Die bekannte Geschichte des Gesetzes

Die juristische Auseinandersetzung, die schließlich zur Durchsetzung von Ausnahmeerlaubnissen für die Verwendung von Cannabisblüten und zu einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts für den Eigenanbau von Cannabis durch Patienten führte, begann mit einer von der ACM initiierten und finanzierten Verfassungsbeschwerde durch acht Patienten am 14. Dezember 1999. Das Bundesverfassungsgericht veröffentlichte am 20. Januar 2000 einen Beschluss, nach dem Patienten bei der Bundesopiumstelle des BfArM eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabis beantragen können. Davon haben mehr als 100 Patienten Gebrauch gemacht. Darunter war auch ein Rechtsanwalt, der an multipler Sklerose mit schweren Symptomen litt, die sein Leben massiv beeinträchtigten. Alle Anträge wurden durch die Bundesopiumstelle mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Verwendung von Dronabinol abgelehnt. Mehrere Patienten klagten gegen diese Ablehnungen vor den Verwaltungsgerichten. Am 19. Mai 2005 verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht das BfArM den Antrag des MS-Patienten erneut zu prüfen (BVerwG 3 C 17.04).

Dieses Urteil führte schließlich zur Etablierung eines Verfahrens, bei dem Patienten einen Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG bei der Bundesopiumstelle stellen können, mit dem Ziel einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie mit Cannabisblüten oder einem Cannabisextrakt. Dabei musste der behandelnde Arzt darlegen, dass Standardtherapien nicht ausreichend wirksam waren oder ausgeprägte Nebenwirkungen verursachten, sodass ein Therapieversuch mit Cannabisprodukten indiziert war. Häufig hatten die Antragsteller bereits festgestellt, dass eine Therapie mit Cannabis ihre Leiden linderte. Nach Angaben der Bundesopiumstelle besaßen im Oktober 2016 etwa 900 Personen eine solche Erlaubnis.

Da sich viele Erlaubnisinhaber die Cannabisblüten aus der Apotheke, die pro Gramm 12–24 €, gelegentlich auch mehr kosteten, allerdings nicht oder nicht in dem medizinisch erforderlichen Umfang leisten konnten, beantragten einige den für sie finanzierbaren Eigenanbau von Cannabispflanzen für die eigene medizinische Versorgung. Diese Anträge wurden von der Bundesopiumstelle sämtlich abgelehnt. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln mehreren Antragstellern das Recht auf einen Eigenanbau zugestanden hatte, war absehbar, dass auch das Bundesverwaltungsgericht seiner Linie treu bleiben würde und schwerkranken Bundesbürgern einen bezahlbaren Zugang zu Cannabisprodukten eröffnen, und wenn es keine Alternative gibt, den Eigenanbau erlauben würde. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. April 2016 (BVerwG 3 C 10.14) sorgte dann auch dafür, dass einem MS-Patienten, der seit Jahren gerichtlich für eine Erlaubnis zum Eigenanbau stritt, am 28. September 2016 als erster Patient in Deutschland eine Genehmigung zum Anbau von Cannabis für eigene medizinische Zwecke erhielt.

Parallel mit dieser juristischen Entwicklung gab es in den vergangenen Jahren eine zunehmende Offenheit aller im Bundestag vertretenen Parteien hinsichtlich der Notwendigkeit, Patienten einen Zugang zu einer Therapie mit Cannabisprodukten unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zu eröffnen. Als Alternative zum Eigenanbau entwickelte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der vorsah, dass die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet werden, unter bestimmten Voraussetzungen eine Behandlung mit Cannabisprodukten zu finanzieren. Dieser Gesetzentwurf wurde von der Bundesregierung am 28. Juni 2016 in den Bundestag eingebracht und dort am 7. Juli in erster und am 19. Januar 2017 in 2. Lesung beraten.

Einige Meilensteine auf dem Weg zur medizinischen Cannabisverwendung in Deutschland
1998: Änderung der Einstufung von Dronabinol – (–)-trans-Delta-9-Tetrahydrocannabinol – von der Anlage II in die Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes
2000: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Patienten einen Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten beim BfArM stellen können
2000–2005: Ablehnungen aller Anträge von Patienten auf eine solche Ausnahmeerlaubnis
2005: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem das BfArM diese Anträge nicht pauschal ablehnen darf
2007: Erste Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle beim BfArM, zunächst für einen Cannabisextrakt, später überwiegend für Cannabisblüten
2011: Arzneimittelrechtliche Zulassung von Sativex® für die Behandlung der therapieresistenten mittelschweren bis schweren Spastik bei Erwachsenen mit multipler Sklerose
2016: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem einem Patienten eine Ausnahmeerlaubnis für den Eigenanbau von Cannabisblüten erteilt werden muss
2016: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Veränderung betäubungsmittelrechtlicher Bestimmungen zu Cannabis und cannabisbasierten Medikamenten
2017: Verabschiedung des Gesetzes am 19. Januar im Deutschen Bundestag mit deutlichen Verbesserungen

Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung findet sich hier.

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