, um zumindest einige Krebsarten bei Labortieren – Mäusen und Ratten – zu behandeln.

Hemmen Cannabinoide das Krebswachstum? (Anekdotische Hinweise bei Menschen)
Wie oben erwähnt, wurde nahezu sämtliche Forschung zur Untersuchung der Frage, ob Cannabinoide Krebs behandeln können, im Labor durchgeführt. Es ist daher wichtig, sehr vorsichtig zu sein, wenn diese Ergebnisse auf Patienten übertragen werden. Diese sind wesentlich komplexer als eine Petrischale oder eine Maus. Anekdotische Ergebnisse zur Cannabisverwendung waren in der Geschichte hilfreich zur Vermittlung von Hinweisen auf biologische Prozesse, die vom Endocannabinoidsystem kontrolliert werden und zum möglichen therapeutischen Nutzen von Cannabinoiden. Im konkreten Fall des Krebses gibt es Videos und Berichte im Internet, die argumentieren, dass Cannabis Krebs heilen kann. Diese anekdotischen Hinweise sind – zumindest bisher – extrem schwach und unklar.
Hier einige Beispiele, die zur fehlenden Klarheit beitragen:

  • Wir wissen nicht, ob der (angenommene) Effekt von Cannabis auf einem Placebo-Effekt beruht.

  • Wir wissen nicht, ob der Tumor aus natürlichen/endogenen Gründen nicht mehr weiter wächst – einige Tumoren verschwinden spontan aufgrund der Abwehrkräfte des Körpers gegen Tumoren.

  • Wir wissen nicht, wie viele Patienten Cannabis verwendet und keinen therapeutischen Nutzen erzielt haben. Wir kennen daher nicht die (angenommene) Wirksamkeit einer Therapie auf Cannabisbasis.

  • Da die meisten Patienten vor oder gleichzeitig mit der Cannabisverwendung vermutlich eine Standardtherapie erhalten haben, wissen wir nicht, ob die (angenommene) Wirkung von Cannabis in der Tat – zumindest zum Teil – auf der Standardtherapie beruhte, möglicherweise durch Cannabis verstärkt. Aber wir haben keinen Beweis.

  • Wir kennen nicht die einzelnen Parameter des Tumorwachstums, die überwacht wurden, und wie lange der Patient überwacht wurde. Viele der möglichen nützlichen Wirkungen von Mitteln gegen Krebs (oder in diesem Fall von Cannabis) sind nur kurzzeitige Wirkungen. Was ist aber mit dem langzeitigen Überleben ohne Tumorwachstum und dem Gesamtüberleben?

  • Krebs ist eine sehr heterogene Krankheit mit unterschiedlichen Arten, und bisher hat niemand eine ausreichend große Zahl von Patienten mit einer bestimmten Krebsart zusammengebracht, um die Auffassung unterstützen zu können, dass Cannabinoide bei diesem spezifischen Krebs wirksam sind.

Zusammengefasst ist es zwar möglich, dass Cannabiszubereitungen eine gewisse krebshemmende Aktivität bei einigen bestimmten Krebspatienten aufweisen, die anekdotischen Hinweise, die bisher vorliegen, sind jedoch sehr schwach und sind leider weit davon entfernt, die Annahme zu unterstützen, dass Cannabinoide wirksame Krebsmedikamente für Patienten darstellen.

Hemmen Cannabinoide das Krebswachstum? (Klinische Forschung)
Bisher wurden Ergebnisse nur von einer klinischen Phase I Studie, die untersucht hat, ob Cannabinoide Krebs bei Patienten behandeln kann, veröffentlicht. Neun Patienten mit fortgeschrittenem Glioblastoma multiforme – ein aggressiver Hirntumor –, der zuvor auf eine Standardtherapie nicht angesprochen hatte, wurde hoch gereinigtes THC über einen Katheter direkt in ihr Gehirn verabreicht. Unter diesen Bedingungen war die Cannabinoid-Gabe sicher und konnte ohne relevante unerwünschte Wirkungen erzielt werden. Auch wenn von dieser kleinen Patientengruppe, die ohne Kontrollgruppe behandelt wurde, keine statistisch signifikanten Schlussfolgerungen gezogen werden können, so kann doch gesagt werden, dass die erhaltenen Ergebnisse nahe legen, dass einige Patienten auf die THC-Therapie mit einer verringerten Wachstumsrate des Tumors ansprachen – zumindest zum Teil. Dies konnte mit bildgebenden Verfahren und der Analyse von Biomarkern nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse waren ermutigend und verstärken das Interesse an der möglichen Nutzung von Cannabinoiden in der Krebstherapie. Allerdings unterstreichen sie auch die Notwendigkeit für weitere Forschung, die auf eine Optimierung der Cannabinoidverwendung hinsichtlich der Auswahl von Patienten, der Kombination mit anderen Krebsmedikamenten und der Nutzung anderer Wege der Einnahme abzielt.

Insgesamt gibt es viele unbeantwortete Fragen im Zusammenhang mit dem Potenzial, Cannabinoide als Antikrebsmittel zu verwenden, und es ist notwendig und wünschenswert, dass umfangreiche klinische Studien durchgeführt werden, um bestimmen zu können, wie Cannabinoide jenseits ihrer lindernden Wirkungen bei der Behandlung von Krebspatienten eingesetzt werden können.

Über den Autor
Dr. Manuel Guzman ist Professor an der Abteilung für Biochemie und Molekulare Biologie an der Complutense-Universität Madrid (Spanien). Er koordiniert die Gruppe zum Thema Cannabinoid-Signalgebung.

Von welchen Ärzten dürfen cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden?

Hinsichtlich der zur Verordnung berechtigten Facharztgruppen sieht das Gesetz keine Einschränkungen vor. Eine entsprechende Verordnung kann somit durch alle Vertragsärzte erfolgen.

Bei welchen Indikationen dürfen cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden?

Das Gesetz macht keine Vorgaben zu den für eine Verordnung zugelassenen Indikationen. Zu den Voraussetzungen für eine Verordnung bei einer schwerwiegenden Erkrankung.

Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu relevanten Indikationsgebieten
Nach einer Recherche der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) liegen für Cannabisarzneimittel akzeptable wissenschaftliche Erkenntnisse bislang nur für die begleitende Behandlung von Spastiken, Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika sowie chronische Schmerzen vor. Eine mögliche Wirksamkeit wird zudem in der Literatur für Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei HIV-AIDS, Schizophrenie, Morbus Parkinson, Tourette-Syndrom, Epilepsie, Kopfschmerzen sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen diskutiert.

https://www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20160114.pdf

Eine von Whiting et al.4 durchgeführte Meta-Analyse von 79 Studien zum Thema ergab eine moderate Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden zur Behandlung von chronischen Schmerzen und Spastiken. Eine geringere Evidenz zeigte sich für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Kontext von Chemotherapien, von Gewichtsverlust bei HIVInfektion, von Schlafstörungen und für die Behandlung des Tourette-Syndroms.

Eine ausführliche Übersichtsarbeit der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine stellt dar, dass eine gute Evidenz für eine therapeutische Wirksamkeit von Cannabinoiden in folgenden Indikationen vorliegt: die Behandlung chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, von Spastik bei Multipler Sklerose und für die antiemetische Therapie von Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika. Mäßig oder wenig Evidenz liegt vor u. a. für die Behandlung von Schlafstörungen in bestimmten Situationen, Gewichtsverlust bei HIV/AIDS und Symptomen des Tourette-Syndroms.

Die bisherigen Ausnahmegenehmigungen für eine Behandlung mit Cannabis nach § 3 Abs. 2 BtMG (siehe hierzu Frage 15) wurde vom BfArM vorrangig bei folgenden Indikationen erteilt:

  • Schmerz (ca. 57 %)

  • ADHS (ca. 14 %)

  • Spastik (unterschiedlicher Genese) (ca. 10 %)

  • Depression (ca. 7 %)

  • Inappetenz/Kachexie (ca. 5 %)

  • Tourette-Syndrom (ca. 4 %)

  • Darmerkrankungen (ca. 3 %)

  • Epilepsie (ca. 2 %)

  • Sonstige Psychiatrie (ca. 2 %)

Quelle:Deutscher Bundestag (27.03.2017): Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 18/11701, Cannabismedizin und Straßenverkehr, S. 3 Weitere mögliche Indikationen werden von Müller-Vahl und Grotenhermen in ihrem Artikel „Medizinisches Cannabis – Die wichtigsten Änderungen“ (DÄBl. Jg. 114 Heft 8 24. Februar 2017, A354) genannt. 4 Whiting PF et al. (2015): Cannabinoids for Medical Use A Systematic Review and Metaanalysis. In: JAMA 2015;313(24):24562473. doi:10.1001/jama.2015.6358 5 National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (2017): The health effects of cannabis and cannabinoids: https://www.nap.edu/catalog/24625/thehealtheffectsofcannabisandcannabinoidsthecurrentstate 9

Hinsichtlich der Indikationen ist darauf hinzuweisen, dass cannabinoidhaltige Arzneimittel ausschließlich symptomatisch wirken und für sie bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich eines therapeutischen Nutzens für die Behandlung der jeweiligen Primärerkrankung vorliegen.

Welche cannabishaltigen Arzneimittel dürfen verordnet werden?

Das sogenannte „Cannabis-Gesetz“ (Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften) umfasst die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon (§ 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V).

Cannabissorten: Unterscheiden sich Cannabissorten?

Von Dr. Ethan Russo: Cannabiskonsumentinnen haben immer darauf hingewiesen, dass verschiedene Arten (Sorten, chemische Varietäten, Kulturvarietäten) unterschiedliche Wirkungen verursachen, sowohl hinsichtlich ihrer Psychoaktivität als auch ihrer therapeutischen Eigenschaften. Sorten werden häufig als sativa, indica oder als hybrid bezeichnet. Diese Bezeichnungen sind allerdings auf den Markt bezogen recht irreführend. Im Gegensatz dazu hat sich die wissenschaftliche Gemeinschaft weitgehend auf Tetrahydrocannabinol (THC) als die wichtigste oder einzig wichtige Variable konzentriert. Es ist klar, dass sich das selektive Züchten von Cannabis für den medizinischen Markt und den Freizeitkonsum auf THC-reiche Cannabissorten konzentriert hat, unter Ausschluss anderer Cannabinoide. Einige Forscher haben die Wichtigkeit zusätzlicher Bestandteile, insbesondere der Terpene, die aromatischen Bestandteile von Cannabis, die wie die Cannabinoide in den Trichom-Drüsen produziert werden, als wichtige Modulatoren der Cannabiswirkungen betont (McPartland & Russo, 2001, Russo 2011).

Was sind die anderen Cannabinoide in Cannabis?
Das häufigste Phytocannabinoid neben THC ist Cannabidiol (CBD). Es war früher beispielsweise weit in den Cannabis-Landrassen aus Afghanistan und Marokko verbreitet, ist jedoch weitgehend aus Cannabis für den Freizeitkonsum verschwunden. Es findet sich auch in Faserhanf, im Allgemeinen jedoch in einer geringen Konzentration. CBD hat eine zunehmende Aufmerksamkeit durch seine verschiedenen medizinischen Eigenschaften erzielt, darunter schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkungen ohne Rausch oder Sedierung. Es reduziert auch die Nebenwirkungen des THC, wenn sie gemeinsam verabreicht werden, insbesondere Angst und schnelle Herzfrequenz. Zusammen eingenommen können die beiden Komponenten bei vielen Anwendungen synergistisch wirken.

Andere Cannabisbestandteile von Interesse sind Tetrahydrocannabivarin (THCV), das traditionell in geringen Mengen in chemischen Varietäten in Südafrika vorkommt. Es wird gegenwärtig für die Behandlung des metabolischen Syndroms, das häufig der Entwicklung des Typ-II-Diabetes vorausgeht, untersucht.

Andere Phytocannabinoide, die zur Zeit untersucht werden, umfassen Cannabigerol (CBG) für Prostatakrebs, Cannabidivarin (CBDV) für Epilepsie und verschiedene andere.

Wie verhält es sich mit dem Terpenen?
Es gibt starke Hinweise, dass diese in geringen Konzentrationen vorkommenden Bestandteile in Ganzpflanzen-Zubereitungen von Cannabis zu den Wirkungen der Phytocannabinoide beitragen, indem sie ihren eigenen therapeutischen Nutzen entfalten oder Nebenwirkungen des THC abschwächen. Hier sind vor allem Limonen mit bekannten antidepressiven Wirkungen, Pinen, das die durch THC verursachten Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses abschwächt, Myrcen, welches sediert, sowie Beta-Caryophyllen, das den nicht psychoaktiven CB2-Rezeptor aktiviert und entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkungen verursacht, zu nennen. Weitere Forschung wird die relative Bedeutung dieser Substanzen in verschiedenen Cannabiszubereitungen untersuchen.

Über den Autor:
Dr. Ethan Russo ist ein Neurologe, der als Berater für GW Pharmaceuticals tätig ist. Er ist ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente und der gegenwärtige Präsident der Internationalen Gesellschaft für Cannabinoidforschung.

Weitere Literatur:
Fischedick, J. T., Hazekamp, Antwort: , Erkelens, T., Choi, Y. H. & Verpoorte, R. (2010). Metabolic fingerprinting of Cannabis sativa L., cannabinoids and terpenoids for chemotaxonomic and drug standardization purposes. Phytochemistry, 71, 2058-73.
Izzo, Antwort: Antwort: , Borrelli, F., Capasso, R., Di Marzo, V. & Mechoulam, R. (2009). Non-psychotropic plant cannabinoids: new therapeutic opportunities from an ancient herb. Trends Pharmacol Sci, 30, 515-27.
Russo, E. B. (2007). History of cannabis and its preparations in saga, science and sobriquet. Chemistry & Biodiversity, 4, 2624-2648.

Fragen zu Regress und Richtgrößen

Frage: Mein FA Allgemeinmedizin unterstützt mich beim Antrag.
Er hat sich bei der KV-Hessen erkundigt, ob er Cannabis verschreiben darf. Diese sagte ihm: „Klar darfst du das, es geht nur in dein Budget“. Wir sind uns unsicher, ob die Zusage der KK auch bedeutet, dass bei einer Richtgrößenprüfung (dazu kommt es durch die Verordnung sicher, durch das Überschreiten des Praxisbudgets) auch die Leistung anerkannt wird. Mein Arzt ist sehr verunsichert. Auf Privatrezept wird er weiter verschreiben, aber ich bin ja gerade in der Sozialklage weil es mir zusteht.

Antwort: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte ist ein kompliziertes Verfahren, das dadurch zusätzlich schwierig wird, als die Überprüfungen und damit eventuell verbundene Regressforderungen oft erst nach Jahren zum Tragen kommen. Die wichtigste und strengste Überprüfungsart ist die Richtgrößenprüfung. Das Problem ist hier eine Abhängigkeit der Richtgrößenvereinbarungen von KV-Besonderheiten. Mit Blick auf Cannabis-Verordnungen ist es so, dass diese grundsätzlich in die Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen einbezogen werden. Ärzte, die durch Verordnung von Cannabis als Medizin besonders hohe Ausgaben verursachen, müssen also, wollen sie dem Regress entgehen, eine Praxisbesonderheit geltend machen.
In der Praxis verhält es sich nun so, dass in einigen Prüfvereinbarungen insbesondere innovative, häufig kostspielige, aber dennoch wirtschaftliche Arzneitherapien in Anlagen aufgeführt sind, die automatisch als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden sollen (sog. „Anlagen-Praxisbesonderheiten“). Dies gilt z. B. für die Interferon-Therapie der Multiplen Sklerose. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich dabei nicht um einen abschließenden Katalog von Praxisbesonderheiten. Noch nicht verbindlich geklärt ist aber, welche Art von Praxisbesonderheiten daneben Anerkennung finden muss. Cannabis ist keine Anlagen-Praxisbesonderheit. Hier müssen Ärzte also selber vortragen, was angesichts der Kritik der Kassen und der Skepsis auch der KV an der Verordnung von Cannabis als Medizin sicher nicht einfach werden wird, möglicherweise aber wegen des Genehmigungsverfahrens für Cannabis vor der Ausführung der Verordnung dennoch Chancen haben kann.
Die Begründung teurer Arzneiverordnungen als Praxisbesonderheit kann nicht für alle Praxisbesonderheiten pauschal erfolgen. Vielmehr ist sie im Hinblick auf die einzelne Praxisbesonderheit zu erstellen und dann für sämtliche dieser Fälle zu standardisieren. Soll z. B. Cannabis als innovatives Medikament als Praxisbesonderheit geltend gemacht werden, dann ist die Verordnung für sämtliche zur Praxisbesonderheit gehörenden Fälle zu dokumentieren. Dann muss der Vertragsarzt die bei dem individuellen Patienten die Wirtschaftlichkeit begründenden Umstände für jeden einzelnen Fall darlegen. Dies kann durch standardisierte Begründungen erfolgen, denen Kennziffern zugeordnet werden, z. B.:

  • Verträglichkeit
  • Kontraindikation (Diagnosen und Komedikation)
  • Nebenwirkungen
  • therapeutisch ausgereizt (second line, Therapie der zweiten Wahl)
  • Fortführung stationärer Therapie

Das können die Gründe sein, die überhaupt für die Zulässigkeit der Verordnung entscheidend sind – aber wie gesagt: das sind Argumente, das ist keine geklärte Rechtslage (und kann es auch nicht sein).

Welche Voraussetzungen gelten für eine Therapie durch einen privatärztlichen Arzt?

Frage: Wenn man nachweisen kann, dass man eine Anzahl von Psychiatern mit Kassenzulassung angesprochen hat, diese aber keine Zeit haben, die Therapie durchzuführen, dann kann man auch von einer gesetzlichen Krankenkasse die Behandlungskosten für einen privatärztlich tätigen Arzt erstattet bekommen. Wenn das im Bereich Cannabis als Medizin auch der Fall wäre, wäre das sicherlich für viele Patienten hilfreich, die jetzt bei privatärztlich tätigen Ärzten (Milz, Grotenhermen) in Behandlung sind. Dann stellt sich die Frage, wie viel Ärzte muss ein Patient wie intensiv konsultiert haben.

Antwort: Nach § 13 Abs 3 SGB V muss die Krankenkasse Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung erstatten, wenn „eine unaufschiebbare Leistung“ nicht rechtzeitig erbracht werden konnte – das könnte bei den psychiatrischen Behandlungen der Fall sein. Bei der Verordnung von Cannabis als Medizin liegt der Fall aber meines Erachtens anders, weil die konsultierten Ärzte ja nicht keine Leistung erbringen werden, sondern statt Cannabis eine andere Medikation oder Maßnahme ergreifen werden (oder wollen). Das wird insofern kaum als Fall der unaufschiebbaren Leistung, die nicht erbracht worden ist, anerkannt werden. Dass Gerichte, insbesondere das Bundessozialgericht, das anders sehen, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Im Ergebnis: Cannabis wird von zugelassen Vertragsärzten verschrieben werden müssen.

Besteht unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin eine Notfallsituation?

Frage: Genauso würde mich die Frage interessieren, wie viel ein Patient unternehmen muss, wie etwa Klagen vor den Sozialgerichten, bevor er eventuell unter Notstandsgesichtspunkten vermutlich Cannabis selbst anbauen darf.

Antwort: Insbesondere wenn die Kassen das Gesetz so behandeln wie es sich derzeit abzeichnet, wird man auch weiterhin Notfall-Situationen haben können. Das Problem dabei ist aber: man wird erst versuchen müssen, die Sozialgerichte zu mobilisieren. Ein Szenario könnte meines Erachtens so aussehen:
Patientin hat eine Sondererlaubnis nach § 3 BtmG bekommen, Kassenärztin verordnet Cannabisblüten, Kasse lehnt ab, Eilantrag-Verfahren (Antrag auf einstweilige Anordnung der Kostenübernahme für Cannabis durch die Krankenkasse) vor dem Sozialgericht (1. Instanz) geht verloren, Beschwerde vor dem Landessozialgericht (2. und letzte Instanz im Eilverfahren) dringt nicht durch, Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht läuft (geschätzte Dauer 3 – 5 Jahre), dann wird gleichzeitig mit der endgültigen Ablehnung des Eilantrages bei den Sozialgerichten Antrag bei der Bundesopiumstelle gestellt auf Eigenanbau. Die lehnen ab oder lassen sich Zeit. Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln (Antrag auf einstweilige Anordnung der Genehmigung des Eigenanbaus von Cannabis) ….. Das Problem ist, dass hier das gleiche rechtliche Problem (Therapiealternativen, schwerwiegende Erkrankung) von zwei Gerichtsbarkeiten (Sozialgerichte und Verwaltungsgerichte) möglicherweise mit unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben geprüft werden muss (zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass nach Abschluss des Eilantrag-Weges vor den Sozialgerichten auch an einen Antrag auf einstweilige Anordnung – entweder auf Kostenübernahme oder auf Eigenanbau – vor dem BVerfG zu denken wäre…. => hier werden wir ggf. Musterverfahren führen müssen und das wird nicht ganz einfach).

Welche Möglichkeiten haben Patienten, die keinen Arzt finden?

Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten bieten sich Patienten, die zwar die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für eine Behandlung mit Cannabis erfüllen, jedoch keinen Arzt (weder mit Kassenzulassung, noch privat-ärztlich) finden, der bereit ist diese Behandlung durchzuführen? Gibt es im oben genannten Fall die Möglichkeit über einen Antrag auf einstweilige Anordnung den Selbstanbau (oder eine andere sofortige Abhilfe) durch zu setzen?

Antwort: Eher Nein. Auch im gewonnenen Verfahren vor dem BVerwG kam es entscheidend darauf an, dass ein Arzt Cannabis als Therapie für erforderlich gehalten hat. Dass ein Patient für sich entscheidet: es geht nur mit Cannabis, reichte für den Eigenanbau schon bislang nicht aus und künftig erst recht nicht.

Muss die gesetzliche Krankenkasse für ein Privatrezept die Kosten übernehmen?

Frage: Darf ich als Kassenpatient mit privatem BtM-Rezept und vorab erteilter Genehmigung für die Therapie mit Cannabis durch die Krankenkasse, von einem Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf volle Kostenübernahme des Privatrezeptes ausgehen?

Antwort: Nein. Die Fallkonstellation kommt mir auch theoretisch vor. Nach meiner Auslegung des § 31 Abs 6 SGB V prüft die KK „bei der ersten Verordnung“ ob die Genehmigung erteilt wird. Die erste Verordnung nach dem SGB V ist aber wohl als eine kassenärztliche Verordnung zu verstehen (es sei denn der Patient hat bei seiner gesetzlichen Versicherung Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt. Dann können auch Privatärzte nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Das Verfahren nach § 13 Abs 2 SGB V ist kompliziert und birgt Risiken in sich, weil die Kasse hier nicht die vollen Kosten erstattet, sondern nur die, die ihr selbst entstanden wären (nach Abzug von Rabatten etc.). (Das im Detail zu prüfen wäre eine eigene Aufgabe, ich nehme aber an, dass das nur für wenige Patienten ein guter Weg wäre, und vor allem führt er nicht zu dem, was wir ja eigentlich wollen: eine reguläre Kassenleistung Cannabis als Medizin).

Gibt es ein taktisches Vorgehen beim Kostenübernahmeantrag?

Gibt es eine rechtliche Möglichkeit, die Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse effizienter zu betreiben und es den Kassen schwieriger zu machen, ‚die Zugangsschwelle zu erhöhen‘ (sprich Anträge auf interne Weisung im 1. Anlauf wenn irgendwie möglich abzulehnen und erst nach einem Widerspruch ernsthaft zu prüfen?). Wie baue ich hier als Patient mehr rechtlichen Druck auf und verhindere ‚ein Spiel auf Zeit‘ und erspare mir möglichst das Widerspruchsverfahren?

Antwort: Das kann man pauschal schwer sagen. Wichtig ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen von den Ärzten gut begründet werden. Dabei ist zu bedenken, dass es zwei Varianten für die Verordnung von Cannabis als Medizin im Gesetz gibt:

  • § 31 Abs 6 Nr 1 a): Eine Krankheit, für die es eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung (überhaupt) nicht gibt => das heißt keine Behandlungsleitlinien, keine zugelassenen, allgemein anerkannten medikamentösen Therapien etc. (Das wird der seltenere Fall sein.)
  • § 31 Abs 6 Nr. 1 b): Für die Krankheit gibt es zwar eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie. Diese kann im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärzte unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der Versicherten nicht zur Anwendung kommen. (Das wird die häufiger vorkommende Konstellation sein.)

Hier hilft es enorm, wenn der Arzt folgendes beachtet/ darstellt:

  • Hinweis auf die Verordnung nach § 31 Abs 6 Nr. 1 b SGB V (die Kassen begründen sonst ihre Ablehnung gerne damit, dass ein Fall des § 31 Abs 6 Nr. 1 a SGB V nicht vorliegt)
  • Krankheitszustand beschreiben (wodurch schwerwiegend, wie sind die Auswirkungen, warum bzw. inwieweit wird die Belastung des Patienten dadurch erheblich herabgesetzt)
  • Benennen welche Standardtherapie(n) versucht worden ist (sind)
  • Benennen zu welchen Nebenwirkungen/ Komplikationen/ Unverträglichkeiten es dabei gekommen ist
  • Und/oder: Warum sind vielleicht auch nicht so gravierende Nebenwirkungen angesichts der Krankheitszustandes (Labilität des Patienten durch langjährige schwere Erkrankung), sonstige psychische Komponenten, Vulnerabilität auf körperlicher Basis etc.) nicht zu tolerieren.

Im Fall der ersten Variante (§ 31 Abs 6 Nr. 1a ): Darstellung, dass es keine allgemein anerkannte Standardtherapie gibt, Erläuterung der Gründe warum Cannabis vermutlich hilft.

Wie gehe ich optimal beim Widerspruch gegen eine Kostenablehnung vor?

Im Falle des Widerspruchsverfahrens, wie formuliere ich einen möglichst effizienten Widerspruch, der mir alle Rechtsmittel offen hält und mir möglichst kurzfristig die Anwendung weiterer Rechtsmittel (einstweilige Anordnung) erlaubt?

Antwort: Einen Eilantrag (der formal korrekt Antrag auf einstweilige Anordnung heißt) kann man immer nach Ablehnung des Antrags durch die Krankenkasse zeitgleich mit Widerspruch gegen diesen ablehnenden Bescheid stellen. Meines Erachtens ist im Eilantrag-Fall, für den ja auch Prozesskostenhilfe beantragt werden kann, eine anwaltliche Vertretung sinnvoll. Hier sollte Wert auf eine umfassende und glaubhaft gemachte Darstellung der medizinischen Situation, der sozialen Folgen und der Schwere der Erkrankung gelegt werden. Außerdem muss dargestellt werden, dass es Eilbedarf gibt und man Cannabis nicht selbst bezahlen kann.

Wer übernimmt die Kosten eines Verfahrens vor dem Sozialgericht?

Wer trägt die Kosten für Cannabis, wenn ein Sozialgericht die vorläufige Kostenübernahme im Eilverfahren anordnet, im Hauptverfahren dann aber anders entscheidet?

Antwort: Das hängt vom Tenor der Entscheidung im Eilverfahren ab. Z.B. regelte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem neueren Verfahren:
„Die Antragsgegnerin wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren verpflichtet, die Kosten für die Therapie mit Cannabis-Extrakt-Tropfen ab dem 12. Mai 2015 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Fall des Obsiegens im Hauptsacheverfahren zu übernehmen.“ (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. September 2015 – L 4 KR 276/15 B ER –)
=> Damit ist die Rückforderung möglich. Wenn der Vorbehalt nicht gemacht wird: nein. Das Risiko einer Rückforderung ist dennoch nicht groß, zum einen haben die meisten Patienten das Geld nicht, um den Rückforderungsanspruch zu befriedigen, zum anderen kann die Krankenkasse bei der Rückforderung viele Fehler machen.

Gibt es eine Frist, wie lange sich die Kassen für die Entscheidung über einen Widerspruch Zeit lassen kann?

Nach § 88 Abs 2 SGG: 3 Monate. Danach kann man Untätigkeitsklage erheben. Einen Eilantrag kann man aber bereits ab Ablehnung des Antrags durch die Krankenkasse bei Gericht stellen. Man muss also nicht das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens abwarten (zumal Widerspruchsverfahren bei Krankenkassen ohnehin oft damit enden, dass der ablehnende Bescheid der ersten Instanz bestätigt wird).

Was ist Rechtmäßigkeit der Forderung nach Evidenz der Wirksamkeit von Cannabis bei einer bestimmten Erkrankung?

Ist es rechtlich zulässig, dass Kassen in den Arztfragebögen teilweise Studien fordern und dieselben dann oft vom MDK nicht anerkannt werden, wenn doch der Arzt laut Gesetz entscheiden kann, ob er die Therapie für sinnvoll hält?

Antwort: Für die Genehmigung nach § 31 Abs 6 SGB V ist die Frage nicht unzulässig, aber die Antwort „Nein“ kann die Ablehnung der Genehmigung nicht (allein) begründen. Die Frage stammt aus der Genehmigung des Off-Label-Uses. Aber um den geht es in § 31 Abs 6 SGB V nicht – bzw. ist es eine gesetzlich gesondert geregelte Kostenübernahme im No-Label-Use, die nach § 31 Abs 6 Nr. 2 SGB V nur verlangt, dass „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.“ Die muss begründet werden. Das kann durch Studien geschehen (ist natürlich am günstigsten), aber eben auch durch andere Gründe (z.B. eine in diesem Sinne erfolgreiche Therapie vor In-Kraft-Treten von § 31 Abs 6 SGB V).

Wann liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor?

Auch wird offenbar die Definition der „schwerwiegenden Erkrankung“ von den Kassen gerne zu Ungunsten der Patienten ausgelegt. So wird meines Wissens das Restless-Legs-Syndrom nicht als schwerwiegende Erkrankung anerkannt. Nicht nur Betroffene wissen, dass hier sehr wohl „eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der chronischen Erkrankung verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist“.

Antwort: Der Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ ist durch den Gesetzgeber nicht definiert. Er wird allerdings in verschiedenen Regelungen verwendet und ist daher ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung von den Gerichten voll überprüfbar ist.

Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass der Bezugsrahmen für den im § 31 Abs 6 SGB V verwendete Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ § 62 SGB V ist. Im Referentenentwurf für das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ des Bundesministeriums für Gesundheit mit Bearbeitungsstand vom 7.1.2016 16:11 Uhr heißt es in Artikel 4:

„Versicherte mit einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung (§ 62 Abs 1 Satz 8) haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten…“

Eine schwerwiegende chronische Krankheit liegt nach § 2 Abs. 2 der „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V“ vor, „ […] wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist […] b) es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 vor)[…] nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder 65 Abs. 2 SGB VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach S. 1 begründet sein muss.“

Hierzu ist anzumerken, dass der Gesetzgeber diese zunächst vorgesehene Regelung in § 31 Abs. 6 SGB V nicht weiter verfolgte, da den Betroffen nicht zugemutet werden sollte, mindestens ein Jahr abzuwarten, bis die entsprechende Medikation indiziert sei.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Begriff schwerwiegende Erkrankung im Kontext des, in vielerlei Hinsicht speziellen, § 31 Abs. 6 SGB V normspezifisch auszulegen ist. § 31 Abs. 6 SGB V trifft speziell in Hinblick auf das Medikament Cannabis eine abweichende Regelung von den für gewöhnlich nach dem SGB V anzulegenden Evidenzanforderungen.

Damit muss in der Auslegung des Begriffs der schwerwiegenden Erkrankung auch auf die spezifische Wirkung von Cannabis als Medizin abgestellt werden. Bei der Behandlung mit Cannabis steht dabei insbesondere die Linderung von Symptomen, welche – wie etwa die Schmerzen eines Antragstellers – die Lebensqualität erheblich einschränken, im Vordergrund.

„Schwerwiegende Erkrankung“ muss daher im Kontext des § 31 Abs. 6 SGB so ausgelegt werden, dass es vor allem um eine Einschränkung der Lebensqualität geht. Medizinisches Cannabis verbessert vordergründig die Lebensqualität der Patientinnen durch Verminderung der Symptome, beispielsweise von Schmerzen oder Appetitlosigkeit (so auch die Homepage des Bundesgesundheitsministeriums: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/c/cannabis/faq-cannabis-als-medizin.html#c1537; abgerufen am 22.04.2017 um 13:00 Uhr.) – damit ist vordergründig auf die Symptome abzustellen.

Dies wird auch durch den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesbegründung deutlich, die eindeutig auf den Nutzen hinsichtlich der Symptome abstellen und nicht, wie insbesondere § 2 Abs 1a SGB V auf eine Heilung der Krankheit bzw. eine Einwirkung auf deren Verlauf (Bundestagsdrucksache 18/8965, S. 21 Abs. 3).

Aus dem Kontext des Gesetzesentwurfes wird zudem deutlich, dass der Gesetzgeber als Zielgruppe insbesondere auch die Patienten im Blick hatte, die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses eine Sondergenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG inne hatten (Vgl.: Ausführungen zu den Kosten in Bundestagsdrucksache 18/8965 „Wird die am 5. April 2016 bestehende Zahl von Ausnahmeerlaubnissen des BfArM für 647 Patientinnen und Patienten zugrunde gelegt, ergäben sich Kosten für die GKV […]“ (S. 16, 5. Abs.); „Für Bürgerinnen und Bürger, die eine medizinische Therapie mit weiteren Cannabisarzneimitteln benötigen, entfällt zukünftig die bisherige eigene Kostentragung für getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte nach Maßgabe der zukünftigen Erstattungsregelungen des SGB V“ (S. 16, 6. Abs.). Diese Gruppe war Ende 2016 auf etwa 1000 Patienten angewachsen, die so unterschiedliche Krankheitsbilder wie schwere chronische Schmerzen, Depression, Darmerkrankungen, Spastiken, das Tourette-Syndrom oder Epilepsien aufwiesen.

Bei der Anhörung des Gesetzentwurfes im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages spielte zudem die Frage der Genehmigung einer Erstverordnung durch die gesetzlichen Krankenkassen eine wichtige Rolle. Einige Experten äußerten die Befürchtung, dass die Gesetzliche Krankenversicherung die Genehmigungserfordernis nutzen könnten, die geplante Regelung zu unterlaufen (vergleiche Wortprotokoll der 87. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 21. September 2016).

Der Gesetzgeber strich die Genehmigungserfordernisse zwar nicht, ergänzte den vorgelegten Wortlaut aber um die Regelung, dass eine ärztlich verordnete Behandlung mit medizinischem Cannabis nur abgelehnt werden darf, wenn ein begründeter Ausnahmefall vorliegt. Nach der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, soll durch den Abs. 6 S. 2 so „[…] die Versorgung von Versicherten mit schwerwiegenden Erkrankungen durch den Anspruch auf Cannabis nach S. 1 verbessert werden. Die Genehmigungsanträge bei der Erstversorgung der Leistung sind daher nur in begründeten Ausnahmefällen von der Krankenkasse abzulehnen. Damit wird auch der Bedeutung der Therapiehoheit des Vertragsarztes oder der Vertragsärztin Rechnung getragen.“ (Bundestagsdrucksache: 18/10902).

Was sind typische rechtliche Formfehler der Kassen? Welche Rechtsmittel sind hier geeignet?

Was sind typische rechtliche Formfehler (Einhaltung von Fristen und Formalitäten) der Kassen und des medizinischen Dienstes, welche das Verfahren für den Patienten rechtlich angreifbar machen? Welche Rechtsmittel sind hier geeignet?

Antwort: Formalitäten geben typischerweise nie Anlass die Entscheidung der Kassen aussichtsreich anzugreifen (der nichtige Verwaltungsakt ist anders als viele meinen, eine absolute Rarität. Selbst fehlende Begründungen können nachgeholt werden).
Anders sieht es mit Fristen aus. Hier ist § 13 Abs 3a SGB V einschlägig (bzw. für SAPV-Patienten: die 3 Tagesfrist aus § 31 Abs 6 SGB V)
§ 13 Abs 3a SGB V sieht vor:

  • Antragseingang + 3 Wochen = Entscheidungsfrist Krankenkasse
  • Eingang von Antrag, über den der MDK befinden muss + 5 Wochen = Entscheidungsfrist Krankenkasse (Versicherter muss über Einholung eines Gutachtens beim MDK informiert werden).
  • Kann die KK eine der Fristen (3 Wochen, 5 Wochen) nicht einhalten muss sie das (vor Ablauf der Frist) mitteilen und Gründe darlegen.
  • Erfolgt keine Mitteilung oder gibt es keine hinreichenden Gründe, gilt die Leistung als genehmigt.

Rechtsfolge: Entweder der Betroffene beschafft sich Cannabismedikamente mit einem Privatrezept in der Apotheke selbst und bekommt Kosten erstattet oder die Krankenkasse muss die Sachleistung erbringen. Das muss dann aber in der Regel in einem gesonderten Verfahren eingeklagt werden. (z.B. BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R ; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. März 2017 – L 5 KR 141/17 ER –; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. März 2017 – L 5 KR 277/16 => beim BSG anhängig)

Wann ist die Einschaltung des MDK zulässig?

Im Gesetz steht eine Frist von 3 Wochen und 5 Wochen mit MDK. Ich würde gerne klären lassen, ob für Ausnahmegenehmigungsinhaber die Einschaltung des MDK überhaupt zulässig ist. Die Ärzte der BfArM haben ja zuvor schon nach viel engeren Gesichtspunkten geprüft, ob der Ausnahmegenehmigungsinhaber berechtigt ist. Somit wäre fraglich, ob die Kasse ohne Angabe eines triftigen Grundes (also z.B. widersprüchliche Dokumente, die im Genehmigungsverfahren eingereicht wurden) überhaupt den MDK einschalten muss oder sie hierbei schon den Ermessensspielraum außeracht lässt. Die Kasse soll darüber hinaus nach § 31 Abs. 6 nur im Ausnahmefall ablehnen dürfen. Die Frage ist, ab wann die Einschaltung des MDK überhaupt notwendig ist.

Antwort: Die Einschaltung des MDK ist in § 275 SGB V geregelt. Grundsätzlich kann die Krankenkasse den MDK einschalten, wenn sie es für sinnvoll hält. Dagegen können sich Versicherte nicht wehren. Allerdings kann man anbringen, dass die Einschaltung des MDK anders als die Krankenkasse behauptet, in Fällen des § 31 Abs 6 SGB V nicht zwingend erforderlich ist. Es handelt sich nicht um einen Fall des § 275 Abs 2 MDK (dort sind Fälle geregelt in denen der MDK eingeschaltet werden muss).

Frage: Auch wäre interessant zu wissen ob die bloße Einschaltung des MDK (ohne Nennung warum der MDK überhaupt eingeschaltet wurde) überhaupt ein triftiger Grund ist um die 3-Wochenfrist zu überschreiten oder die Kasse die Einschaltung des MDK in Hinblick auf § 13 Abs. 3a SGB V Ihre Bedenken nicht ein wenig genauer gegenüber den Antragsteller äußern müsste. Also die dem Antragsteller die Grundlage warum der MDK eingeschaltet wurde, hätte mitteilen müssen.

Antwort: Die Krankenkasse muss nicht begründen, warum sie den MDK einschaltet. Der Hinweis auf Einschaltung des MDK reicht aus.

Soll der Antrag auf Eigenanbau aufrechterhalten werden?

Derzeit frage ich mich, wie Ihr mit der Forderung des BfArM, den Antrag auf Eigenanbau zurück zu ziehen umgeht? Nachdem sich meine Arztsuche (Kassenarzt) als sehr schwierig gestaltet, möchte ich mich über den Anbau weiter selbst versorgen. Es erscheint mir als nicht sinnvoll, den Antrag zurück zu ziehen, da er mir als Nachweis meiner Bemühungen zur legalen Versorgung dient. Parallel sammele ich schriftliche Absagen, bezüglich der Behandlung mit Cannabis, von den ablehnenden Ärzten. Einen Antrag auf Kostenübernahme habe ich ebenfalls bei der BKK Daimler gestellt (MDK wurde eingeschaltet). Sie bestehen auf einen Kassenarzt und dessen Begleitung bzw. ein neues Attest. Ich habe das alte Attest (an die BfArM) von Dr. Grotenhermen (2013) eingereicht, einen formlosen Antrag gestellt und die Ausnahmegenehmigung eingereicht.
Antwort seitens BKK auf meinen Widerspruch zum benötigten Kassenarzt steht noch aus. Dr. Grotenhermen hat mir geraten den Widerspruch damit zu belegen, dass ich der Antragsteller bin und nicht zwingend einen Kassenarzt für die Sache brauche. Ist dies ausreichend?

Antwort: Den Antrag auf Eigenanbau nicht zurückzuziehen, wenn keine Alternativversorgung da ist, kann sinnvoll sein. Aber meines Erachtens bringt es eher wenig bis nichts, denn die Rechtslage hat sich durch die Einführung von § 31 Abs 6 SGB V geändert und man braucht deswegen eigentlich ein neues Verfahren. In dem kann es schwierig sein, wenn es keinen Kassenarzt gibt, der Cannabis verschreibt (siehe Szenarien oben).
Kostenübernahme durch Kasse braucht ein Kassenrezept. Ob man zwingend einen Kassenarzt braucht, um die Genehmigung für die Kostenübernahme zu erhalten, die der Kostenübernahme für das Rezept vorgeschaltet ist, klärt das Gesetz nicht ausdrücklich. Grundsätzlich sollte es nicht ausgeschlossen sein, denn ob die Voraussetzungen für die Genehmigung der Cannabis-Verordnung vorliegen, kann natürlich auch ein Arzt klären, der nicht Vertragsarzt ist. Aber darüber könnten die Krankenkassen eventuell streiten, und wie es Sozialgerichte beurteilen, erscheint mir unsicher. Deswegen ist es vorzugswürdig und an sich sinnvoll von vornherein zu versuchen, einen Kassenarzt dabei zu haben.

Was bedeutet Übertragbarkeit der Genehmigung für verschiedene cannabisbasierte Medikamente und Blüten?

„Dronabinol ist ein anderer Name für THC und ist in Cannabisblüten enthalten. Wird Dronabinol beantragt und genehmigt, kann wahlweise Dronabinol (Tropfen, Kapseln etc.) ODER Cannabisblüten verschrieben werden.“ Richtig oder Falsch?

Antwort: Meines Erachtens falsch. Dronabinol ist ein Rezeptur-Arzneimittel. Cannabisblüten sind Cannabisblüten. Da sich die Krankenkassen zudem vor allem gegen die Blüten-Verschreibungen wenden, ist es besonders kritisch wenn ein Dronabinol-Rezept in ein Cannabisblüten-Rezept umgedeutet wird. Meines Erachtens wird auch der Apotheker das nicht mitmachen.

Was muss ich tun, wenn ich von einer Genehmigungsfiktion ausgehe?

Antwort: Entweder zur Apotheke gehen, das Rezept einreichen und Cannabis bekommen. (Problemlos)
Wenn das nicht klappt: Privatrezept besorgen: Cannabis kaufen. Einreichen und Erstattung verlangen. Das ist aber immer ein gewisses Risiko (wurden die Fristen richtig berechnet?)
Bei der Krankenkasse Sachleistung beantragen unter Verweis auf Genehmigungsfiktion (und die entsprechenden Urteile, die man auch als ständige Rechtsprechung bezeichnen kann: BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R ; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. März 2017 – L 5 KR 141/17 ER. Gegen eine evtl. erfolgende Ablehnung klagen. (Sicher, aber aufwändig und zeitraubend)

Kann ich aus diesem Formfehler eine Genehmigungsfiktion ableiten?

Formfehler – Im Betreff des ablehnenden Bescheids steht: „Ihr Antrag auf Kostenübernahme für cannabishaltige Medikamente vom 15.03.2017.“ Mein Antrag war aber vom 17.02.2017. Ist dieser Bescheid rechtlich wirksam und beginnen damit Fristen zu laufen, wie z.B. die Widerspruchsfrist? Kann ich aus diesem Formfehler eine Genehmigungsfiktion ableiten?

Antwort: Schwer zu sagen: Ist es ein Schreibfehler (dann nein), oder geht die Gegnerin vom einem anderen Antrag aus (dann ja). Grundsätzlich eher: Nein. Das „Ja“ anzunehmen birgt jedenfalls ein hohes Risiko in sich. Wenn man zu Unrecht annimmt, die Genehmigungsfiktion sei eingetreten, steht man am Ende mit etwas Pech ohne Medikament da oder mit Kosten, die man doch selbst bezahlen muss.

Von welchen Ärzten dürfen cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden?

Hinsichtlich der zur Verordnung berechtigten Facharztgruppen sieht das Gesetz keine Einschränkungen vor. Eine entsprechende Verordnung kann somit durch alle Vertragsärzte erfolgen.

Für welche Patienten dürfen zukünftig cannabishaltige Arzneimittel der GKV verordnet werden?

Seit dem 10. März 2017 können Ärzte cannabishaltige Arzneimittel für Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung verordnen. Für GKV-Versicherte besteht damit ein gesetzlicher Anspruch.

§ 31 Abs. 6 SGB V legt hierfür als Voraussetzungen fest, dass

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a) nicht zur Verfügung steht oder

b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelndenVertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
(Auszug § 31 Abs. 6 SGB V)

Welche Erkrankungen als „schwerwiegende Erkrankung“ zu bewerten sind, wird weder im
Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung näher ausgeführt. In anderen Kontexten des
SGB V wird eine Krankheit jedoch dann als schwerwiegend verstanden, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.(vgl. § 34 Abs. 1 SGB V und § 35 Abs. 2 SGB V).

Eine Eingrenzung der Indikationsgebiete enthält das Gesetz in § 31 Abs. 6 SGB V nicht. Siehe hierzu auch „Bei welchen Indikationen dürfen cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden?

Bei welchen Indikationen dürfen cannabishaltige Arzneimittel verordnet werden?

Das Gesetz macht keine Vorgaben zu den für eine Verordnung zugelassenen Indikationen. Zu den Voraussetzungen für eine Verordnung bei einer schwerwiegenden Erkrankung siehe Frage 1 und 2.

Entwicklung einer G-BA-Richtlinie auf Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung durch das BfArM

Da für viele Krankheitsbilder noch keine ausreichenden Forschungsergebnisse zum Nutzen und zur Wirkung einer Behandlung mit cannabishaltigen Arzneimitteln vorliegen, führt das BfArM über einen Zeitraum von 60 Monaten eine nicht interventionelle wissenschaftliche Begleiterhebung der von den Krankenkassen genehmigten Behandlungen durch (§ 36 Abs. 6 Satz 4 SGB V).
Mit Hilfe der anhand der Begleiterhebung gewonnenen Daten wird das BfArM einen Studienbericht erstellen, auf dessen Grundlage der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) anschließend innerhalb von sechs Monaten in einer Richtlinie das Nähere zur Leistungsgewährung regeln wird (§ 36 Abs. 6 Satz 8 SGB V). Dies wird somit erst 2022 der
Fall sein.

Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu relevanten Indikationsgebieten
Nach einer Recherche der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) liegen für Cannabisarzneimittel akzeptable wissenschaftliche Erkenntnisse bislang nur für die begleitende Behandlung von Spastiken, Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika sowie chronische Schmerzen vor. Eine mögliche Wirksamkeit wird zudem in der Literatur für Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei HIV-AIDS, Schizophrenie, Morbus Parkinson, Tourette-Syndrom, Epilepsie, Kopfschmerzen sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen diskutiert.

https://www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20160114.pdf

Eine von Whiting et al.4 durchgeführte Meta-Analyse von 79 Studien zum Thema ergab eine moderate Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden zur Behandlung von chronischen Schmerzen und Spastiken. Eine geringere Evidenz zeigte sich für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Kontext von Chemotherapien, von Gewichtsverlust bei HIVInfektion, von Schlafstörungen und für die Behandlung des Tourette-Syndroms.

Eine ausführliche Übersichtsarbeit5 der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine stellt dar, dass eine gute Evidenz für eine therapeutische Wirksamkeit von Cannabinoiden in folgenden Indikationen vorliegt: die Behandlung chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, von Spastik bei Multipler Sklerose und für die antiemetische Therapie von Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika. Mäßig oder wenig Evidenz liegt vor u. a. für die Behandlung von Schlafstörungen in bestimmten Situationen, Gewichtsverlust bei HIV/AIDS und Symptomen des Tourette-Syndroms.

Die bisherigen Ausnahmegenehmigungen für eine Behandlung mit Cannabis nach § 3 Abs. 2 BtMG (siehe hierzu Frage 15) wurde vom BfArM vorrangig bei folgenden Indikationen erteilt:

  • Schmerz (ca. 57 %)
  • ADHS (ca. 14 %)
  • Spastik (unterschiedlicher Genese) (ca. 10 %)
  • Depression (ca. 7 %)
  • Inappetenz/Kachexie (ca. 5 %)
  • Tourette-Syndrom (ca. 4 %)
  • Darmerkrankungen (ca. 3 %)
  • Epilepsie (ca. 2 %)
  • Sonstige Psychiatrie (ca. 2 %)

Quelle:Deutscher Bundestag (27.03.2017): Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 18/11701, Cannabismedizin und Straßenverkehr, S. 3 Weitere mögliche Indikationen werden von Müller-Vahl und Grotenhermen in ihrem Artikel „Medizinisches Cannabis – Die wichtigsten Änderungen“ (DÄBl. Jg. 114 Heft 8 24. Februar 2017, A354) genannt. 4 Whiting PF et al. (2015): Cannabinoids for Medical Use ‐ A Systematic Review and Meta‐analysis. In: JAMA 2015;313(24):2456‐2473. doi:10.1001/jama.2015.6358 5 National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (2017): The health effects of cannabis and cannabinoids: https://www.nap.edu/catalog/24625/the‐health‐effects‐of‐cannabis‐and‐cannabinoids‐thecurrent‐state 9

Hinsichtlich der Indikationen ist darauf hinzuweisen, dass cannabinoidhaltige Arzneimittel ausschließlich symptomatisch wirken und für sie bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich eines therapeutischen Nutzens für die Behandlung der jeweiligen Primärerkrankung vorliegen.

Zu berücksichtigende Kontraindikationen
Für die bislang zugelassenen cannabinoidhaltigen Fertigarzneimittel werden in den Fachinformationen folgende Kontraindikationen genannt:

  • Sativex®:
    ist kontraindiziert bei Patienten mit einer Allergie gegen Cannabisextrakte oder gegen sonstige Bestandteile des Arzneimittels (Ethanol, Propylenglycol und Pfefferminzöl), einer bekannten oder vermuteten Anamnese oder Familienanamnese von Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Krankheit, Anamnese von einer schweren Persönlichkeitsstörung oder einer anderen erheblichen psychiatrischen Störung mit Ausnahme von einer Depression in Folge von MS und bei Stillenden.
  • Vorsicht gilt außerdem bei Kindern oder Jugendlichen unter 18 Jahren, Schwangeren, älteren Menschen, Patienten mit erheblicher Leber- oder Nierenfunktionsstörung, Patienten mit Epilepsie oder regelmäßigen Anfällen, Patienten mit schwerer Herzerkrankung wie Angina Pectoris und bei Patienten, die früher Drogen oder Suchtmittel konsumiert haben.

Canemes®:

  • ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Cannabinoide, bei Kindern oder Jugendlichen unter 18 Jahren, bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen, bei psychischen Erkrankungen einschließlich manisch-depressiver Erkrankungen und Depressionen und bei Stillenden.
  • Vorsicht ist darüber hinaus bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, mit Suchtmittel- oder Medikamentenmissbrauch einschließlich Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit, bei älteren Patienten und Patienten mit Hypertonie und Herzerkrankungen geboten.

Müller-Vahl und Grotenhermen (2017)8 weisen auf folgende mögliche Kontraindikationen hin:
„Cannabis sollte bei Bestehen einer schweren Persönlichkeitsstörung, Psychose und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schwangeren und stillenden Müttern nicht verordnet werden. Wegen fehlender Daten sollte die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (vor der Pubertät) sehr sorgfältig abgewogen werden. Besonders bei älteren Patienten können stärkere zentralnervöse und kardiovaskuläre Nebenwirkungen
auftreten.“

https://www.gelbe‐liste.de/produkte/sativex‐spray‐zur‐anwendung‐in‐dermundhoehle_
534377/fachinformation https://www.gelbe‐liste.de/produkte/canemes‐1‐mg‐kapseln_976309/fachinformation 8 Müller‐Vahl, K.; Grotenhermen, F. (2017): Medizinisches Cannabis, Die wichtigsten Änderungen, in: Dtsch Arztebl, 2017, 114(8): A 352–6

Welche cannabishaltigen Arzneimittel dürfen verordnet werden?

Das sogenannte „Cannabis-Gesetz“ (Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften) umfasst die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon (§ 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V).

Welche besonderen Pflichten bestehen für den verordnenden Arzt?

Datenübermittlungspflicht
Der verordnende Arzt ist verpflichtet, die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in anonymisierter Form zu übermitteln (§ 31 Abs. 6 Satz 5 SGB V, § 4 Abs. 2 Cannabis-Begleiterhebungs-Verordnung –CanBV).

Der Arzt hat den Erhebungsbogen elektronisch auszufüllen und gemäß § 4 Abs. 2 CanBV an das BfArM zu übermitteln, wenn:

  1. nach Beginn der Therapie mit der durch die Krankenkasse nach § 31 Absatz 6 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genehmigten Leistung ein Jahr vergangen ist oder
  2. die Therapie mit der genehmigten Leistung vor Ablauf eines Jahres beendet wurde.

(Auszug aus § 4 Abs. 2 CanBV)
Informationspflicht gegenüber dem Patienten
Gemäß § 3 Cannabis-Begleiterhebungs-Verordnung muss der Arzt den Versicherten vor der ersten Verordnung in einem persönlichen Gespräch über die Begleiterhebung und das vom BfArM vorgesehene Verfahren der anonymisierten Datenübermittlung informieren (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 CanBV).

Das BfArM hat hierzu ein Informationsblatt erstellt, das dem Patienten auszuhändigen ist (§ 3 Abs. 2 CanBV): https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Infoblatt_Patienten.pdf?__blob=publicationFile&v=3)

Bestehen weitere Informationspflichten gegenüber dem Patienten?

Ferner ist er verpflichtet, den Versicherten über die im Rahmen der Begleiterhebung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form zu übermittelnden Daten zu informieren (§ 31 Abs. 6 Satz 5 SGB V). Gemäß § 1 Cannabis-Begleiterhebungs-Verordnung (CanBV) sind folgende Daten an das BfArM zu übermitteln:

  1. Alter zum Zeitpunkt des Therapiebeginns und Geschlecht der oder des Versicherten,
  2. Diagnose gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10, die die Verordnung der Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch begründet, sowie alle weiteren Diagnosen gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10,
  3. Dauer der Erkrankung oder Symptomatik, die die Verordnung der Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch begründet,
  4. Angaben zu vorherigen Therapien, einschließlich der Beendigungsgründe wie
    mangelnder Therapieerfolg, unverhältnismäßige Nebenwirkungen, Kontraindikation, Angaben, ob eine Erlaubnis nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabis vorlag und ob von dieser Erlaubnis Gebrauch gemacht wurde,
  5. Fachrichtung der verordnenden Vertragsärztin oder des verordnenden Vertragsarztes,
  6. genaue Bezeichnung der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
  7. Dosierung, einschließlich Dosisanpassungen, und Art der Anwendung der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
  8. Therapiedauer mit der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften
    Buches Sozialgesetzbuch,
  9. Angabe parallel verordneter Leistungen wie Arzneimittel nach Wirkstoffen oder physikalische Therapien,
  10. Auswirkung der Therapie auf den Krankheits- oder Symptomverlauf,
  11. Angaben zu Nebenwirkungen, die während der Therapie mit verordneten Leistungen nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch auftraten,
  12. gegebenenfalls Angabe von Gründen, die zur Beendigung der Therapie geführt haben,
  13. Angaben zur Entwicklung der Lebensqualität der oder des Versicherten. Ein entsprechender Erhebungsbogen, der vom BfArM elektronisch zur Verfügung gestellt wird, kann über https://www.begleiterhebung.de/aufgerufen werden).

 

Ist eine Umstellung z.B. auf Tilray 10:10 oder analoge CBD-betonte Blüten eine vertretbare Sache aus neurologischer Sicht?

Es geht um eine Patientin Jahrgang 40 mit chronischem Schmerzsyndrom, die sehr gut auf Dronabinol anspricht und darunter seit fast 5 Monaten opiatfrei ist. Nun letzte Woche erstmaliger komplex-fokaler epileptischer Anfall, die Neurologie vermutet Zusammenhang mit Dronabinol und empfiehlt konsequentes Absetzen. Gibt es Erfahrung bzgl. eines proepileptogenen Potentials von THC mono?

Ist eine Umstellung z.B. auf Tilray 10:10 oder analoge CBD-betonte Blüten eine vertretbare Sache aus neurologischer Sicht?

Antwort: In einigen tierexperimentellen Modellen für Epilepsie wurden in den siebziger und achtziger Jahren für THC pro-epileptogene nachgewiesen. Siehe z.B. hier:

  • https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/113206
  • https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6278353

in den letzten Jahren ist es dazu ruhig geworden, weil diese Effekte beim Menschen nicht beobachtet wurden.

Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass es in Einzelfällen auch entsprechende Wirkungen bei Menschen gibt. Daher herzlichen Dank für die Mitteilung dieses Falles!

Eine Umstellung auf CBD-Extrakte oder reines CBD ist sicherlich sinnvoll. Allerdings gibt es dann das Kostenproblem. Bei CBD braucht man vergleichsweise hohe Dosen. Bei Kindern wurden in klinischen Studien 5-25 mg/kg (bis 50 mg/kg) Körpergewicht verwendet. Man ist also schnell bei Tagesdosen von 500 mg und mehr.

Patient, 80 Jahre mit Harnblasen-CA, Schmerzen, ausgezehrt und starker Erschöpfung. Welches Produkt könnte Ihm gut helfen?

Antwort: THC wirkt appetitsteigendend, während CBD den appetitsteigenden Wirkungen des THC entgegenwirkt.

Sie können also reines THC/Dronabinol als Tropflösung einsetzen oder Cannabisblüten. In meiner Praxis würdeich am ehesten aus Kostengründen 5 g einer THC-reichen Cannabissorte verordnen (Bedrocan, Bedrobinol). Das kostet etwa 100 €.

Einfacher zu handhaben ist sicherlich eine Dronabinol-Lösung, beispielsweise 10 ml einer 2,5-prozentigen Lösung. Kostet etwa 220 €.

Hier einige Muster Dosierungsanleitungen:

Gibt es eine mögliche Interaktion zwischen Clopidogrel und CBD?

Ich habe einen Patienten mit M. Crohn und KHK mit Stentimplantation bei stabiler AP vor 5 Jahren. Wegen ASS Unverträglichkeit hat er zur weiteren CV Prävention Clopidogrel bekommen. Zusätzlich hat der Patient eine Selbstbehandlung mit CBD gegen den Crohn angefangen.

Nun gibt es eine mögliche Interaktion zwischen Clopidogrel und CBD, da beide über CYP2C19 verstoffwechselt werden. Clopidogrel wird darüber in den aktiven Metaboliten überführt. Deshalb könnte CBD zu einer geringeren Wirksamkeit von Clopidogrel führen.

Gibt es diesbezüglich Empfehlungen oder ist diese Interaktion klinisch nicht relevant?

Antwort: Was Sie beschreiben, ist grundsätzlich richtig. Angehängt ein Auszug aus: Grotenhermen/Häußermann: Cannabis-Verordnungshilfe Ärzte. Unten ein Auszug aus meinem Büchlein zu CBD. Daher gibt es ja auch die möglichen Wechselwirkungen zwischen Clopidogrel und Protonenpumpenhemmern. Das wird dann meistens als (Vermutlich) klinisch nicht relevant eingestuft. Ich gehe davon aus, dass die klinische Relevanz bei CBD von der CBD-Dosis abhängt. Das wird ja teilweise sehr hoch dosiert.

Ich kenne mich mit Clopidogrel nicht so gut aus. Kann man da Blutspiegel des Metaboliten bestimmen?

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

CBD muss zur Wirksamkeit oft in hohen Dosen verabreicht werden. Es wird in der Leber abgebaut. Dort hemmt es die Aktivität von Enzymen, die für den Abbau verschiedener Medikamente verantwortlich sind. Zu diesen Enzymen zählen CYP2C19, CYP2D6 und CYP3A4. Medikamente, die durch das CYP2C19-Enzym abgebaut werden, könnten langsamer abgebaut werden und stärker wirken, wenn sie zusammen mit CBD eingenommen werden (Jiang et al. 2013). Zu diesen Medikamenten zählt der Säurehemmer Pantoprazol sowie das Antiepileptikum Clobazam (Frisium). Es hemmt auch die Aktivität des Enzyms CYP2D6, sodass Medikamente, die dieses Enzym benötigen, langsamer abgebaut werden und stärker wirken. Dazu zählen die Säurehemmer Omeprazol sowie das Neuroleptikum Risperidon (Risperdal) Es ist bei der Einnahme großer Mengen von CBD daher Vorsicht angesagt, wenn die Substanz zusammen mit bestimmten anderen Medikamenten eingenommen wird.

Eine Anzahl von Medikamenten, wie Ketoconazol, Itraconazol, Ritonavir und Clarithromycin hemmen dieses Enzym, was zu einem verlangsamten Abbau von CBD führen kann und damit zu höheren Konzentrationen (DAC-Monographie zu Cannabidiol 2015). Auf der anderen Seite beschleunigen andere Medikamente wie Phenobarbital, Rifampicin, Carbamazepin und Phenytoin die Aktivität des CYP3A4-Enzyms, sodass CBD schneller abgebaut wird.

Ärzte am Allgemeinen Krankenhaus von Massachusetts (USA) behandelten 13 Kinder mit therapieresistenter Epilepsie mit CBD zusätzlich zu Clobazam und fanden erhöhte Blutspiegel des Letzteren (Geffrey et al. 2015). Die mittlere Zunahme der Clobazam-Spiegel nach vierwöchiger Behandlung betrug 60 %, mit einer großen Variation. Manchmal waren die Clobazam-Spiegel deutlich stärker erhöht.

In einer offenen Studie an der Universität von Alabama in Birmingham (USA) mit 39 Erwachsenen und 42 Kindern erhöhte eine Epilepsiebehandlung mit CBD die Blutspiegel von Topiramat, Rufinamid und N-Methylclobazam und senkte im Gegensatz zur Studie von Geffrey et al. (2005) die Spiegel von Clobazam (Gaston et al. 2017). Die Wirkung hing von der CBD-Dosis ab. Eine Zunahme der Blutspiegel von Zonisamid und Eslicarbazepin wurde bei steigenden CBD-Dosen bei Erwachsenen beobachtet. Mit Ausnahme der Spiegel für Clobazam und Desmethylclobazam bewegten sich alle beobachteten Spiegel innerhalb des akzeptierten therapeutischen Rahmens.

Erfahrung mit der Therapie von ALS im fortgeschritten Stadium mit Cannabis.

Hat jemand von Ihnen Erfahrung mit der Therapie von ALS im fortgeschritten Stadium mit Cannabis. Der Patient musste bereits in Phasen beatmet werden, allerdings verursacht durch eine Pneumonie. Durch die Schwere des Verlaufs wurde jetzt die Diagnose ALS gestellt. Die Tochter hat bereits von sich aus 18% CBD in Tropfenform verabreicht und hatte den Eindruck, dass ihm dies gut getan hatte (erst wenige Tage). Persönlich kenne ich den Patienten noch nicht. Die Tochter fragte an, ob ich bereit wäre, Ihren Vater mit einer Cannabistherapie zu begleiten.

Antwort: Es gibt leider bisher nur einen Fallbericht (von einem Kollegen aus Wien):

  • https://www.cannabis-med.org/german/bulletin/ww_de_db_cannabis_artikel.php?id=516#4

Ansonsten gibt es nur Grundlagenforschung:

  • https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27714895

CBD fällt allerdings nicht unter die Erstattungspflicht nach § 31 Abs. 6 SGB V. Das gilt nur für THC- und Nabilon-haltige Präparate. CBD-Extrakte aus Faserhanf sind die günstigste Methode zur Einnahme von CBD. CBD aus der Apotheke ist leider recht teuer.

Was ist bei der Dosierung von cannabishaltigen Arzneimitteln zu beachten?
Welche Daten müssen vom verordnenden Arzt im Rahmen der Begleiterhebung an das BfArM übermittelt werden?

Im Rahmen der Begleiterhebung müssen Ärzte ein Jahr nach der Genehmigung der entsprechenden Therapie durch die gesetzliche Krankenkasse bzw. nach vorheriger Beendigung der Therapie definierte Behandlungsdaten in anonymisierter Form an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übermitteln. Für die Übermittlung der Daten zur Begleiterhebung hat das BfArM ein Onlineportal eingerichtet:

https://www.begleiterhebung.de/

Den Umfang der zu erhebenden und zu übermittelnden Daten und den genauen Ablauf der Begleiterhebung regelt die zugehörige Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (Cannabis-Begleiterhebungs-Verordnung – CanBV).

Nach dieser sind dem BfArM folgende Daten zu übermitteln (§ 1 CanBV):

  1. Alter zum Zeitpunkt des Therapiebeginns und Geschlecht der oder des Versicherten,
  2. Diagnose gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10, die die Verordnung der Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch begründet, sowie alle weiteren Diagnosen gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10,
  3. Dauer der Erkrankung oder Symptomatik, die die Verordnung der Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch begründet,
  4. Angaben zu vorherigen Therapien, einschließlich der Beendigungsgründe wie mangelnder Therapieerfolg, unverhältnismäßige Nebenwirkungen, Kontraindikation,
  5. Angaben, ob eine Erlaubnis nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabis vorlag und ob von dieser Erlaubnis Gebrauch gemacht wurde,
  6. Fachrichtung der verordnenden Vertragsärztin oder des verordnenden Vertragsarztes,
  7. genaue Bezeichnung der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
  8. Dosierung, einschließlich Dosisanpassungen, und Art der Anwendung der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
  9. Therapiedauer mit der verordneten Leistung nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
  10. Angabe parallel verordneter Leistungen wie Arzneimittel nach Wirkstoffen oder physikalische Therapien,
  11. Auswirkung der Therapie auf den Krankheits- oder Symptomverlauf,
  12. Angaben zu Nebenwirkungen, die während der Therapie mit verordneten Leistungen
    nach § 31 Absatz 6 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch auftraten,
  13. gegebenenfalls Angabe von Gründen, die zur Beendigung der Therapie geführt
    haben,
  14. Angaben zur Entwicklung der Lebensqualität der oder des Versicherten.

Ein Wechsel des Arzneimittels (z. B. von Cannabisblüten hin zu Dronabinol) gilt als neue Therapie, für die erneut ein Datenerhebungssatz auszufüllen und an das BfArM zu übermitteln ist (§ 4 Abs. 3 CanBV). Für eine Änderung der Dosierung oder der Cannabisblütenart trifft dies hingegen nicht zu.

Das BfArM wird nach Abschluss der Begleiterhebung einen Studienbericht erstellen, auf dessen Grundlage der Gemeinsame Bundesausschuss anschließend in einer Richtlinie das Nähere zur Leistungsgewährung regeln wird.

Welche Einnahmearten sind möglich?

Cannabis kann im Allgemeinen inhaliert oder oral aufgenommen werden. Die Einnahmeart ist für die Dosierung zu berücksichtigen. „Welche Einnahmeart günstiger ist, hängt vom Wunsch des Patienten, der Indikation und gegebenenfalls zu berücksichtigende
Begleiterkrankungen ab. In Einzelfällen kann auch eine kombinierte orale und inhalative Einnahme sinnvoll sein.“ (Müller-Vahl und Grotenhermen 2017)13

Cannabisblüten:
Die Inhaltsstoffe der Cannabisblüten können über spezielle Vaporisatoren inhaliert werden. Weniger effizient ist die Zubereitung als Tee. Die Verordnung eines Vaporisators und eines Dosierlöffels ist bislang noch nicht geklärt, so dass hierfür ein entsprechender
Einzelfallantrag bei der Krankenkasse gestellt werden muss.

Das Verbacken in Gebäck ist laut BfArM15 möglich, allerdings ist eine Therapie mit den Produkten schwer steuerbar, dadurch dass beim Einbacken die Dosis pro Anwendung nicht reproduziert werden kann (KBV 2017)16. Insofern kann diese Anwendung aus Aspekten der Arzneimitteltherapiesicherheit nicht empfohlen werden.

Die Inhalation nach Verbrennung als Joint kann wegen möglicher Gesundheitsschäden nicht empfohlen werden (vgl. BfArM 2017).

Cannabisextrakte:
Cannabisextrakte stehen zur oralen Anwendung zur Verfügung.

  • Die Ölige Cannabisölharz-Lösung 25 mg/ml Dronabinol NRF 22.11. ist peroral
    einzunehmen und sollte nicht verdampft und inhaliert werden.

Zubereitungen von Dronabinol:
Zubereitungen von Dronabinol können als Ethanolische Dronabinol-Lösung 10 mg/ml (NRF 22.16.) inhaliert werden, oder sind peroral als Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg (NRF 22.7.) und Ölige Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml (NRF 22.8.) einzunehmen.
13 Müller‐Vahl, K.; Grotenhermen, F. (2017): Medizinisches Cannabis, Die wichtigsten Änderungen, in: Dtsch Arztebl, 2017, 114(8): A 352–6 14 Die KBV (KBV (Hrsg.) (2017): Informationen an die Pharmakotherapieberater der KVen, S. 7, Stand 09.03.2017) weist darauf hin, dass durch die schlechte Wasserlöslichkeit der Cannabinoide und der bei 100°C nur langsam verlaufenden Decarboxylierung (und damit Überführung in die pharmakologisch wirksame Form) die Ausbeute an THC nur ca. 5 %. beträgt.
15 BfArM (2017): Cannabis als Medizin, Hinweise für Ärzte, https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/Hinweise_Aerzte/_node.html, Zugriff: 20.03.2017 16 KBV (Hrsg.) (2017): Informationen an die Pharmakotherapieberater der KVen, S. 7, Stand 09.03.2017

Welche Höchstmengen sind für eine Verordnung von cannabishaltigen Arzneimitteln zu beachten?
Wie ist das BtM-Rezept bei einer Verordnung von cannabishaltigen Arzneimitteln auszufüllen?
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