ACM-Mitteilungen vom 24. Dezember 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

am 19. Dezember fand die Anhörung zum Richtlinienentwurf des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) zur weiteren Ausgestaltung des Cannabis als Medizin-Gesetzes aus 2017 statt. Etwa 40 Vertreter, darunter von Ärzteverbänden, Apothekern, Patientenverbänden, Industrievertretern und Krankenkassen, nahmen an der virtuellen Veranstaltung teil, für die ACM Frau Professorin Dr. Kirsten Müller-Vahl, und ich.

Der so genannte „unparteiische Vorsitzende“ des G-BA, Professor Hecken, rief während der etwa 3-stündigen Veranstaltung einen Diskussionspunkt nach dem anderen auf. Wir haben uns an der Diskussion rege beteiligt. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet, und es wird ein Wortprotokoll geben, das später öffentlich gemacht werden soll. Wir hatten eine kurze grundlegende Stellungnahme vorbereitet, aus dem wir dann am Ende der Veranstaltung aufgrund der fortgeschrittenen Zeit allerdings nur 2 Aspekte vorgetragen haben,

Die Auffassungen lagen zum Teil weit auseinander, die Diskussion verlief jedoch überwiegend respektvoll und sachlich. Man merkte Professor Hecken (CDU) allerdings an, dass er mit der notwendigen Sonderrolle von Cannabis in der Medizin fremdelt und sich einige Spitzen nicht verkneifen konnte. Wir sind gespannt, welche Folgerungen der G-BA im Januar aus diesen verschiedenen Auffassungen in seiner Richtlinie schließt.

Der ACM-Vorstand wünscht allen Leserinnen und Lesern der ACM-Mitteilungen eine frohe Weihnachtszeit und Gesundheit! Falls Sie noch nicht Mitglied der ACM sind, so laden wir Sie dazu herzlich ein.

Wir danken allen Unterstützer:innen, die dazu beigetragen haben, dass die vielfältige Arbeit der ACM auch im vergangenen Jahr weiter verbessert werden konnte, darunter den vielen Aktiven in Selbsthilfegruppen, den Patientenberatern, den Webmastern, den Juristen, den Referent:innen bei unseren Veranstaltungen, unseren Sponsoren und allen anderen, die zum Gelingen unserer Arbeit beitragen!

Franjo Grotenhermen

Qualifikation zum/zur ACM-zertifizierten Berater/in für Medikamente auf Cannabisbasis: es gibt noch Plätze für Kurzentschlossene

Für die neue >Ausbildungsreihe zum ACM-zertifizierten Berater haben sich bisher 51 Interessierte verbindlich angemeldet. Bei einigen Angemeldeten fehlt noch die Überweisung der Teilnahmegebühr. Einige wenige Plätze sind daher noch für Kurzentschlossene frei, da wir im kommenden Jahr statt bisher 2 parallele Kurse zu 18-20 Teilnehmer:innen 3 parallele Kurse anbieten werden.

Veranstaltungen

  1. Januar 2023 um 15:00 bis 17:00 Uhr
    Cannabis als Medizin und Führerschein

  2. Februar 2023 um 14 bis 16:00 Uhr
    Beginn der Ausbildung zum ACM-zertifizierten Berater

  3. März um 17:00 Uhr
    Beginn des nächsten Mikro-Zertifikatskurs Cannabis als Medizin an der Dresden International University

Die kurze Position der ACM zum Richtlinienentwurf des G-BA

Der ACM-Vorstand hatte im Rahmen der Anhörung am 19. Dezember 2022 eine kurze Erklärung vorbereitet, das strukturierte Vorgehen bei der Anhörung ließ es jedoch nur zu, den Punkt 1 (erhebliche Unterversorgung der deutschen Bevölkerung mit cannabisbasierten Medikamenten) sowie Punkt 3 (arbeitsmarktpolitische Bedeutung einer guten Versorgung mit solchen Medikamenten) vorzutragen. Wir dokumentieren hier den gesamten Text. Die ausführliche Position der ACM findet sich hier.

„Vielen Dank für die Möglichkeit, dass die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin an dieser Anhörung teilnehmen kann. Die ACM ist ein gemeinnütziger Verein, der 1997 gegründet wurde. Er ist die in Deutschland aktive regionale Vertretung der internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente, die weltweit führende wissenschaftliche Gesellschaft auf diesem Gebiet.
Die Vorsitzende der ACM, Professorin Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover, – die ebenfalls heute anwesend ist – ist gegenwärtig auch die 1. Vorsitzende der internationalen Arbeitsgemeinschaft. Ich selbst bin als Geschäftsführer dieser beiden Gesellschaften tätig.

Die ACM möchte wie folgt zum Richtlinienentwurf des G-BA Stellung nehmen:

  1. Derzeit besteht eine erhebliche Unterversorgung der deutschen Bevölkerung mit Arzneimitteln auf Cannabisbasis. Während in Israel gegenwärtig 1,5 % der Bevölkerung Zugang zu solchen Medikamenten haben – mit weiter steigender Tendenz –, sind es in Deutschland mit etwa 100.000 Patientinnen und Patienten deutlich weniger als 1,5 Promille. Also im Vergleich zu Israel weniger als ein Zehntel.

  2. Im Vergleich mit anderen Ländern sind Arzneimittel auf Cannabisbasis in Deutschland vergleichsweise teuer, sodass der aktuell in Deutschland bestehenden Praxis der Kostenübernahme durch die Krankenkassen eine erhebliche Bedeutung zukommt, damit eine Cannabis-basierte Therapie überhaupt durchgeführt werden kann.

  3. Es ist davon auszugehen, dass viele Patientinnen und Patienten durch eine Therapie ihrer ansonsten therapieresistenten Erkrankung mit Arzneimitteln auf Cannabisbasis wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können, nachdem sie zuvor auf staatliche Transferleistungen angewiesen waren. Allein aus arbeitsmarktpolitischen und ökonomischen Gründen ist es daher im Interesse der Allgemeinheit, die bestehende Unterversorgung mit Cannabisarzneimitteln unter anderem durch eine ausreichende Kostenübernahme zu beseitigen.

  4. Um eine ausreichende Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Arzneimitteln auf Cannabisbasis sicherzustellen, muss der Zugang zu diesen Medikamenten erleichtert werden. Die von Teilen des G-BA vorgeschlagenen Änderungen würden diese Situation jedoch weiter verschlechtern.

  5. Um die Behandlung von Patient:innen und Patienten mit Cannabismedikamenten zu verbessern, muss die Therapiehoheit von Ärztinnen und Ärzten gestärkt bzw. wiederhergestellt werden. Obwohl es im Gesetz heißt, dass eine Kostenübernahme von den gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden darf, liegt die Ablehnungsquote der Anträge seit 2017 bis heute relativ konstant bei mehr als einem Drittel. Das heißt, dass de facto aktuell der MDK bzw. die Krankenkassen über die Indikation einer Behandlung mit Cannabismedikamenten entscheiden und nicht der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin. Die ärztliche Therapiehoheit kann nur dadurch wiederhergestellt werden, indem der Genehmigungsvorbehalt durch die Krankenkassen ersatzlos gestrichen wird. Zudem sollten Arzneimittel auf Cannabisbasis als Praxisbesonderheit eingestuft werden, damit verschreibende Ärztinnen und Ärzte nicht von Regressen bedroht werden.

  6. Da die Ergebnisse der Begleiterhebung selbst nach Einschätzung des BfArM nicht repräsentativ sind, können auf dieser Grundlage keine validen Aussagen zu folgenden Aspekten getroffen werden:
    – Bei welchen Indikationen sollen und können Arzneimittel auf Cannabisbasis erfolgreich eingesetzt werden?
    – Welche Dosierungen werden bei der oralen und inhalativen Therapie eingesetzt?
    – Benötigen Ärztinnen und Ärzte eine besondere Qualifikation, um Arzneimittel auf Cannabisbasis zu verschreiben?
    Daher sind nach Einschätzung der ACM die von Teilen des GB-A geforderten Verschärfungen als unbegründet einzustufen.

  7. Allgemein wird die zunehmende Bürokratie im Gesundheitswesen beklagt. Die ACM lehnt eine Zunahme der Bürokratie bei der Verschreibung von Arzneimitteln auf Cannabisbasis ab. Dafür gibt es keine Notwendigkeit. Dies gilt insbesondere für die Forderung nach einer Zunahme der Dokumentationspflichten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

Presseschau: Cannabislegalisierung: Lauterbach verliert endgültig Haushaltsgelder (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

Die Haushaltspolitiker des Deutschen Bundestags drängen Bundeswirtschaftsminister Karl Lauterbach zu einem rascheren Handeln bei der von der Bundesregierung geplanten Cannabislegalisierung.

Cannabislegalisierung: Lauterbach verliert endgültig Haushaltsgelder

Um Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu einem raschen Handeln in Sachen Cannabisfreigabe zu drängen, haben die Haushaltspolitikerinnen und -politiker der Ampelkoalition Gelder gesperrt. Weil es noch immer keinen Gesetzentwurf gibt, hat das nun Konsequenzen für Lauterbach.

Es war ein ungewöhnlicher Vorgang: Bei den Haushaltsberatungen für 2022 setzten die Haushaltspolitikerinnen und -politiker der Ampelkoalition Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schwer unter Druck: Sie entschieden, einen Betrag von einer Million EURo für die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums so lange zu sperren, bis Lauterbach einen Gesetzentwurf für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Legalisierung von Cannabis vorlegt. Grund für dieses Vorgehen: Die Koalitionäre hatten den Eindruck, Lauterbach wolle die Freigabe eigentlich nicht und bemühe sich daher, das Projekt zu verschleppen.

Lauterbach wähnte sich eigentlich auf einem guten Weg, denn Ende Oktober stellte er sehr detaillierte Eckpunkte für die Legalisierung vor. Sie sehen vor, dass Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis künftig straffrei sein sollen. Ein konkreter Gesetzentwurf fehlt allerdings bis heute.

Deshalb bleiben die Haushaltsexpertinnen und -experten der Ampelkoalition hart: „Als Haushälter konnten wir mit der Sperre dafür sorgen, dass die Eckpunkte zum Cannabiskontrollgesetz schneller kamen als geplant“, sagte die für den Haushalt des Gesundheitsministeriums zuständige Grünen-Politikerin Paula Piechotta dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Da aber bislang kein Gesetzesentwurf vorliegt, kann das gesperrte Geld nicht durch den Haushaltsausschuss freigegeben werden“, betonte die Grünen-Politikerin. Mit anderen Worten: Das Geld ist für Lauterbach endgültig verloren.

Wie es mit dem Gesetzentwurf genau weitergeht, ist offen. Zunächst hatte Lauterbach angekündigt, ihn erst nach Gesprächen mit der EU-Kommission erarbeiten und vorlegen zu wollen. Später musste er einräumen, dass eine derartige Vorabklärung rechtlich gar nicht möglich ist. Denn eine offizielle Notifikation der Kommission fordert einen konkreten Gesetzentwurf. Den will Lauterbach nach jüngsten Äußerungen nun bis Ende März erarbeiten. Mit Blick auf seinen Etat kann er sich allerdings nun Zeit lassen: Eine weitere Sperre ist im Haushalt nicht eingebaut.

Einige weitere Meldungen der vergangenen Tage

Bayern will mit Rechtsgutachten Cannabis­legalisierung stoppen (Ärzteblatt)

Die Jäger des Cannabismarktes (Wirtschaftswoche)

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