Presseschau: Thema der Woche: Cannabis auf Rezept (Aponet)

Aponet informierte seine Leserinnen und Leser sehr ausführlich über die einzelnen Änderungen, die das neue Gesetz mit sich bringt.

Thema der Woche: Cannabis auf Rezept

Schwer kranke Menschen erhalten künftig medizinisches Cannabis auf Kassenrezept. Der Bundesrat gab am Freitag grünes Licht für einen entsprechenden Gesetzesentwurf, den der Bundestag im Januar verabschiedet hatte. Wer profitiert davon, wann tritt das Gesetz in Kraft und welcher Arzt darf ein solches Rezept ausstellen? Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Thema Cannabis als Kassenleistung lesen Sie im aktuellen Thema der Woche.

Welche Folgen hat die aktuelle Gesetzesänderung?
Die Gesetzesänderung betrifft die Verwendung von Cannabisblüten und Cannabisextrakten in standardisierter Qualität ausschließlich zu medizinischen Zwecken. Ziel ist es, schwer kranken Patienten den Zugang zu Cannabis zu erleichtern. Bislang brauchten Patienten in Deutschland dafür eine Ausnahmeerlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Zudem musste das Medikament selbst gezahlt werden. Mit der Gesetzesänderung können Ärzte ihren Patienten Cannabis wie andere Medikamente verordnen. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen.

Ab wann wird man Cannabis auf Rezept bekommen?
Die Gesetzesänderung ist bereits beschlossen. Alle Änderungen sind online einsehbar. In Kraft tritt das neue Gesetz am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Dieser Zeitpunkt ist aber aktuell leider noch nicht absehbar.

Wer darf ein Rezept ausstellen? Muss man zu einem Spezialisten oder reicht der Hausarzt?
Grundsätzlich darf jeder Arzt Cannabis verordnen, sofern er am Betäubungsmittelverkehr teilnimmt. Das Verordnen von Cannabisblüten durch einen Tierarzt oder Zahnarzt ist nicht erlaubt.

Wie viel kostet es den Patienten?
Ziel dieses Gesetzes ist es, dass jene Patienten, die auf eine Cannabis-Therapie angewiesen sind, die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet bekommen. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse muss vor jedem Therapiebeginn genehmigt werden. Ablehnen darf die Krankenkasse die Kostenübernahme aber nur „in begründeten Ausnahmefällen“ und muss diese Entscheidung detailliert belegen. Die Kassen haben zudem künftig nur drei Tage Zeit, um zu entscheiden, ob ein Versicherter Cannabis erhalten darf oder nicht.

Bei welchen Erkrankungen kann der Arzt Cannabis verordnen?
Cannabis und seine daraus abgeleiteten Zubereitungen werden vorrangig eingesetzt bei chronischen oder neuropathischen Schmerzen, schmerzhaften spastischen Lähmungen bei Multipler Sklerose oder Querschnittlähmung, bei Chemotherapie-induziertem Erbrechen, bei Appetitlosigkeit von HIV-/AIDS-Patienten sowie bei Epilepsien. Zu beachten ist, dass der Einsatz von Cannabis nur dann erfolgen soll, wenn im entsprechenden Einzelfall keine andere zielführende Therapie zur Verfügung steht. Außerdem muss Aussicht auf eine Besserung des Krankheitsgeschehens oder der Symptomatik bestehen. Die mit Cannabis therapierten Patienten müssen sich darüber hinaus verpflichten, an einer anonymen Begleiterhebung teilzunehmen. Dabei werden durch den Arzt bekannte Daten wie Diagnose, Therapie, Dosis und Nebenwirkungen dokumentiert und an das BfArM übermittelt.

Gibt es Höchstmengen für die Verschreibung von Cannabis?
Wie bei allen anderen Betäubungsmitteln ist auch für die Verordnung von Cannabisblüten eine Höchstmenge in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung vorgesehen. In diesem Fall liegt die Höchstmenge bei 100 Gramm pro Monat und Patient.

Wie wirkt Cannabis?
Die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe sind die Cannabinoide, die ihre Wirkung über eigene Rezeptoren im Körper vermitteln. Cannabis-Wirkstoffe wie Tetrahydrocannabinol (THC) oder Cannabidiol (CBD) docken im Körper an die beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 an. CB1-Rezeptoren finden sich vorwiegend im Zentralnervensystem, während CB2-Rezeptoren hauptsächlich auf Immunzellen zu finden sind. THC ist eine psychoaktive Substanz, die in das zentrale Nervensystem eingreift und damit Sinneseindrücke verändert. CBD hat keinen psychoaktiven Effekt, sondern dämpft und reguliert die Wirkung des THC. Zudem wirkt es unter anderem angst- und krampflösend.

Welche Nebenwirkungen könnte es geben?
Das Spektrum unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist vielfältig. So können Müdigkeit und Schwindel, Depressionen, Desorientiertheit, aber auch Euphorie, Verwirrtheit, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen auftreten. Nach Anwendung von Cannabis sind ebenfalls Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen, Bluthochdruck, Herzrasen, starkes Schwitzen und Halluzinationen möglich. Das Lenken von Fahrzeugen und Bedienen von Maschinen ist nicht zu empfehlen. Konsumieren Kinder und Jugendliche Cannabis, muss mit Hirnentwicklungsstörungen gerechnet werden.

Besteht die Gefahr, abhängig zu werden?
Es kann beim Cannabiskonsum durchaus zu Abhängigkeiten und Gewöhnungseffekten kommen. Jedoch sind diese, verglichen mit Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder Heroin, deutlich geringer ausgeprägt und besser behandelbar. Insbesondere körperliche Abhängigkeiten treten bei Cannabis relativ selten auf. Etwas anders gelagert ist der Fall der psychischen Abhängigkeit. Mittlerweile gilt es als wissenschaftlich belegt, dass ein regelmäßiger Konsum zu einer psychischen Abhängigkeit führen kann. Dabei verlieren die Betroffenen oftmals die Kontrolle über den Cannabiskonsum. Wird das Verlangen nach Cannabis nicht gestillt, treten zumeist keine körperlichen Entzugssymptome auf, allerdings können Unruhe, Nervosität sowie Schlafstörungen und Appetitlosigkeit auftreten.

Gibt es Wechselwirkungen mit anderen Mitteln?
Um eine verlässliche Aussage über Wechselwirkungen von Cannabis und anderen Medikamenten treffen zu können, muss man wissen, in welcher Form das Cannabis verabreicht wird. Somit ist die Bewertung, ob eine Therapieänderung notwendig oder gar ein Einsatz von Cannabis nicht möglich ist, immer eine Einzelfallentscheidung. Theoretisch betrachtet kann es über die sogenannten Cytochrom-P-450-Enzyme (CYP) zu Wechselwirkungen zwischen Cannabis und anderen Arzneimitteln, ggf. auch Lebensmitteln, kommen. Parallel zu einer Cannabis-Therapie sollte von einem Alkoholkonsum Abstand genommen werden, da einige Haupt- und auch Nebenwirkungen im negativen Sinne verstärkt werden könnten.

Eignet sich Cannabis für eine Dauertherapie?
Aussagen zur Langzeitanwendung sind aus heutiger Sicht sehr schwierig, da Daten aus kontrollierten Studien mit entsprechend langer Dauer nicht vorliegen. Bei Betrachtung der Nebenwirkungen, die aus bisherigen Untersuchungen hervorgehen, scheint eine Dauertherapie bei Erwachsenen durchaus möglich. Ganz im Gegensatz zu Kindern und Jugendlichen, bei denen eine dauerhafte Gabe von Cannabis zur schwerwiegenden Hirnentwicklungsstörungen führen kann.

Wie wird medizinisches Cannabis konsumiert?
Bereits vor der aktuellen Gesetzesänderung waren Arzneimittel auf Basis von Cannabis in Deutschland zu therapeutischen Zwecken verfügbar, zum Beispiel ein Spray zur Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose. Ebenfalls können Apotheken nach Verschreibung durch einen Arzt Kapseln oder Tropfen mit den Inhaltsstoffen aus Cannabis für den Patienten individuell herstellen. Diese werden dann oral eingenommen. Nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung können darüber hinaus auch Cannabisblüten in standardisierter Qualität zu therapeutischen Zwecken konsumiert werden. Die Blüten müssen mithilfe entsprechender Inhaliergeräte angewendet werden.

Woher wird das Cannabis bezogen? Wird es auch in Deutschland angebaut?
Derzeit wird der deutsche Cannabis-Markt durch Importe versorgt, vorwiegend aus den Niederlanden, aber auch aus Kanada. Mittelfristig sind auch Produktionsstandorte in Deutschland denkbar. In Deutschland wird zudem eine Cannabisagentur beim BfArM entstehen. Diese soll die Produktionen staatlich kontrollieren. Produzenten müssen sich in einem Ausschreibungsverfahren um Lizenzen für einen legalen Cannabisanbau bewerben. Beim Anbau geht es dann in erster Linie um Qualität, Wirksamkeit und Arzneimittelsicherheit. Von besonderer Bedeutung sind genau festgelegte Werte für den Mindest- bzw. Höchstgehalt des Wirkstoffs THC sowie das Verhältnis von THC und CBD in den Blüten. Rückstände von Pilzen, Fungiziden oder Schwermetallen dürfen nicht festgestellt werden. Die Cannabisagentur wird die kompletten Cannabisernten aufkaufen und dann über die entsprechenden Vertriebswege an die Apotheken weiterverteilen.

Ist künftig auch der Selbstanbau von Cannabis erlaubt?
Die Verwendung von Cannabis zu Rausch- oder Genusszwecken ist und bleibt nach wie vor in Deutschland verboten. Die Versorgung der Patienten mit Medizinal-Cannabis in standardisierter und gleichbleibender Qualität wird durch die öffentlichen Apotheken nach Verordnung durch einen Arzt erfolgen. Die Regeln für den Eigenanbau werden durch das Gesetz nicht geändert. Der Eigenanbau bleibt damit verboten.

Gelten die üblichen Grundsätze der Arzneimittelsicherheit auch für Cannabis?
Für das in der Apotheke zu medizinischen Zwecken erhältliche Cannabis gelten alle Grundsätze der Arzneimittelsicherheit. Besonderes Merkmal sind die jeweils festgelegten THC- und CBD-Gehalte. So sind Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von unter 1 bis 22 Prozent am Markt verfügbar. Die Sicherheit für den Patienten ergibt sich aus der Gewissheit, dass der von der Apotheke deklarierte THC- und CBD-Gehalt verlässlich ist und somit ein hohes Maß an Therapiesicherheit gewährleistet wird.

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