ACM-Mitteilungen vom 17. Mai 2025
Liebe Leserin, lieber Leser,
politisch wird gegenwärtig viel spekuliert, wie es unter der neuen Regierungskoalition zum Thema Cannabis weitergeht. Wir sind gespannt. Wir drucken daher einen Beitrag von Krautinvest ab.
Und hier ein Hinweis auf einen sehenswerten Kurzfilm („Keeks letztes Ding“) zum Thema Cannabis, ein humorvoller Beitrag zu Cannabis als Medizin mit prominenter Besetzung – Oliver Korittke, Martin Semmelrogge und Nura.
Erlauben Sie mir zum Schluss ein Wort in eigener Sache. In den letzten Jahren hat meine Gesundheit stark nachgelassen. Ich muss daher kürzertreten und werde bei der kommenden Mitgliederversammlung der ACM aus dem Vorstand ausscheiden. Ein möglicher Termin für die Versammlung ist der 19. Juli, da an diesem Tag das Reggae-Fest in Steinheim stattfindet, was einen festlichen Rahmen böte. Ich werde für die IACM und meine Patienten weiterhin da sein.
Heiter weiter!
Franjo Grotenhermen
Presseschau: Studie aus Deutschland: Die eigene Ernte – privater Anbau von Cannabis (Hochschule Geisenheim)
Kürzlich wurde eine Studie von der Professur für Gartenbauökonomie der Hochschule Geisenheim von Mira Leeberger und Kai Sparke vorgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse finden sich auf der Webseite der Hochschule.
Hintergründe der Studie
Seit April 2024 ist sowohl der Konsum von Cannabis als auch der private Anbau von bis zu drei Pflanzen gesetzlich erlaubt. Die Hochschule Geisenheim hat untersucht, wie die Einstellung zur gesetzlichen Regelung des privaten Anbaus ist und wie Cannabis privat angebaut wird. Dazu wurden 1.500 Personen aus allen Bevölkerungsgruppen, d.h. anteilig nach Alter, Geschlecht und Region im Dezember 2024 befragt.
Zusammenfassung
Jede zehnte Person hat schon einmal Cannabis zu Hause angebaut, die Zufriedenheit mit dem Ernteerfolg ist bei etwa der Hälfte noch deutlich ausbaufähig – trotz teilweise zu hoher Erntemengen
- Die Hochschule Geisenheim hat untersucht, wie die aktuellen Einstellungen zum privaten Anbau von Cannabis sind und wie der private Anbau von Cannabis aussieht. Dazu wurden 1.500 Personen aus allen Bevölkerungsgruppen, d.h. anteilig nach Alter, Geschlecht und Region, im Dezember 2024 online befragt.
- Knapp die Hälfte der Befragten findet die Legalisierung des privaten Anbaus akzeptabel. Mehr als 40 Prozent erwarten zudem einen Rückgang der Kriminalität im In- und Ausland.
- 10,6% der Befragten haben schon einmal Cannabis zu Hause angebaut – davon ca. 40% „oft“ oder „sehr oft“. Weitere ca. 11,1% können sich vorstellen, in Zukunft Cannabis zu Hause anzubauen.
- Personen, die schon einmal Cannabis angebaut haben, sind tendenziell eher männlich, jünger, leben in Großstädten und konsumieren selber Cannabis eher als Personen, die nicht zu Hause anbauen.
- Am häufigsten wird im Freien angebaut, aber auch häufig in Innenräumen mit Beleuchtung. Die typischen Erntemengen variieren stark – auch je nach Anbauort und Anbausorte.
- Mit der Erntemenge ist nur etwa die Hälfte der Befragten zufrieden, mit der Erntequalität etwas mehr – vor allem Schädlinge sowie ungünstige Wetter- und Lichtverhältnisse trüben den Erfolg. Betrachtet man jedoch die Angaben zu den typischen Erntemengen und Pflanzenzahlen, so bewegt sich ein Großteil der Hobbyanbauer und -anbauerinnen schnell außerhalb der gesetzlich erlaubten Grenzen.
- Saatgut, Pflanzen und Zubehör werden überwiegend über das Internet bezogen – vor allem über spezialisierte Online-Händler.
Presseschau: Cannabis-Gesetz – Wie geht es nach der Evaluation weiter? (Krautinvest)
Wie geht es weiter mit der Cannabisgesetzgebung, nachdem sich SPD und CDU/CSU in dieser Frage geeinigt haben?
Cannabis-Gesetz – Wie geht es nach der Evaluation weiter?
Seit Januar 2025 evaluieren drei Universitäten im Rahmen von Ekocan bereits das Cannabis-Gesetz (CanG). Die „ergebnisoffene Evaluation“, die die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat, läuft also bereits – und zwar bis März 2028. Aber wie wird es danach weitergehen?
Den Auftrag für die Evaluation des CanGs hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 25. Januar 2025 noch unter Federführung von Karl Lauterbach erteilt. Laut CanG sowie der entsprechenden Förderrichtlinie aus dem August 2024 läuft die Evaluation bis einschließlich März 2028. Ekocan soll die Auswirkungen des Gesetzes auf Kinder- und Jugendschutz, den allgemeinen Gesundheitsschutz und die Entwicklung cannabisbezogener Kriminalität evaluieren.
Die auch im Koalitionsvertrag für Herbst angekündigte Evaluation im Oktober widmet sich analog zu der Richtlinie und dem CanG dem Konsumverbot rund um Schulen sowie anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen. Zudem sollen auch Besitzmengen und Weitergabemengen in Anbauvereinigungen evaluiert werden. Bereits im CanG heißt es in Paragraph 43, dass spätestens bis zum 1. Oktober 2025 eine erste Evaluation erfolgen solle, „wie sich das Konsumverbot nach § 5 im ersten Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt“.
Genau diese erste Auswertung scheint aktuell aber sehr ambitioniert. Die Clubs konnten erst seit Juli 2024 Lizenzen beantragen, die Lizenzierung verlief schleppend. Die zuständigen bayerischen Behörden haben erst kürzlich die ersten Clubs lizenziert. Bundesweit haben bislang erst sehr wenige der bereits lizenzierten Clubs signifikante Mengen Cannabis an ihre Mitglieder abgegeben.
Validere erste Ergebnisse könnte Ekocan im zweiten Schritt der Evaluation präsentieren: Bis zum 1. April 2026 soll ein „Zwischenbericht zu den Auswirkungen des Gesetzes, einschließlich der Auswirkungen auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität“ folgen. Dazu soll laut CanG auch das Bundeskriminalamt (BKA) eingebunden werden. Der Abschlussbericht durch Ekocan erfolgt dann bis spätestens erste April 2028. Dazu sollen laut Förderrichtlinie weitere Daten des BMG sowie anderer Ressorts ausgewertet werden.
Methodisch skizziert Ekocan vier Arbeitspakte im Rahmen der Evaluation. Erstens sei dies die Evaluation von Sekundärdaten – dazu zählten etwa Umfragen wie der epidemiologische Suchtsurvey oder Krankenhausstatistiken. Zweitens würden durch qualitative Interviews und quantitative Befragungen sowie ein Marktmonitoring Primärdaten erhoben. Drittens würden die vorliegenden Daten ausgewertet. Beispielsweise gehe es dabei um Fragen der Konsumprävalenz, des THC-Gehalts oder Bezugsquellen. Im vierten Schritt komme es zur Synthese der Ergebnisse, auch mit jenen anderer Forschungsprojekte. Begleitet werde die Evaluation durch die im Gesetz skizzierten Berichte, wissenschaftliche Publikationen, Vorträge und durch eine Fachtagung 2027.
Als mögliches Konsequenz nach der Evaluation erachtet der auf Cannabis spezialisierte Rechtsanwalt Peter Homberg von Gunnercooke auf der ICBC Berlin eine komplette Rücknahme des CanGs, inklusive erneuter Zurückstufung von Cannabis als Betäubungsmittel, als unwahrscheinlich. Ähnlich hatte er sich bereits Ende des letzten Jahres geäußert. Schließlich werde die SPD eine Rücknahme des Gesetzes nicht unterstützen, es könnten Schadensersatzansprüche durch die Anbauvereinigungen entstehen, zudem sei eine komplette Rücknahme extrem aufwendig und herausfordernd.
Ein weiteres Szenario sei die Anpassung des Gesetzes. Homberg erachtet dabei eine Beschränkung der aktuellen Höchstmengen für möglich. Zudem könne der Gesetzgeber die Verordnung von medizinischem Cannabis strenger regulieren. Auch ein Verbot des Eigenanbaus im Gegenzug für die Bewilligung von regionalen Modellprojekten kann sich Homberg vorstellen.
Jenseits dessen gehe es nun vor allem darum, wie das GanG in der Praxis interpretiert werde und welche Leitlinien zuständige Ministerien erlassen, so Homberg. Als Beispiel nennt er den Umgang mit Cannabis für wissenschaftliche Zwecke. Es bedürfe hier einer Klarstellung wie streng die Begriffe „nur in Ausnahmefällen“ interpretiert werden sollen. Auch könne laut Homberg der Begriff „Handel“ im MedCanG in dem Sinne interpretiert werden, dass Lizenzen für Betreiber telemedizinischer Plattformen erforderlich werden.
Fraglich bleibt ab März 2028, ob der Gesetzgeber nach der Evaluation eine Anpassung oder Rücknahme des CanGs zeitlich überhaupt noch stemmen kann. Schließlich dürfte es, wenn die finalen Ergebnisse vorliegen, bis zur nächsten Bundestagswahl weniger als ein Jahr dauern. Und für eine Anpassung oder Rücknahme des Gesetzes ist das gleiche Gesetzgebungsverfahren erforderlich wie zur Verabschiedung des CanGs – das langwierige und nervenaufreibende Hin und Her ist allen Beteiligten noch in guter Erinnerung. Gut möglich also, dass nicht mehr die aktuelle Bundesregierung, sondern erst die nächste Bundesregierung basierend auf den Ergebnissen der Evaluation die regulatorischen Konsequenzen verantworten wird.
Presseschau: Cannabis-Studie: Legale Abgabe reduziert problematischen Konsum – besonders bei bestimmten Personen (Informationsdienst Wissenschaft)
Was in Deutschland noch bevorsteht, wurde jetzt von Wissenschaftlern aus der Schweiz, von der Universität Basel, vorgestellt: Eine Beurteilung der Auswirkungen der legalen Abgabe von Cannabis – mit erfreulichen Ergebnissen für die Gesundheit der Bevölkerung.
Cannabis-Studie: Legale Abgabe reduziert problematischen Konsum – besonders bei bestimmten Personen
Im Rahmen der Studie «Weed Care» untersuchen Forschende, wie sich die legale Abgabe von Cannabis auf Konsum und Psyche der Teilnehmenden auswirkt. Über den direkten Vergleich von legalem versus illegalem Bezug der Substanz berichtet das Studienteam nun in einer ersten wissenschaftlichen Publikation.
In der Schweiz und in verschiedenen anderen Ländern laufen seit Jahren Debatten über eine Legalisierung des Cannabiskonsums. Sie sind geprägt von verschiedenen Hoffnungen und Bedenken. Auf der einen Seite stehen die Ziele, den Schwarzmarkt einzudämmen, den Konsumierenden den Zugang zu sichereren Produkten zu erleichtern, sie durch begleitende Beratungsangebote besser zu informieren und risikoärmeren Konsum zu fördern. Auf der anderen Seite stehen Befürchtungen, der legale Verkauf könnte den Konsum normalisieren, gegebenenfalls sogar beflügeln und zu mehr Fällen von Abhängigkeit und psychischen Folgeschäden führen.
Die im Januar 2023 angelaufene Studie «Weed Care» soll die Debatte auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Sie wird gemeinsam von der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, der Universität Basel, den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und den Psychiatrischen Diensten Aargau durchgeführt.
Erste wissenschaftlich designte Studie
Während der ersten sechs Monate erlaubte das Studiendesign einen direkten Vergleich zweier randomisierter Gruppen: Eine Hälfte der rund 370 Teilnehmenden konnte im Rahmen der Studie legal Cannabis in einer der neun teilnehmenden Apotheken kaufen und erhielt dazu ein Beratungsangebot. Die andere Hälfte nutzte als Kontrollgruppe weiter den Schwarzmarkt als Quelle. In regelmässigen Abständen berichteten die Teilnehmenden via Fragebogen über ihren Konsum und ihre psychische Verfassung.
«Eine solche kontrollierte, randomisierte Studie gab es zuvor noch nicht», betont die stellvertretende Studienleiterin Dr. Lavinia Baltes-Flückiger von den Psychiatrischen Diensten Aargau, Erstautorin der nun veröffentlichten Studie. Vorherige Resultate beruhten auf reinen Beobachtungsstudien.
Problematischer Konsum nahm ab
Wie das Team im Fachjournal «Addiction» berichtet, nahm der problematische Konsum in der Gruppe mit legalem Zugang zu Cannabis leicht ab. Als problematisch gilt der Konsum, wenn er gesundheitliche, soziale oder psychische Schwierigkeiten verursacht oder verstärkt – ohne dass eine Abhängigkeit im klassischen Sinne vorliegen muss.
Besonders Personen, die neben Cannabis auch noch andere Drogen konsumierten, zeigten einen deutlicheren positiven Effekt durch den legalen Bezug. «Bei dieser Untergruppe sank der problematische Cannabiskonsum besonders stark», sagt Baltes-Flückiger.
Ausserdem konnte die Studie die Befürchtung zerstreuen, dass die legale Abgabe neben dem Konsum auch psychische Probleme des Cannabiskonsums verstärken könnte: Nach den ersten sechs Monaten war kein Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen in Bezug auf Depressionen, Angstzustände oder andere Symptome festzustellen.
Nach dieser Zeitspanne bekam auch die Kontrollgruppe, die Cannabis bis dahin auf dem Schwarzmarkt bezogen hatte, legal Zugang zu der Substanz via einer der beteiligten Apotheken. Dies sei ihnen bereits zu Beginn der Studie zugesichert worden als Motivation für die Teilnahme, wie Lavinia Baltes festhält.
Die Zwischenbilanz nach mittlerweile zwei Studienjahren zeigt eine deutliche Verbesserung der psychischen Verfassung bei den mittlerweile noch rund 300 Teilnehmenden. «Der legale Zugang bedeutet eine Entlastung für die Konsumierenden», erklärt Studienleiter Prof. Dr. Marc Walter von der Universität Basel und den Psychiatrischen Diensten Aargau.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Lavinia Baltes-Flückiger, Psychiatrische Dienste Aargau, E-Mail: Lavinia.Baltes@pdag.ch
Prof. Dr. Marc Walter, Universität Basel und Psychiatrische Dienste Aargau, E-Mail: Marc.Walter@pdag.ch
Originalpublikation: Lavinia Baltes-Flückiger, Regine Steinauer, Maximilian Meyer, Adrian Guessoum, Oliver Herrmann, Christoph Felix Mosandl, Jens Kronschnabel, Eva-Maria Pichler, Marc Vogel, Marc Walter. Effects of legal access versus illegal market cannabis on use and mental health: A randomized controlled trial. Addiction (2025), doi: 10.1111/add.70080