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ACM-Mitteilungen vom 02. August 2025

Liebe Leserin, lieber Leser,

bis zum 1. August 2025 konnten Verbände eine Stellungnahme zu einem Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit abgeben. Es sind Verschärfungen insbesondere bei der Verschreibung von Cannabisblüten vorgesehen.

Auch die ACM hat eine solche Stellungnahme abgegeben. Wir befinden uns gegenwärtig in der ersten Phase des Gesetzgebungsverfahrens. Nach weiterer Abstimmung in der Regierung wird es dort einen Kabinettsentwurf geben. Dieser Entwurf wird dann in den Bundestag eingebracht und danach intensiver im Gesundheitsausschuss diskutiert, meistens unter Hinzuziehung von Experten im Rahmen einer öffentlichen Anhörung. Wenn es schnell geht, dann finden diese Beratungen im Herbst statt, und die Umsetzung ist dann eventuell schon Anfang des nächsten Jahres möglich.

Heiter weiter!

Franjo Grotenhermen

Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) ist die deutsche Gliederung der Internationalen Allianz für Cannabinoidmedikamente (IACM). Die ACM wurde am 12. April 1997 gegründet und setzt sich seither aktiv für die Interessen von Cannabispatient:innen ein. Die ACM bzw. ihre aktuellen oder ehemaligen Vorsitzenden Prof.‘in Dr. Kirsten Müller-Vahl und Dr. Franjo Grotenhermen waren an allen bisherigen Gesetzgebungsverfahren zum Thema Cannabismedizin im Bundestag, aber auch in zahlreichen Ausschlüssen (Gesundheitsausschuss, Verkehrsausschuss, Petitionsausschuss) zu diesem Thema beratend als Sachverständige beteiligt. Daher hat die ACM ein berechtigtes Interesse an dem aktuell vorgelegten Gesetzentwurf und möchte wichtige Impulse in die Debatte einbringen.

Auch zum Thema telemedizinische Verordnung von Cannabis hat sich die ACM im Zusammenhang mit der ersten kommerziell ausgerichteten Telemedizinplattform bereits vor knapp 4 Jahren, am 29. Oktober 2021, in einer viel beachteten Pressemitteilung als erster Verband im Gesundheitswesen überhaupt kritisch geäußert und auf Missstände in dieser Verschreibungspraxis hingewiesen: „Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Algea Care GmbH, die in mehreren Städten Standorte eröffnet hat, um Patient:innen eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten zu ermöglichen – für teures Geld. Die Vorwürfe gegen das Unternehmen reichen von überzogen hohen Rechnungen bis zu Verstößen gegen die Gebührenordnung für Ärzt:innen. (…) Die ACM betrachtet die jüngst von Algea Care berichteten Erfolge als Alarmsignal, da sie verdeutlichen, dass bei der Verordnung cannabisbasierter Medikamente bei einigen Ärzt:innen kommerzielle Interessen, die als erfolgreiches Geschäftsmodell deklariert werden, im Vordergrund stehen und nicht die Behandlung chronisch kranker Patient:innnen.“ Eine einstweilige Verfügung von Algea Care gegen diese Vorwürfe wurde vom Landesgericht Frankfurt/Main zurückgewiesen mit der Begründung: „Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Dies gilt auch hier.”

Nachdem das „Cannabis-als-Medizin-Gesetz“ im Bundestags-Plenum am 19.01.2017 einstimmig von allen im Bundestag vertretenen Parteien verabschiedet wurde und am 10.03.2017 in Kraft trat, wird geschätzt, dass in Deutschland heute ca. 63.000 Patient:innen Cannabis-basierte Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) verordnet werden. Damit ist unstreitig, dass durch das Cannabismedizingesetz – zumindest partiell – eine Versorgungslücke geschlossen werden konnte, indem THC-haltige standardisierte Medikamente (Cannabisblüten, Cannabisextrakte, Dronabinol) verschreibungsfähig wurden und gleichzeitig Regelungen getroffen wurden, unter welchen Voraussetzungen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine solche Behandlung übernehmen müssen. Ausdrücklich wurde seinerzeit zusätzlich eine privatärztliche Verschreibung ermöglicht. Mit Inkrafttreten des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) am 01.04.2024 verbesserten sich die Verschreibungsmöglichkeiten weiter, da Cannabisarzneimittel seither nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegen.

Zweifelsohne konnten durch die Teillegalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis infolge des CanG zuvor bestehende Missstände auch und insbesondere für Patient:innen verringert werden, etwa die soziale Schieflage, welche wegen der häufigen Ablehnung der Kostenübernahme und der Zurückhaltung der Ärzt:innen in der Verordnung Cannabis-basierter Medikamente zu Lasten der GKV weniger vermögende Patient:innen eindeutig benachteiligt im Hinblick auf eine Behandlung mit Cannabis-basierten Medikamenten. Auch wenn die medizinische Unterversorgung der Bevölkerung in Deutschland mit Cannabis-basierten Medikamenten verringert werden konnte, so besteht nach aktuellen Schätzungen – basierend auf Zahlen aus anderen Ländern wie Israel – jedoch nach wie vor eine Unterversorgung mit Cannabis-basierten Arzneimitteln, da angenommen wird, dass mindestens 1 – 2 % der Bevölkerung entwickelter Industrienationen eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten benötigen, entsprechend etwa 1,26 Millionen Bundesbürgern.

Auch wenn grundsätzlich eine telemedizinische Versorgung der Bevölkerung allseits begrüßt und gewünscht wird, so waren doch viele überrascht, dass mit Inkrafttreten des MedCanG – in Kombination mit der Neufassung des § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für in Deutschland tätige Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) im Jahr 2018 – eine Situation eintrat, die durch das CanG sicherlich nicht beabsichtigt war: die Zahl der Privatverordnungen für Medizinalcannabisblüten schnellte in die Höhe und es ist mittlerweile unstreitig, dass Freizeitkonsumierende durch das simple Ausfüllen eines online-Fragebogens auf einer Telemedizinplattform und die Versendung von Cannabisblüten über kooperierende Versandapotheken eine neue Bezugsquelle identifiziert haben, da es der Gesetzgeber mit Inkrafttreten des CanG durch die ausschließliche Legalisierung des Eigenanbaus und die Erlaubnis von Anbauvereinigungen versäumt hat, ausreichend legale Zugangswege für Freizeitkonsumierende zu schaffen. Da das Preisniveau von Medizinalcannabisblüten – trotz sehr viel höherer Qualitätsstandards – gegenüber illegal auf dem Schwarzmarkt erworbenen Cannabisblüten sehr häufig niedriger ist, wird der Kauf von Cannabisblüten über Telemedizinplattformen weiter angekurbelt.

Die ACM begrüßt es grundsätzlich, dass das BMG mit dem nun vorgelegten Gesetzentwurf – erneut – eine klare Trennung von medizinischer Verordnung bzw. Bezug von Cannabisarzneimitteln einerseits und dem Erwerb von Cannabis zu Genusszwecken andererseits anstrebt. Die ACM hat aber große Sorge, dass der Gesetzentwurf gleichzeitig- und zu bereits überwunden geglaubten – Einschränkungen in der Versorgung und zu unangemessenen Benachteiligungen von Cannabispatient:innen führt. Es ist unstreitig, dass die telemedizinischen Angebote aktuell nicht nur von Freizeitkonsumierenden, sondern auch von schwer und chronisch kranken Patient:innen genutzt werden. Zu dieser – meist nicht selbst gewählten und ärztlicherseits nicht favorisierten – Form der Selbsttherapie sehen sich dennoch viele Patient:innen gezwungen, weil sie entweder überhaupt keinen Arzt bzw. keine Ärztin finden, die bereit ist, eine (privatärztliche) Verordnung von Cannabisarzneimitteln vorzunehmen oder weil sie keine Kostenübernahmezusage für eine cannabisbasierte Therapie von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erhalten.

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass nach dem lange und von vielen Verbänden – inklusive der ACM – geforderten Wegfall des Genehmigungsvorbehalts durch Inkrafttreten des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 17.10.2024 die Genehmigungsquote der GKV von zuvor bereits lediglich nur ca. 60% nochmals weiter abgesunken ist. Gleichzeitig ist unter Ärzt:innen seither die Sorge vor Regressen weiter gewachsen, da der G-BA explizit empfiehlt, bei Unklarheit über die Verordnungsvoraussetzungen auch weiterhin vor einer Erstverordnung einen Kostenübernahmeanträge an die Krankenkasse zu stellen, um Regressforderungen der GKV zu verhindern.

Die ACM bittet das BMG zu beachten, dass sich durch den geplanten Gesetzentwurf – sicherlich unbeabsichtigt – die medizinische Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Cannabisarzneimittels mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in zweierlei Weise verschlechtern wird:

1. Die durch das Inkrafttreten des MedCanG abgeminderte Unterversorgung der deutschen Bevölkerung mit Cannabisarzneimitteln wird wieder deutlich zunehmen, da die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin bzw. in zunehmender Zahl Kostenübernahmeanträge für eine Verordnung von Cannabisarzneimitteln ablehnen. Generell ist hervorzuheben, dass nur wenige Ärzt:innen Cannabisarzneimittel verschreiben – sei es aus Unkenntnis, aus Sorge vor Regressen oder wegen einer generellen Ablehnung gegenüber dieser Behandlungsform. Deshalb bedarf es auch zukünftig der Option telemedizinischer Verschreibungen, um eine flächendeckende Versorgung – insbesondere in strukturschwächeren Regionen – zu gewährleisten, sofern gültige Qualitätsstandards eingehalten werden.

2. Ein pauschales Verbot des Inverkehrbringens von Medizinalcannabisblüten auf dem Wege des Versandes würde gleichzeitig dazu führen, dass eine große Zahl von schwerkranken Patient:innen keinen Zugang mehr zu Medizinalcannabisblüten hat, unabhängig davon, ob die Verordnung privatärztlich oder zu Lasten der GKV erfolgt. Nach Informationen des Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA) beteiligen sich nur ca. 14% aller Apotheken in Deutschland an der Versorgung mit Cannabisarzneimitteln. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass im Falle eines solchen Verbots die Rezepteinlösung für Medizinalcannabisblüten insbesondere auf dem Lande und außerhalb von Ballungsräumen mit sehr langen Anfahrtswegen verbunden wäre. Dies wiederum würde gleichermaßen Patient:innen mir privatärztlicher Verordnung als auch mit Kassenrezept treffen. Bedenkt man, dass die Kosten für Cannabisarzneimittel nach § 31 Absatz 6 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) ausschließlich für Versicherte mit „schwerwiegenden Erkrankungen“ übernommen werden, so ergibt sich durch ein vollständiges Verbot des Versandes von Medizinalcannabisblüten gerade für eine Personengruppe, die häufig wegen der Erkrankung erheblich mobilitätseingeschränkt ist, eine unzumutbare Härte.

Nach Überzeugung der ACM sollten Regelungen zu Cannabisarzneimitteln – inklusive der Verordnung und dem Zugang zu Medizinalcannabisblüten – primär die Belange und Interessen von Patient:innen im Fokus haben, die stets den Interessen von Freizeitkonsumierenden übergeordnet sein sollten.

 

Im Namen der ACM

Prof.‘in Dr. Kirsten Müller-Vahl                     1. Vorsitzende                                                                  

Dr. Dennis Stracke                                            2. Vorsitzender

Dr. Franz-Josef „Franjo“ Grotenhermen   Geschäftsführer

Presseschau: Drogenbeauftragter hält Cannabisgesetz für nicht gut gemacht (Deutsches Ärzteblatt)

Auch der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung Hendrik Streeck hält das Gesetz für Cannabiskonsumenten für nicht gut gemacht. In der Tat hat das Gesetz seine Mängel, die aufgrund des Endes der Ampelkoalition auch nicht mehr korrigiert werden konnten.

Drogenbeauftragter hält Cannabisgesetz für nicht gut gemacht

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrick Streeck (CDU), hat das Cannabisgesetz der früheren Ampelregierung kritisiert. Er macht darin handwerkliche Fehler aus.

„Das Konsumcannabisgesetz ist nicht gut gemacht, denn es gibt Widersprüche, und Fragen bleiben offen“, sagte Streeck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Grenze zwischen harmlosem und gefährlichem Konsum sei schwierig einzuhalten. Zudem irritiere es ihn, dass Menschen, die mit Jugendlichen zu tun hätten, also etwa Ärzte, Lehrkräfte, Polizisten und Eltern, in die Debatte zu wenig eingebunden worden seien.

Streeck verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem beschlossen worden sei, die Evaluation im Herbst und Frühjahr abzuwarten. „Dann haben wir die ersten Daten, um bewerten zu können, was die Teillegalisierung bewirkt hat.“

Aber schon jetzt sei klar, dass eine bessere Aufklärung nötig sei. „Nicht mit dem Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe. Vor allem Jugendliche müssen verstehen, was Cannabis mit ihrem Körper und ihrem Gehirn macht. Dafür brauchen wir gezielte Prävention – in Schulen, auf Social Media, in einer Sprache, die ankommt.“

„Dreiviertel der Suchtberatungsstellen in Deutschland können nicht kostendeckend arbeiten. Teilweise müssen Leistungen bereits reduziert werden“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Peter Raiser. Allein durch die öffentliche Besprechung kämen viele Fragen auf, besonders bei jungen Menschen. In Deutschland gebe es nicht genug Ressourcen für Prävention.

Seit dem 1. April vergangenen Jahres ist der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis im öffentlichen, von 50 Gramm im privaten Raum straffrei. Der öffentliche Konsum von Cannabis ist darüber hinaus beschränkt. So gilt zum Beispiel ein Konsumverbot in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr. Für Minderjährige bleibt der Besitz von Cannabis verboten. Die Teillegalisierung ist umstritten.

Dem Bericht zufolge wurden seit Juli vergangenen Jahres bundesweit 293 Anbaulizenzen für „Cannabis Social Clubs“ vergeben. Das habe eine eigene Umfrage unter den für die Vergabe zuständigen Ministerien, Landesämtern und Bezirksregierungen der 16 Bundesländer ergeben. Mit 82 Clubs gibt es demnach die meisten lizenzierten Anbauvereine in Nordrhein-Westfalen.

Presseschau: Medizinisches Cannabis: Onlinehandel soll unterbunden werden (Deutsches Ärzteblatt)

Das Bundesgesundheitsministerium will die telemedizinische Behandlung von Cannabispatienten verbieten. Viele Verbände und Experten befürchten, dass dies auch beim medizinischen Einsatz zu einem Rückschritt bei der Versorgung mit Medikamenten auf Cannabisbasis führen würde.

Medizinisches Cannabis: Onlinehandel soll unterbunden werden

Seitdem medizinisches Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, boomt der Onlinehandel. Privatrezepte werden mittels Ferndiagnose oder Fragebogen ausgestellt und die Cannabisblüten über Versandapotheken verschickt. Das Bundesgesundheitsministerium will dem nun ein Ende setzen.

Kürzlich auf der „Mary Jane Berlin“, einer Messe für alles rund um Cannabis: Flyer von Unternehmen werben damit, eine „Behandlung“ mit Medizinalcannabis mittels eines QR-Codes online anzufragen und sich die Lieferung direkt auf dem Messestand etwa eine Stunde später abholen zu können. Auszufüllen ist über QR-Code lediglich ein einfacher Fragebogen zu Vorerkrankungen und Gesundheitszustand, manchmal ist noch ein telemedizinisches Gespräch dabei. Auf Cannabis spezialisierte Pharmafirmen sind mit großen Messeständen und großzügigen Give-aways auf der „Mary Jane“ vertreten und bieten auf ihren Onlineplattformen Cannabisblüten mit klingenden Namen wie „Amnesia Haze Cake“, „Diamond Mints“ oder „Gelato Dream“ an – in pharmazeutischer Qualität mittels Onlinerezept leicht zu bekommen. Auswählen kann man die Sorten im Onlineshop selbst, denn die vermeintlichen Indikationen sind weit gefächert.

Massiver Anstieg beim Import

Die Blüten werden mit einem THC-Gehalt zwischen 8 und 35 Prozent zu günstigeren Preisen als auf dem Schwarzmarkt angeboten. Die Preise variieren zwischen 4,89 und 12,50 Euro/Gramm – je höher der THC-Gehalt desto teurer. Das Internet ist voll mit Möglichkeiten online an Privatrezepte zu gelangen, meist reicht es, einen Fragebogen auszufüllen. Geliefert wird die Ware über Versandapotheken. Seitdem im April 2024 das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft getreten ist, welches eine Teillegalisierung von Cannabis als Genussmittel ermöglichte, hat sich der Import von medizinischem Cannabis nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verdreifacht: von 31 Tonnen auf 100 Tonnen ein Jahr später, im April 2025. Insgesamt wurden demnach 2024 mehr als 72 Tonnen getrocknete Cannabisblüten für medizinische und wissenschaftliche Zwecke eingeführt; 2023 waren es noch 32,5 Tonnen. Importiert werden die Cannabisblüten hauptsächlich aus Kanada, Portugal und Dänemark.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bezeichnete den starken Anstieg der Importe bereits kurz nach ihrem Amtsantritt im Mai dieses Jahres als „verstörend“ und sah „Missbrauch hinter den Zahlen“. Sie versprach, gesetzgeberisch dagegen vorzugehen. Von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) wurde bei ihrem Jahrestreffen im Juni die Erwartung an die Bundesregierung formuliert, eine Gesetzesinitiative gegen den mutmaßlichen Missbrauch umzusetzen. Die Bundesärztekammer (BÄK) betrachtet den sprunghaften Anstieg der Importe von Medizinalcannabis ebenfalls mit großer Sorge. „Diese Entwicklung nach Inkrafttreten des Medizinal-Cannabisgesetzes lässt vermuten, dass ein Teil der eingeführten Cannabisblüten nicht wie vorgesehen ausschließlich im Rahmen einer medizinischen oder wissenschaftlichen Verwendung zur Anwendung kommt“, teilt die BÄK dem Deutschen Ärzteblatt mit.

Mit der Teillegalisierung von Cannabis als Genussmittel im April 2024 entfiel aufgrund einer neuen Risikobewertung für Cannabis die Eigenschaft als Betäubungsmittel. Cannabis zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken wurde entsprechend aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) herausgenommen und in einem eigenen Gesetz, dem Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) neu geregelt. Seitdem muss Medizinalcannabis nicht mehr auf einem Betäubungsmittelrezept, sondern nur noch auf einem „normalen“ Rezept verordnet werden. Es blieb indes bei der Verschreibungspflicht durch eine Ärztin oder einen Arzt sowie der Apothekenpflicht. Bezeichnend ist, dass die Zahl der spezialisierten Cannabisapotheken von rund 50 im April 2024 ein Jahr später auf mehr als 250 angestiegen ist. Diese Zahlen beruhen auf einer Presseinformation von Grünhorn – einer Onlineplattform für „medizinische Cannabistherapie“, die auch als Logistikdienstleister für Cannabis-führende Apotheken und pharmazeutische Großhändler auftritt.

Die Bundesärztekammer hatte sich bereits im Vorfeld der Teillegalisierung von Konsumcannabis klar gegen eine Herausnahme von Medizinalcannabis aus dem BtMG ausgesprochen: Cannabis sei weiterhin ein Stoff, der die Kriterien eines Betäubungsmittels erfülle. BÄK-Präsident Dr. med. (I) Klaus Reinhardt betonte zudem: „Die psychoaktive Wirkung von Cannabis, das Risiko von Missbrauch und Abhängigkeit sowie die fehlende Zulassung für konkrete Anwendungsgebiete verlangen eine individuelle, sorgfältige Aufklärung und Begleitung, die nur im persönlichen Gespräch möglich ist.“

Persönlicher Arztkontakt erforderlich

Das Bundesgesundheitsministerium hat nun reagiert und einen Referentenentwurf für eine „Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes“ vorgelegt, der ein Onlineverschreibungs- und Onlineversandverbot vorsieht. Die Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken soll demnach künftig nur nach einem direkten, persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt erfolgen – sei es in der Praxis oder bei einem Hausbesuch. „Damit wird eine ausschließliche Behandlung im Rahmen der Videosprechstunde ausgeschlossen“, heißt es in dem Entwurf. Das absolute Fernbehandlungsverbot in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) sei zwar 2018 gestrichen worden, allerdings entbinde dies Ärztinnen und Ärzte nicht von der Verpflichtung zu einer sorgfaltsgerechten Behandlung anhand anerkannter fachlicher Standards. Bei einer Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken allein aufgrund einer schriftlichen Anamnese sei dies in der Regel nicht gegeben. Bei Folgeverschreibung ist dem Entwurf zufolge eine Konsultation pro vier Quartale vorgesehen. Weiterhin soll der Versand von medizinischem Cannabis an Endverbraucher unterbunden werden. Wegen der Vielzahl der mit Cannabisblüten verbundenen Besonderheiten würden umfassende Aufklärungs- und Beratungspflichten – beispielsweise zu Suchtgefahr und Gesundheitsrisiken – bestehen, die im Rahmen einer persönlichen Beratung in der Apotheke erfolgen müssten. Im Entwurf heißt es dazu: „Wegen der Risiken und Gefahren ist das Inverkehrbringen im Wege des Versandes mit Blick auf die Patientensicherheit nicht sachgerecht.“

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte den Schritt ausdrücklich. „Arzneimittel sind keine handelsüblichen Konsumgüter und gehören nicht auf kommerziell ausgerichtete Handelsplattformen“, sagte ABDA-Präsident Thomas Preis. Auch die BÄK unterstützt die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums, Onlineverschreibungen und Onlineversand von Medizinalcannabis zu unterbinden. Zudem bleibt die BÄK bei ihrer Kernforderung, dass Medizinalcannabis wieder dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt werden müsse. „Eine Rückführung in das BtMG und die Verschreibung auf BtM-Rezepten sind unerlässlich, um die Therapiesicherheit zu erhöhen und Missbrauch effektiv zu verhindern“, sagt Reinhardt.

Der Referentenentwurf aus dem BMG wird nach einer Verbändeanhörung nun das übliche parlamentarische Prozedere durchlaufen und soll nach dem Inkrafttreten die schnellen Onlineverschreibungen ohne persönlichen Arztkontakt und weitergehende Aufklärung in Apotheken eindämmen.

Mit Blick auf Gelegenheitskonsumenten wurde bereits vor der Teillegalisierung im parlamentarischen Prozess und entsprechenden Anhörungen von einigen Sachverständigen darauf hingewiesen, dass Cannabisfachgeschäfte für Erwachsene Bestandteil einer Legalisierungsstrategie sein sollten. Dort könne eine Suchtberatung angeboten werden und gegebenenfalls eine Vermittlung in weiterführende Hilfsangebote stattfinden. Pläne zur Umsetzung solcher Cannabisfachgeschäfte scheiterten aber am Widerstand der Europäischen Union.

Presseschau: Medizinisches Cannabis: Gegenwind zum Referentenentwurf aus der SPD (KrautInvest)

Das Gesetzesvorhaben aus dem von der CDU geführten Bundesministerium für Gesundheit wird auch aus den Reihen des Koalitionspartners kritisiert.

Medizinisches Cannabis: Gegenwind zum Referentenentwurf aus der SPD

Nach dem Vorstoß von Nina Warken, die am 14. Juli einen Referentenentwurf für eine Anpassung des MedCanGs vorgelegt hatte, melden sich nun die beiden führenden Gesundheitspolitiker der SPD-Fraktion kritisch zu Wort. Die Äußerungen bestätigen: Die SPD dürfte etwas dagegen haben, dass diese Gesetzesanpassungen tatsächlich in dieser Form zeitnah in Kraft treten. Falls doch, müssten Cannabis-Patient:innen einmal jährlich persönlich vor Ort mit ihrem Arzt sprechen und könnten das verordnete medizinische Cannabis nur noch vor Ort in der Apotheke erhalten.

Matthias Mieves, stellvertretender Sprecher der Fraktion für Gesundheitsthemen, betont auf Linkedin: Die SPD habe in der letzten Wahlperiode „nach dem Scheitern der Verbotspolitik gesellschaftliche Realitäten ausdrücklich anerkannt“. Zudem habe die vorherige Regierung im Rahmen der Reform medizinisches Cannabis aufgrund einer „veränderten Risikobewertung“ aus dem BtMG herausgenommen, der Patientenzugang sei dadurch „nachhaltig vereinfacht“ worden. Damit liefert der SPD-Mann einen alternativen Erklärungsansatz für die steigenden Importmengen, die eben nicht nur am Missbrauch, wie vom BMG vermutet, sondern ebenso gut am einfacheren Zugang liegen können.

Mieves erklärt zudem, dass ihm „eine verlässliche, wohnortnahe und barrierefreie Versorgung aller Patientinnen und Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, von zentraler Bedeutung“ ist, auch wenn er reine Online-Verschreibungen von „suchterzeugenden Arzneimitteln ohne jeglichen Arztkontakt“ grundsätzlich ausschließen will. Zuvor hatte bereits Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, im Deutschlandfunk betont, dass „Patient:innen nicht unter einer neuen Regelung leiden“ dürften. Damit könnte beide SPD-Politiker insbesondere auf das im Referentenentwurf vorgesehene Versandverbot für Apotheken abzielen, das insbesondere schwerst erkrankten Menschen mit eingeschränkter Mobilität den Zugang zur verordneten Cannabis-Arznei deutlich erschweren würde.

Interessant dabei: Eingangs hebt Mieves hervor, dass das Risiko von medizinischem Cannabis neu – in dem Fall niedriger – bewertet wurde. Bei „suchterzeugenden Arzneimitteln“ spricht er nicht explizit von Cannabis, vielmehr dürfte sich diese Aussage auch auf etliche andere verschreibungspflichtige Medikamente beziehen – wie etwa auf die regelmäßig bei Schlafstörungen verordneten Z-Substanzen, die Schätzungen zufolge jedes Jahr millionenfach in Deutschland missbräuchlich eingenommen werden. Eine wie vom BMG geforderte Ausnahmegenehmigung für die telemedizinische Cannabis-Therapie ergibt sich dieser Logik folgend eben nicht.

Vor allem aber hebt Mieves hervor, dass man „noch ganz am Anfang“ des Gesetzgebungsprozesses“ stehe und es noch „eine Weile dauern“ werde, bis das Gesetz im Bundestag und im Ausschuss beraten wird. Das heißt im Umkehrschluss: In dieser Form wird das Gesetz die Ressorts und das Kabinett nicht ohne Gegenwind aus der SPD passieren.

So hatte Carmen Wegge, die sich aktuell noch nicht zum Referentenentwurf geäußert hat, erst im Mai auf dem parlamentarischen Abend des BvCW betont, dass eine Abschaffung des CanGs vom Tisch sei. Ihre Hoffnung lautet damals, dass es vor allem um „Verbesserungen des Gesetzes basierend auf den Ergebnissen der Evaluation“ gehe. Diese gesetzlich verankerte Evaluation, die auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, läuft bereits seit Januar 2025. Gesundheitsministerin Nina Warken hatte in der FAZ ebenfalls betont, die Ergebnisse abwarten zu wollen. Dass sie nun entgegen aller Vereinbarungen mit dem Referentenentwurf nach vorne geprescht ist, bevor diese Fakten auf dem Tisch liegen, dürfte beim sozialdemokratischen Koalitionspartner ebenfalls zumindest für Irritationen gesorgt haben.

Weitere Meldungen der vergangenen Tage

Statement des Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, zur geplanten Änderung des Medizinal-Cannabis-Gesetzes (Ärztekammer Nordrhein)

Fast 300 Anbaulizenzen für Cannabis-Clubs in Deutschland vergeben (Pfalz Express)

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