Erwartungen zu hoch: Präsident der Deutschen Schmerzliga referierte über „Cannabis als Medizin“ (Badische Zeitung)

Der Präsident der Deutschen Schmerzliga, Privatdozent Dr. Michael Überall, überraschte bei einem Vortrag mit einigen bemerkenswerten Aussagen. Er erinnerte auch an den juristischen Anstoß für das aktuelle Gesetz, das in früheren Jahren auch schon mal als Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz bezeichnet wurde. Er bestätigt die Erfahrung vieler Patienten, dass viele Ärzte zögerlich seien, ein Rezept auszustellen. Überraschend ist die Aussage des Schmerztherapeuten, dass er oft nicht wisse, ob Cannabis nur beneble oder wirklich Schmerzen lindere. Viele Schmerzpatienten, die Cannabis erfolgreich therapeutisch nutzen, sind bekanntlich berufstätig und hellwach. Und eines bleibt am Ende offen: Ist er selbst ein Freak oder ein Holländer, hat er keine Erfahrung, kokettiert er mit dieser Aussage oder hat der Journalist ihn nur falsch zitiert?

Erwartungen zu hoch: Präsident der Deutschen Schmerzliga referierte über „Cannabis als Medizin“

Der Präsident der Deutschen Schmerzliga, Michael Überall, hat in Offenburg vor einem interessierten Publikum zum Thema „Cannabis als Medizin“ referiert. Er äußerte sich kritisch zu der Gesetzesänderung, der Umsetzung sowie zu den medizinischen Aspekten von Cannabis. Gegen die Verwendung argumentierte er nicht.

„Lasst es uns probieren. Was kann passieren, außer, dass wir etwas bekifft sind und es uns stimmungsmäßig besser geht“, sagte Überall im Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung. Angesichts der vielen Antragsablehnungen der Krankenkassen – 50 Prozent – riet er, die Anträge in Urlaubszeiten zu stellen, da die Kassen in dieser Zeit unterbesetzt seien. Werde ein Antrag nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums beschieden, gelte er als bewilligt.

Dass die Kassen so viele Anträge ablehnen – jeder Fehler im Antrag werde negativ gewertet – sei ärgerlich. „Die Kassen setzen sich über das Gesetz hinweg.“ Zwar sei nicht jede Antragstellung auf Cannabis als Medizin begründet und nicht jede Ablehnung unbegründet. Aufgrund der großen Zahl der Ablehnungsentscheidungen bestehe aber der Verdacht, „dass es bei der Antragsbearbeitung seitens der Krankenkassen nicht um bedürfnisorientierte Individualentscheidungen im Sinne des Gesetzes gehe, sondern um die Umsetzung eines Ablehnungsvorbehaltes.“

Überall, Medizinischer Direktor des Instituts für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie in Nürnberg, wies auf die Entstehung des Gesetzes hin. „Es wurde nicht gemacht, um den Zugang zu Cannabis zu erleichtern.“ Das Gesetz sei entstanden, um den Eigenanbau zu verhindern. Dieser stand „im Widerspruch zur Weltanschauung der Regierung.“ Noch nie sei ein Gesetz schneller im Kabinett verabschiedet worden.

Im April 2016 sprach das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil zum Eigenanbau. Ein Patient mit Multipler Sklerose erhielt höchstrichterlich und letztinstanzlich die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken. Die beklagte Behörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde verpflichtet, „dem Kläger zu erlauben, Cannabis in seiner Wohnung anzubauen, zu ernten und zum medizinischen Zweck seiner Behandlung zu verwenden“, so das Urteil. Infolge dieses Urteils stellten mehr als 100 Personen entsprechende Anträge zum Anbau von Cannabis. Das Bundesgesundheitsministerium reagierte einen Monat später mit dem Gesetzentwurf. Im März 2017 trat das Gesetz in Kraft. Nach Einschätzung von Überall wurden dabei „alle Prinzipien über den Haufen geworfen, alles woran wir glaubten.“ Wirksamkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Studien. Man wisse nicht, wie Cannabis wirke, was es im Körper mache. „Dennoch ist es auf dem Markt. Das ist einmalig. Das müsste uns zu denken geben“, so Überall.

Auch Ärzte hätten keine Erfahrung damit – „es sei denn, er ist ein Freak oder aus Holland“. Viele Ärzte sähen es kritisch und zögerten, ein Rezept auszustellen. Er, so Überall, sei auch kritisch. Einen wissenschaftlichen Beweis gebe es nicht. „Und die Erwartungen sind übersteigert.“ Die Wirkung sei zwar nach einem Zug da. „Aber ist das Medizin oder die Droge, die benebelt, abschaltet, vom Schmerz distanziert?“ Bei einer neuen Regierung, so der Präsident der Deutschen Schmerzliga, werde Cannabis eh legalisiert. „Dann ist es egal.“

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