Presseschau: Cannabis auf Rezept: Viele Patienten gehen leer aus (Tagesschau)

Die Tagesschau berichtete über die weiterhin bestehenden Versorgungsengpässe bei den Cannabisblüten sowohl im Fernsehen als auch mit einem Artikel. Der Artikel auf der Tagesschau-Webseite thematisiert auch andere Probleme.

Cannabis auf Rezept: Viele Patienten gehen leer aus

Seit zwei Jahren gibt es Cannabis auf Rezept. Doch es gibt zwei Probleme: Apotheken berichten von Versorgungsengpässen – und viele Patienten müssen den Wirkstoff selbst zahlen.

„Mit Cannabis kann ich sehr viel besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, erzählt Sebastian Hurth. Der junge Mann hat sogenannte Tics, die vom Tourette-Syndrom kommen – eine neurologische Erkrankung. Er macht unkontrollierte Bewegungen und ruft provokante Dinge, läuft ständig Gefahr, sich selbst zu verletzen.

Weil alle anderen Medikamente nicht mehr halfen, bekam er schon vor Jahren eine Ausnahmegenehmigung, Cannabis zu rauchen. Seither empfindet er Erleichterung. Er hat das Glück, dass seine Krankenkasse ihm mittlerweile die teuren Blüten bezahlt.

Viele Patienten empfinden Erleichterung, wenn sie Cannabis rauchen. Die Symptome ihrer Erkrankung sind dann erträglicher.

Probleme für Patienten
Das erst zwei Jahre alte Gesetz, das vor allem Schmerzpatienten den Konsum des Rauschmittels gestattet, macht es Betroffenen nicht gerade leicht, sich damit einzudecken. Den Krankenkassen reicht das Rezept vom Arzt meistens nicht, um die Kosten zu übernehmen. Selbst wenn sie eine Kostenzusage geben, ist noch lange nicht sicher, dass die Apotheken die richtige Sorte Cannabis liefern können.

Sebastian Hurth musste kürzlich drei Monate lang auf seine Blüten warten. Dann muss er auf eine der anderen rund zwanzig Cannabis-Sorten umsteigen und weiß vorher nie, ob und wie sie auf ihn wirken wird oder wie er sie dosieren muss.

Noch zu wenig Cannabis
Der Engpass in der Versorgung kommt unter anderem daher, dass erst seit diesem Jahr in Deutschland medizinisches Cannabis angebaut werden darf. Zurzeit verkaufen die Apotheken ausschließlich Cannabis aus Kanada und, den Niederlanden. In diesem Jahr schrieb das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Anbau von 10,4 Tonnen Medizin-Cannabis an Firmen aus. Ende 2020 wird die erste Ernte erwartet.

Sandra Grußbach vom Cannabis-Importeur Cannamedical Pharma bezweifelt, dass diese Menge den Bedarf wird decken können. „Die von der Cannabis-Agentur ausgeschriebene Menge wird nicht signifikant zur Verbesserung der Lage in Deutschland beitragen.“

Gleichzeitig steigt die Nachfrage rasant. Schätzungen zufolge beziehen in diesem Jahr etwa 15.000 Patienten cannabinoide Wirkstoffe.

Vor allem für Schmerzpatienten
Der Arzt Franz Josef Grotenhermen, Befürworter von Hanf als Arzneimittel, ist überzeugt, dass eine Million Patienten in Deutschland erfolgreich mit Cannabis behandelt werden könnten. Er sieht das Hauptproblem nicht bei der Bereitstellung größerer Mengen, sondern bei der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. „Diese stehen hauptsächlich für Schmerzpatienten ein.“

„Patienten mit neurologischen oder psychologischen Erkrankungen werden fast durchweg abgewiesen und müssen ihre Dosis selbst bezahlen“, so der Arzt. Weil aber gerade chronisch kranke Menschen oft nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, blieben sie ohne Therapie oder müssten das Cannabis illegal selbst anbauen oder es sich illegal auf dem Schwarzmarkt besorgen. „Denn bei Schwarzmarkt-Dealern gibt es die Blüten für die Hälfte dessen, was Apotheken verlangen müssen.“

Erst seit diesem Jahr darf in Deutschland medizinisches Cannabis angebaut werden. Das ist ein Grund für den Engpass in der Versorgung.

Wissenschaftliche Studien fehlen
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherer sieht sich zu Unrecht in der Kritik: „Die GKV sind vom Gesetzgeber verpflichtet worden, die Kosten zu tragen, ohne dass es ausreichende Informationen zur Wirksamkeit der Cannabinoiden gibt“, sagt Claudia Widmaier vom Verband. „Der Gesetzgeber hat darauf gesetzt, dass sich aus der Versorgung heraus zeigen wird, ob (…) Cannabis bei welchen Patienten wirkt oder nicht.“

Dass es zu wenige Studien gibt, sieht auch Grotenhermen so. Würden Studien den lindernden Effekt von Cannabis untermauern, könnten die Krankenkassen Therapien nur noch schwer ablehnen. Die Pharmaindustrie habe aber keinen Grund, solche Langzeitstudien für viel Geld aufzulegen, da Cannabisblüten nicht patentierbar sind.

Für Grotenhermen steht fest: Die verschiedenen Cannabisblüten mit ihren mal beruhigenden, mal aktivierenden Wirkstoffen lindern bei weitem nicht nur die Leiden von Schmerzpatienten. Auch ADHS, Posttraumata, Tourette, Zwangsstörungen oder Cluster-Kopfschmerz habe er schon mit Cannabis behandelt und gute Erfolge erzielt. Doch die betroffenen Patienten hätten alle ihre Therapie selbst bezahlen müssen.

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Ärzte unter Druck gesetzt? 
Der Psychologe und Psychiater Peter Hess sieht eine große Unsicherheit und Unkenntnis bei niedergelassenen Ärzten. Manche seiner Kollegen würden nicht mit Cannabinoiden behandeln, weil diese als Einstiegsdroge einen schlechten Ruf in der Gesellschaft hätten.

Weil er offen für Cannabis-Therapien ist, rennen die Leute ihm die Bude ein. Es rechne sich auch nicht für ihn, denn für jeden Einzelnen müsse er aufwendige Gutachten für die Kostenübernahme der Krankenkasse schreiben, die dann in vielen Fällen sowieso abgelehnt würden. Der Anrufbeantworter seiner Praxis erklärt Anrufern, dass Hess keine neuen Patienten mehr annehmen könne.

Weil die Blüten so teuer seien, je Gramm 25 EURo, würden Kassenärzte auch noch Gefahr laufen, ihr Verschreibungsbudget zu überziehen und Regressforderungen zu bekommen bzw. eine Wirtschaftsprüfung zu provozieren.

Vorbehalte gegen Cannabis als Medizin
Die scheidende Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, sprach sich klar gegen die stärkere Ausbreitung von Cannabis als Medizin aus. Die Nachfrage, sagte sie kürzlich, habe nicht nur medizinische Gründe. Lobbyisten würden den Patienten einreden, dass Cannabis die beste Medizin für sie sei.

Das allerdings verhindert schon das Betäubungsmittelgesetz. Es verbietet die Verschreibung von Cannabis, solange auch andere Medikamente Wirkung zeigen.

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