ACM NEWSLetter

ACM-Mitteilungen vom 3. Mai 2025

Liebe Leserin, lieber Leser,

kürzlich habe ich gelesen, dass die Rossmann-Kette einen THC-Speicheltest anbietet. Dieser zeige an, „ob der THC-Grenzwert im Speichel von 3,5 ng/ml überschritten ist“. Laut Hersteller erziele der Test eine Genauigkeit von 97,6 %. Aber Vorsicht: der Gesetzgeber hat einen Grenzwert für THC im Blutserum festgelegt. Die THC-Konzentration im Speichel erlaubt aber keine Rückschlüsse auf die Menge des THC im Blut. Bleiben Sie kritisch, wenn es im Cannabisbereich neue Produkte gibt.

Weitere Themen in dieser Ausgabe des Newsletters sind ein Projekt zur Evaluierung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG), die Kostenerstattung von Cannabis durch die Krankenkassen bei Patienten mit ADHS sowie ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt zum Thema Telemedizin im Rahmen einer Behandlung mit Medikamenten auf Cannabisbasis.

Heiter weiter!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: Verbundprojekt unter UKE-Leitung evaluiert Cannabislegalisierung (DeutschesGesundheitsPortal)

An der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf wird unter der Leitung von Professor Jakob Manthey ein Projekt koordiniert, das die Auswirkungen des Cannabiskonsumsgesetzes auf den Kinder- und Jugendschutz, den allgemeinen Gesundheitsschutz und die cannabisbezogene Kriminalität untersuchen soll. Der Abschlussbericht soll im Jahr 2028 vorliegen. Das ist vermutlich ein realistischer Zeithorizont, um gute Erkenntnis gewinnen zu können. Die gegenwärtig gemäß Koalitionsvertrag geplante Evaluierung im Herbst dieses Jahres kommt dagegen offensichtlich zu früh, da nach einer so kurzen Zeit keine guten Aussagen zu den Konsequenzen des Gesetzes gemacht werden können.

Verbundprojekt unter UKE-Leitung evaluiert Cannabislegalisierung

Ein von Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitetes Verbundprojekt koordiniert die offizielle Evaluation der Cannabislegalisierung. Gefördert wird das Projekt EKOCAN vom Bundesministerium für Gesundheit über drei Jahre mit insgesamt 1,5 Millionen Euro, von denen 800.000 Euro an das UKE gehen.

Gemeinsam mit Forschenden des Universitätsklinikums Düsseldorf und der Eberhard Karls Universität Tübingen untersuchen die UKE-Wissenschaftler:innen unter Leitung von Dr. Jakob Manthey aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE und dem Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg die Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auf den Kinder- und Jugendschutz, den allgemeinen Gesundheitsschutz und die cannabisbezogene Kriminalität.

Das Konsumcannabisgesetz ist am 1. April 2024 in Kraft getreten. Seitdem sind der Besitz und Anbau von Cannabis in Deutschland für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben legal. Der Abschlussbericht des Verbundprojekts soll im zweiten Quartal 2028 vorliegen.

Presseschau: Auch ohne BtM-Pflicht: Kein Cannabis bei ADHS (ApothekeAdhoc)

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat nebenbei eine sehr vorteilhafte Einschätzung zur Möglichkeit der Kostenübernahme für Patienten mit ADHS gegeben. Konkret ging der Fall zwar für den Patienten verloren. Allerdings hat das Gericht festgestellt, dass es sich bei der ADHS „unstreitig“ um eine schwerwiegende Erkrankung handle. Das war den meisten ADHS-Patienten bei ihren Kostenübernahmeanträgen bisher abgesprochen worden.

Auch ohne BtM-Pflicht: Kein Cannabis bei ADHS | APOTHEKE ADHOC

ADHS-Patienten haben keinen Anspruch auf Therapie mit medizinischem Cannabis – auch nach den seit einem Jahr geltenden neuen Regelungen nicht. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) entschieden.

Zwar sei ADHS unstreitig eine schwerwiegende Erkrankung. Es stünden zur Behandlung aber allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen zur Verfügung. Deshalb sei Voraussetzung für den Genehmigungsanspruch, dass eine begründete Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes vorliege, die die hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfülle. Solange diese fehle, könne offenbleiben, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome verspreche.

Konkret müsse der Arzt die bestehenden Erkrankungen und bisher angewandten Behandlungskonzepte sowie das mit der Cannabis-Behandlung angestrebte Behandlungsziel benennen. Auch müsse er vollständig darlegen, was für und gegen die Anwendbarkeit verfügbarer Standardtherapien und die Anwendung von Cannabis spreche – einschließlich möglicher schädlicher Wirkungen von Cannabis.

Keine Neubewertung durch CanG

Diese Voraussetzungen einer begründeten Einschätzung seien auch nicht durch das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz (CanG) überholt. Zwar sei Cannabis kein Betäubungsmittel (BtM) mehr. „Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die strengen Anforderungen an die begründete Einschätzung des Vertragsarztes abgesenkt oder modifiziert werden müssten.“

Zwar liege der Einführung des CanG eine neue Risikobewertung durch den Gesetzgeber zugrunde; die Risikobewertung im Hinblick auf die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Cannabis sei aber unverändert geblieben. „Der Gesetzgeber hält ausdrücklich fest, dass die Regelungen im SGB V, die den Versicherten unter den dort genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisarzneimitteln geben, unverändert blieben.“

So stütze sich auch das Bundessozialgericht (BSG) weiter auf die fehlende Evidenz zur Wirksamkeit der Therapie mit Cannabis und die Gründe des Patientenschutzes.

Im konkreten Fall habe der Arzt lediglich einen Fragebogen ausgefüllt und um Atteste und Aussagen von Sachverständigen ergänzt. „Detaillierte Angaben über welche konkreten Zeiträume in welcher Dosierung jedes der Medikamente eingenommen wurde und welches konkrete Ausmaß die jeweils vom Kläger angegebenen Nebenwirkungen hatten und wie diese behandelt wurden, hat er dagegen nicht gemacht. Auch mit den nichtmedikamentösen Therapieoptionen befasst er sich nicht.“

Insbesondere aber fehlt laut LSG eine „Abwägung der Nebenwirkungen der Standardtherapie mit dem beschriebenen Krankheitszustand und den möglichen schädlichen Auswirkungen einer Therapie mit Cannabis, wobei in die Abwägung nur Nebenwirkungen, die das Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Erkrankung erreichen, einfließen dürfen“. Mit den möglichen Gefahren der Cannabisblütentherapie setzten sich die Stellungnahmen überhaupt nicht auseinander, obwohl sich dies angesichts des bekannten Substanz- und Alkoholmissbrauchs des Patienten in der Vergangenheit besonders aufgedrängt hätte.

Leitlinie: Kein Cannabis bei ADHS

Laut S3-Leitlinie solle Cannabis für die Behandlung der ADHS nicht eingesetzt werden; auch die Leitungsgruppe des zentralen ADHS-Netzes sah nach einem groß angelegten, systematischen Review des Jahres 2019 „eindeutig“ mehr Risiken als Nutzen von Cannabinoiden in der ADHS-Therapie. Ob dies noch dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entspreche und ob bereits – wie vom BSG in anderen Zusammenhängen für ausreichend erklärt – geringe Erfolgsaussichten bestünden, könne offenbleiben, weil ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabis unabhängig von der Wirksamkeit ohnehin nicht bestehe.

Im konkreten Fall ging es um einen heute 44-jährigen Patienten mit ADHS im Erwachsenenalter, bipolarer Störung, Persönlichkeitsstörung, Zwangsstörung und Tic-Störung und in der Vorgeschichte Alkohol- und Amphetaminabusus. Nach seinen Angaben ist bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Er hatte Ende 2020 bei seiner Kasse die Genehmigung einer Therapie mit Cannabisblüten der Sorte Bedrocan in der Dosis 2 g pro Tag beantragt.

Unter Medikinet und Strattera habe sich keine Verbesserung der Symptomatik gezeigt; stattdessen seien erhebliche Nebenwirkungen verzeichnet worden, darunter Magen-Darm-Beschwerden, Gereiztheit und Schlafstörungen sowie ausgeprägte Potenzstörungen, so sein Arzt. Ein Therapieversuch mit Carbamazepin habe ebenfalls nicht zur Verbesserung beitragen können, genauso wie eine von 2014 bis 2016 durchgeführte psychotherapeutische Behandlung. Eine Behandlung mit Lisdexamphetamin sei in Anbetracht eines Amphetaminabusus und einer bipolaren Störung in der Vorgeschichte mit einem erheblichen Risiko verbunden gewesen, sodass darauf verzichtet worden sei. Der Medizinische Dienst hatte keine Erstattung empfohlen, die Kasse hatte abgelehnt.

Presseschau: Wettbewerbsrechtliche Grenzen für Telemedizin mit Cannabis (Ferner Rechtsanwalt)

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich mit dem Thema Telemedizin bei der Behandlung von Patienten, die Cannabis basierte Medikamente erhalten, befasst und dabei kritische Worte gefunden. Es wird auch deutlich, dass im Bereich Cannabis Telemedizin nicht gleich Telemedizin ist, da die Qualität der medizinischen Versorgung sehr unterschiedlich ist.

Wettbewerbsrechtliche Grenzen für Telemedizin mit Cannabis

OLG Frankfurt mahnt zur Zurückhaltung bei Werbung und Geschäftsmodellen rund um Medizinalcannabis: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 6. März 2025 (Az. 6 U 74/24) eine bedeutende Entscheidung zur Zulässigkeit geschäftlicher Praktiken im Umfeld medizinischer Cannabistherapien gefällt.

Im Fokus standen dabei nicht nur Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), sondern auch schwerwiegende berufsrechtliche Probleme aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Plattformbetreibern und Ärzten. Das Urteil liefert wichtige Orientierung für Anbieter digitaler Gesundheitsdienstleistungen und zeigt zugleich die engen Grenzen der werblichen Außendarstellung bei sensiblen Behandlungsmethoden auf.

Die rechtliche Einordnung

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Beklagte durch ihre Geschäftsbeziehung zu den vermittelten Ärzten an einem berufsrechtswidrigen Verhalten beteiligt war. Insbesondere die in Serviceverträgen vereinbarten Vergütungsmodelle – bei denen bis zu 79 Prozent des ärztlichen Honorars an die Plattformbetreiberin flossen – bewertete der Senat als unzulässige Gegenleistung für die Zuweisung von Patienten. Ein solches Vermittlungshonorar verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen § 31 Abs. 1 MBO-Ä und stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 3a UWG dar. Dabei genügte es dem Gericht nicht, dass die Beklagte formal als Dienstleisterin agierte; maßgeblich war die wirtschaftliche Realität einer faktischen Patientenvermittlung gegen Entgelt.

Darüber hinaus beanstandete das Gericht die Werbung für eine Fernbehandlung, bei der das „ärztliche Erstgespräch vor Ort oder digital“ angeboten wurde. Dies sei mit § 9 HWG nicht vereinbar, weil die gesetzlich erlaubte Fernbehandlung nur dann beworben werden dürfe, wenn sie dem allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht – was bei einer Cannabistherapie in der Regel nicht der Fall sei. Gerade weil es sich um eine sensible und verschreibungspflichtige Medikation handelt, sei ein persönlicher Erstkontakt unabdingbar. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass ein digitaler Einstieg in die Behandlung fachlich vertretbar sei. Die Werbung sei deshalb unzulässig und geeignet, Verbraucher in ihrer gesundheitlichen Selbstbestimmung irrezuführen.

Ein dritter zentraler Aspekt der Entscheidung betraf die Werbeaussagen der Beklagten, die nach außen hin suggerierten, es handele sich um ein medizinisches Behandlungszentrum oder ein Versorgungsunternehmen mit ärztlicher Kompetenz. Aussagen wie „Naturmedizin vom Marktführer“ oder „Algea Care: Dein Weg zur Behandlung bei unseren Ärzten“ seien geeignet, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, die Beklagte sei selbst medizinischer Leistungserbringer. Tatsächlich handelte es sich jedoch lediglich um eine Vermittlungsplattform. Diese Irreführung ist – so das Gericht – besonders gravierend, weil Patienten bei der Wahl einer medizinischen Behandlung ein hohes Maß an Vertrauen voraussetzen. Eine derartige Täuschung über den medizinischen Charakter des Anbieters sei nicht hinnehmbar und ebenfalls als unlauter im Sinne von § 5 UWG zu qualifizieren.

Im Ergebnis bejahte das OLG Frankfurt sowohl Unterlassungsansprüche der Wettbewerbszentrale als auch die Pflicht zur Zahlung der Abmahnkosten, selbst bei nur teilweise berechtigter Abmahnung. Die Plattformbetreiberin darf nun weder die irreführenden Aussagen wiederholen noch Verträge mit unzulässigen Provisionsmodellen umsetzen oder Fernbehandlungen in dieser Form bewerben.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt setzt ein deutliches Signal: Anbieter digitaler Gesundheitsleistungen, insbesondere im Bereich medizinischen Cannabis, müssen ihre Geschäftsmodelle und Werbemaßnahmen streng an berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben ausrichten.

Es reicht nicht, sich formal als Servicedienstleister zu präsentieren – entscheidend ist, wie der angesprochene Verkehr die Angebote versteht und welche wirtschaftliche Realität dahinter steht. Die Kernaussage lautet: Plattformmodelle in der Medizin dürfen die Grenzen des rechtlich Zulässigen nicht durch suggestive Werbung oder verdeckte Vergütungskonstruktionen unterlaufen. Wer das Vertrauen der Patienten gewinnen will, muss sich rechtlich sauber positionieren.

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