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ACM-Mitteilungen vom 20. September 2025

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach einem Artikel in LTO (Legal Tribune Online) wollte die Bundesregierung bereits am 9. September im Kabinett einen Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit diskutieren und beschließen. Allerdings wurde das Vorhaben von der Tagesordnung genommen und soll nun am 8. Oktober 2025 behandelt werden. Die SPD hatte deutlich gemacht, dass sie den Entwurf so nicht mittragen werde. Die ACM hatte in einer eigenen Stellungnahme und in einem Positionspapier zusammen mit anderen Fachverbänden auf die Nachteile in der gesundheitlichen Versorgung mit cannabisbasierten Medikamenten hingewiesen, die mit der Umsetzung des Referentenentwurfs verbunden wären.

Heiter weiter!

Franjo Grotenhermen

Presseschau: Europarecht könnte BMG-Vorhaben vereiteln (Legal Tribune Online)

Kommentar Grotenhermen: Gemäß eines Artikel in LTO (Legal Tribune Online) gibt es verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen den Entwurf eines Gesetzes aus dem Bundesministerium für Gesundheit zu Verschärfungen des Medizinal-Cannabisgesetzes. So wird infrage gestellt, ob die Telemedizin in einem solchen Umfang abgewertet werden darf, dass sie quasi nicht mehr Teil der Behandlung mit cannabisbasierten Medikamenten sein darf, so dass nur noch persönliche Vorstellungen in der Arztpraxis möglich sein sollen. Außerdem sollen Cannabisblüten nicht mehr durch Apotheken verschickt werden dürfen. Beides würde beispielsweise die Versorgung mit cannabisbasierten Medikamenten im ländlichen Raum erheblich erschweren, da wieder die Praxen noch die Apotheken, die sich mit dieser Thematik befassen, in ausreichendem Maße vorhanden sind. Zudem würde es deutsche Ärzte gegenüber Ärzten in Nachbarländern benachteiligen und sie unter den Generalverdacht stellen, sie würden keine sorgfältigen Medizin betreiben, wenn Sie Telemedizin betreiben.

Telemedizin und Cannabis: Europarecht könnte BMG-Vorhaben vereiteln

Mit dem Inkrafttreten des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) Anfang April 2024 hat der Gesetzgeber die bisherige Rechtslage neu geordnet: Medizinalcannabis wurde in einem eigenständigen Regelwerk jenseits des Betäubungsmittelgesetzes verankert und damit die medizinische Nutzung auf einer Ebene mit anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will das MedCanG bereits anpassen und hat dafür einen ersten Referentenentwurf vorgelegt. Dieser stand bis vor wenigen Tagen auch noch auf dem Entwurf einer Tagesordnung für die Sitzung des Bundeskabinetts am 10. September, wurde dann aber wieder zurückgezogen. Ob er noch einmal überarbeitet wird, ist unklar.

Persönliches Vorsprechen in der Arztpraxis

Jedenfalls sieht der Entwurf aus dem BMG zwei Veränderungen vor: Erstens müssten Patient:innen zu Beginn ihrer Therapie und dann alle vier Quartale persönlich in einer Arztpraxis vorsprechen; zweitens wäre Apotheken im Falle eines Inkrafttreten des gegenwärtigen Entwurfs der Versand medizinischer Cannabisblüten verboten. Patient:innen müssten ihre Rezepte entsprechend persönlich in einer Apotheke in ihrer Nähe einlösen.

Angesichts einer solch drastischen Beschränkungen der Telemedizin für die Verordnung medizinischer Cannabisblüten stellt sich die dringende Frage, ob dieser Schritt einer juristischen Überprüfung standhält und angesichts bereits bestehender Regeln zu rechtfertigen wäre.

Seit der Einführung der medizinischen Cannabisversorgung wird die Praxis kontinuierlich begleitet und evaluiert. Auf Basis eben dieser Daten sollten Anpassungen der Regelungen erfolgen, um die Versorgung evidenzbasiert zu steuern und Missbrauch zu verhindern.

Eingriff in laufenden Evaluierungsprozess

Vor diesem Hintergrund überrascht die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) geplante, überstürzt wirkende generelle Einschränkung der Telemedizin bei Verordnungen von medizinischen Cannabisblüten – zumal sie auch vorzeitig in einen bereits laufenden Evaluierungsprozess beim Thema Cannabis eingreift.

Die Argumentation, dass diese zwischen Union und SPD vereinbarte Evaluierung ausschließlich das Konsumcannabisgesetz (KCanG) betreffe, greift zu kurz. Schließlich weist der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Regulierung von Cannabis auf eine vollkommen ergebnisoffene Überprüfung im Herbst 2025 hin. Warken jedoch will offenbar schon mit ihrem Gesetz schon vorab Weichen stellen.

Deutsche Ärzt:innen unter Generalverdacht?

Die Einschränkung der Telemedizin bei Verschreibungen von medizinischen Cannabisblüten begründet das BMG unter anderem mit gestiegenen Importen und der Diskrepanz zwischen privat und gesetzlich abgerechneten Verschreibungen. Es ist allerdings fraglich, ob diese isoliert betrachtenden Zahlen einen solch generellen Eingriff rechtfertigen.

Juristisch stellt sich die konkrete Frage, ob ein solch pauschales Verbot und der damit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit von Ärzt:innen und in die Rechte von Patient:innen verhältnismäßig ist.

So bewertet das BMG die telemedizinische Verschreibung von medizinischen Cannabisblüten als besonderes Risiko, was den Eindruck erwecken könnte, dass deutsche Ärzt:innen unter einem Generalverdacht stehen. Dabei unterliegen sie bereits heute strengen gesetzlichen und berufsrechtlichen Vorgaben.

Ungleichbehandlung im europäischen Binnenmarkt

Besonders auffällig ist das Missverhältnis im europäischen Vergleich: Während deutsche Ärzt:innen künftig bei der Erstverordnung auf ein persönliches Erscheinen bestehen müssen, könnten ihre Kolleg:innen in Wien oder Amsterdam weiterhin via Videosprechstunde Verschreibungen vornehmen. Das Rezept müsste lediglich in Deutschland eingelöst werden. Dies könnte zu einem unmittelbaren Standortnachteil für deutsche Ärzt:innen führen, obwohl diese bereits durch Kontrollmechanismen engmaschig überwacht werden.

Diese europarechtliche Dimension macht das Problem besonders deutlich. Nach Unionsrecht dürfen Patient:innen ärztliche Leistungen auch in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen und die dort ausgestellten Rezepte in Deutschland einlösen – auch telemedizinisch.

Es stellt sich daher die Frage, ob der Gesetzgeber eine Regelung schaffen will, die im Ergebnis inländische Leistungserbringer:innen stärker belastet als ihre europäischen Wettbewerber:innen. Eine solche Ungleichbehandlung könnte mit den Grundsätzen des europäischen Binnenmarkts und der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kollidieren, sofern der Eingriff nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Berufsfreiheit auf dem Prüfstand

Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht wirft der Entwurf Fragen auf. Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz sind nur gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig sind – also geeignet, erforderlich und angemessen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetze und den berufsrechtlichen Vorgaben könnte bereits fraglich sein, ob es überhaupt einer Gesetzesänderung bedarf, denn auch nach geltendem Recht ist ein automatisierter Rezeptbestellvorgang ohne ärztliche Entscheidung rechtswidrig.

Weiterhin könnte ein pauschales Verbot telemedizinischer Erstverordnungen die Anforderungen an die Angemessenheit möglicherweise nicht erfüllen. Der intendierte Missbrauchsschutz ließe sich mit gezielteren Maßnahmen erreichen, etwa durch verstärkte Dokumentationspflichten, Kontrollen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen oder stichprobenartige Audits. Ein generelles Verbot hingegen könnte ein modernes Versorgungsmodell ausbremsen, das politisch ausdrücklich gefördert werden soll.

Bestehende Kontrollmechanismen

Die Annahme, telemedizinische Verschreibungen seien ein unkontrollierbares Risiko, wird auch der Realität nicht gerecht. Schon heute gilt ein klarer Rechtsrahmen, der Missbrauch verhindern soll:

  • Werbeverbot: § 9 Heilmittelwerbegesetz erlaubt Werbung für Fernbehandlungen nur sehr eingeschränkt. Plattformen dürfen ärztliche Leistungen nicht wie ein frei verfügbares Konsumgut anpreisen.
  • Zuweisungsverbot: § 11 Apothekengesetz untersagt Ärzt:innen und Apotheken, Patient:innen aus wirtschaftlichen Gründen zuzuweisen oder sich zuweisen zu lassen. Damit wird verhindert, dass ökonomische Interessen die ärztliche Entscheidung beeinflussen.
  • Unabhängigkeit der Ärzt:innen: Nach § 30 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzt:innen sind medizinische Entscheidungen frei von wirtschaftlichem Druck oder externen Vorgaben zu treffen. Rezepte sind eigenverantwortlich auszustellen, automatisierte Verschreibungen auf Basis bloßer Fragebögen sind unzulässig.

Diese Regelungen greifen bereits und werden von Behörden, Gerichten und berufsständischen Organisationen überwacht. Hinzu kommen arzneimittelrechtliche Standards, kassenärztliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen und die Möglichkeit von Regressansprüchen.

Bei Videosprechstunde bleibt ärztliche Verantwortung gewahrt

Vor diesem Hintergrund erscheint die geplante Einschränkung telemedizinischer Erstverordnungen von Medizinalcannabis widersprüchlich. Telemedizin ist kein rechtsfreier Raum, sondern ein Instrument, um Versorgungslücken zu schließen: Millionen Patient:innen leben in Regionen mit geringer Ärztedichte. Chronische Schmerzpatient:innen, die auf Cannabis angewiesen sind, müssen heute teils weite Wege auf sich nehmen.

Die Videosprechstunde schafft hier einen niedrigschwelligen Zugang, ohne die ärztliche Verantwortung auszuhebeln. Ob die Anamnese im Praxiszimmer oder via Bildschirm erfolgt, ändert nichts an der Pflicht zur sorgfältigen Indikationsstellung, Dokumentation und Aufklärung.

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine klare Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Telemedizin angekündigt hat. Maßnahmen wie das e-Rezept, die elektronische Patientenakte und digitale Gesundheitsanwendungen sollen die Versorgung modernisieren und verbessern.

Eine Einschränkung der Telemedizin bei Verschreibungen von Medizinalcannabis steht in einem deutlichen Widerspruch zu diesen Zielen und könnte als Rückschritt in analoge Strukturen wahrgenommen werden.

Freiwilliger Kodex zur Vertrauensbildung

Ein Blick auf die bisherige Rechtsprechung zur Telemedizin zeigt, dass sowohl Plattformen als auch Ärzt:innen ihren gesetzlichen und standesrechtlichen Pflichten nachzukommen haben und Verstöße sanktioniert werden.

Darüber hinaus liegt es jedoch auch an der Branche selbst, zur Vertrauensbildung beizutragen. Denkbar wäre etwa ein freiwilliger Kodex, wie er in der Arzneimittelindustrie zum Beispiel mit dem FSA (Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.) etabliert wurde.

Ein solcher Kodex könnte verbindliche Verhaltensstandards für Ärzt:innen, Apotheken und Plattformbetreiber definieren, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen. Dies würde nicht nur die Qualität und Sicherheit der Versorgung erhöhen, sondern auch eine transparente und nachvollziehbare Selbstregulierung ermöglichen. Dafür müsste die Politik der Branche aber ausreichend Zeit einräumen, auf die geäußerten Bedenken zu reagieren und die Entscheider:innen nicht unmittelbar vor vollendete Tatsachen stellen.

Patientenfreundliches Modell nicht ausbremsen

Es bleibt zu hoffen, dass das federführende BMG seinen Entwurf nun überarbeitet. Denn wie aufgezeigt, könnte die ursprünglich geplante Verschärfung bei der Verschreibung medizinischer Cannabisblüten deutsche Ärzt:innen im europäischen Vergleich benachteiligen, obwohl bereits umfassende Kontrollmechanismen bestehen.

Und auch die Verhältnismäßigkeit eines pauschalen Verbots telemedizinischer Erstverordnungen medizinische Cannabisblüten ist zweifelhaft. Der intendierte Missbrauchsschutz ließe sich ebenso durch mildere Mittel erreichen – etwa durch geltendes Recht, gerichtliche Kontrolle und ergänzende Selbstregulierung.

Schließlich stünde ein generelles Verbot in deutlichem Widerspruch zu den Zielen des Koalitionsvertrags, die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben und innovative Versorgungsmodelle zu fördern.

Dass die Koalition indes den Entwurf aus dem BMG komplett in der Schublade verschwinden lässt, ist unwahrscheinlich.* Auf Nachfrage von LTO stellte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Christos Pantazis klar, dass man im Grundsatz an dem Vorhaben festhält:

“Für uns als SPD-Bundestagsfraktion ist es von zentraler Bedeutung, dass eine verlässliche, wohnortnahe und barrierefreie Versorgung für alle Patientinnen und Patienten, die auf medizinisches Cannabis angewiesen sind, gewährleistet bleibt. Gerade Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen sind im besonderen Maße auf einen verantwortungsvollen Einsatz digitaler Versorgungsformen angewiesen. Online-Verschreibung von Arzneimitteln, die Suchterkrankungen auslösen können, darf für unbekannte Patientinnen und Patienten ohne jeglichen Arztkontakt grundsätzlich nicht möglich sein. Man werde gemeinsam mit dem Koalitionspartner “im weiteren Verfahren an einer ausgewogenen Regelung arbeiten, die beiden Anliegen gerecht wird”.

Man darf also gespannt sein. Wünschenswert wäre, wenn die neue Koalition das moderne und patientenfreundliche Versorgungsmodell, das die Ampel in der letzten Wahlperiode geschafft hat, nicht ausgebremst, sondern fortentwickelt.

Presseschau: Cannabis stellt Koalition auf die Probe (Pharmazeutische Zeitung)

Kommentar Grotenhermen: Mittlerweile wird deutlich, dass der aktuelle Referentenentwurf zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes aus dem BMG aufgrund berechtigter Bedenken aus der SPD im Bundestag so nicht zur Abstimmung kommen wird.

Geplantes Cannabisverbot: Cannabis stellt Koalition auf die Probe

Onlineverschreibung und Versand von Cannabisblüten sollen verboten werden, so sieht es ein Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor. Morgen sollte das Thema eigentlich auf den Kabinettstisch, es flog aber von der Tagesordnung. Die SPD hat bereits Widerstand gegen die Pläne signalisiert – und verweist vorab auf das »Struck’sche Gesetz«.

Im Juli hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) einen Referentenentwurf vorgelegt, der dem Handel mit Cannabisblüten das Wasser abgraben soll. Verschreibung und Abgabe von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken sollen laut »Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes« (MedCanG) strenger reguliert werden. Erstverschreibung von Cannabisblüten soll es nur nach einem persönlichen Arztkontakt geben, auch für Folgeverschreibungen soll mindestens einmal innerhalb der letzten vier Quartale ein persönlicher Arztkontakt erforderlich sein. Verboten wird laut den Plänen der Versand für medizinische Cannabisblüten.

Anlass für den Schritt war, dass in der zweiten Jahreshälfte 2024 Importzahlen von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken emporgeschnellt waren. Mit dem Cannabisgesetz (CanG) wurde im April 2024 auch der medizinische Gebrauch von Cannabis im MedCanG neu geregelt. Seitdem wird Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft, weshalb Cannabis ohne Betäubungsmittelrezept verordnet werden kann. Auch Onlineverschreibungen sind seitdem möglich.

Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 seien die Zahlen um 170 Prozent gestiegen, meldete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).  Hinauf gingen im selben Zeitraum auch die Verordnungen von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken zu Lasten der Krankenkassen, allerdings nur um 9 Prozent. Es liegt also nahe, dass es sich um Privatverschreibungen an Selbstzahler handelt.

SPD will vorliegenden Plan »in keinem Fall mittragen«

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sieht hier eine Missbrauchsgefahr und will dem offenbar florierenden Geschäft einen Riegel vorschieben. Das Kabinett soll sich demnächst mit den Plänen befassen. In der vergangenen Woche kursierte der morgige 10. September als Beratungstermin. Ein BMG-Sprecher ließ die PZ aber heute wissen, dass das MedCanG morgen nicht besprochen werde. Der Referentenentwurf befinde sich weiter in der Ressortabstimmung. Ein konkreter Kabinettstermin sei noch nicht bekannt.

Für Union und SPD kann der Entwurf jedenfalls neuen Zündstoff bergen. Gerade erst hatten die Fraktionsspitzen bei einer Art Gruppentherapie in Würzburg Gemeinsamkeiten beschworen und Vertrauen gefestigt – am Cannabis aber scheiden sich die Geister.

Dass die SPD die Pläne in der aktuellen Fassung »in keinem Fall« mittragen werde, hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge bereits im August angekündigt. Die Sprecherin der Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion verwies auf der Plattform abgeordentenwatch.de darauf, dass in der vergangenen Legislatur ein »Paradigmenwechsel« in der Drogenpolitik vorgenommen worden sei.

Cannabis sei entkriminalisiert und der Zugang zu Medizinalcannabis für Patientinnen und Patienten vereinfacht worden. Für die SPD sei zentral, »dass eine verlässliche, wohnortnahe und barrierefreie Versorgung sichergestellt ist«. Die digitale Versorgung spiele insbesondere für chronisch Kranke sowie in unterversorgten Gegenden eine wichtige Rolle.

Es gelte daher, »eine Lösung zu erarbeiten, mit der Medizinalcannabis weiterhin gut für alle Patientinnen, die es benötigen, zugänglich ist und gleichzeitig Patient*innenschutz gewährleistet wird«. Nach einem Beschluss im Kabinett werde ein möglicher Gesetzentwurf dem Bundestag zugeleitet und in den zuständigen Fachausschüssen beraten. Und hier gelte das »Struck’sche Gesetz«, wonach kein Gesetzentwurf die Ausschussberatung so verlässt, wie er hineingegeben wurde. Bis der Bundestag ein mögliches Gesetz verabschiede, seien also noch viele Verhandlungsschritte nötig.

Presseschau: Genehmigungen für Einfuhr von Cannabis pausieren – Höchstmenge von 122 Tonnen erreicht (krautinvest)

Kommentar Grotenhermen: Die Einfuhrmenge von Cannabis für das Jahr 2025 liegt nach Angaben des BfArM bereits heute über der geschätzten Einfuhrmenge. Vermutlich habe dies jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf die maximalen Einfuhrmengen für das laufende Jahr, etwa im Sinne eines Einfuhrstopps. Es soll weiterhin ausreichend Cannabis in den Apotheken vorhanden sein.

Genehmigungen für Einfuhr von Cannabis pausieren – Höchstmenge von 122 Tonnen erreicht

Aktuell können keine Genehmigungen für die Einfuhr von Cannabis zu medizinischen Zwecken nach Deutschland erteilt werden. Das bestätigte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Anfrage von krautinvest.de. Grund sei, dass die aktuell beim Internationalen Suchtstoffkontrollamt (INCB) für das laufende Kalenderjahr gemeldet Bedarfsschätzung für Cannabis zu medizinischen Zwecken für Deutschland 122 Tonnen betrage. Diese sei bereits erschöpft. Zu einem Importstopp komme es aber nicht, heißt es seitens der Behörde. Bearbeitungszeiten für Anträge könnten sich hingegen verlängern.

Weiterhin heißt es seitens des BfArM, dass sich aus dem komplexen Verfahren zu den jährlichen Bedarfsschätzungen für Suchtstoffe völkerrechtliche Vorgaben ergeben, „die Bedarfsschätzungen grundsätzlich restriktiv anzusetzen“. Bei überhöhten Bedarfsschätzungen könnten empfindliche Kürzungen durch das INCB drohen. Immerhin gibt das BfArM leichte Entwarnung: Zur Entspannung der Situation gebe es das Instrument der sogenannten ‚Nachschätzung‘ während eines laufenden Kalenderjahres. Hierdurch verlängerten sich „im Einzelfall lediglich die Bearbeitungszeiten eines Antrags auf Einfuhrgenehmigung, bis die neue Menge vom INCB bestätigt wird“, heißt es. Welche „neue Menge“ bestätigt werden soll, teilte das BfArM nicht mit, auch nicht, wie weit dieser Prozess bereits fortgeschritten ist. Ein Sprecher betont aber: „Es kommt in der Regel nicht zu einem Stopp von Importen oder förmlichen Ablehnungen von Anträgen auf Einfuhrgenehmigungen.“ Wie lang die Bearbeitungszeiten nun ausfallen können, gibt das BfArM nicht an.

Das beim INCB gemeldete Cannabiskontingent bezieht sich laut Angaben der Bundesbehörden nur auf medizinische Cannabisblüten, Extrakte seien davon separat zu betrachten. Informationen, wie große die gegenwärtigen Bestände an medizinischen Cannabisblüten der Großhändler und Apotheken in Deutschland sind, liegen nicht vor.

Deepak Anand, langjähriger Industrie-Experte für Cannabis, betont in einem Linkedin-Beitrag: „Es ist wichtig, dass das INCB keinerlei Begrenzungen oder Quoten für die weltweit zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken produzierte Menge an ‚Suchtstoffen‘ einschließlich Cannabis festlegt.“ Wenn Exporte oder Importe von Suchtstoffen wie Cannabis die entsprechenden Schätzungen überschreiten, könne der Rat die betroffenen Länder kontaktieren und um Erklärungen sowie um die Ergreifung von Korrekturmaßnahmen ersuchen, erläutert Anand. Ein Einfuhrland könne beispielsweise aufgefordert werden, zu erläutern, ob ein scheinbarer Überimport für eine Wiederausfuhr bestimmt sei, oder es könne dem Land geraten werden, dem Rat eine ergänzende Schätzung vorzulegen, falls es im Laufe eines Jahres zusätzliche Mengen eines Suchtstoffs wie Cannabis benötige, so Anand weiter. Laut BfArM befinde sich die „Thematik derzeit in Klärung“. Das BfArM macht seit der Herausnahme von medizinischem Cannabis nicht mehr publik, wie viel medizinisches Cannabis den Weg in die Apotheken gefunden hat.

 

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