Das Gesetz macht keine Vorgaben zu den für eine Verordnung zugelassenen Indikationen. Zu den Voraussetzungen für eine Verordnung bei einer schwerwiegenden Erkrankung siehe Frage 1 und 2.

Entwicklung einer G-BA-Richtlinie auf Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung durch das BfArM

Da für viele Krankheitsbilder noch keine ausreichenden Forschungsergebnisse zum Nutzen und zur Wirkung einer Behandlung mit cannabishaltigen Arzneimitteln vorliegen, führt das BfArM über einen Zeitraum von 60 Monaten eine nicht interventionelle wissenschaftliche Begleiterhebung der von den Krankenkassen genehmigten Behandlungen durch (§ 36 Abs. 6 Satz 4 SGB V).
Mit Hilfe der anhand der Begleiterhebung gewonnenen Daten wird das BfArM einen Studienbericht erstellen, auf dessen Grundlage der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) anschließend innerhalb von sechs Monaten in einer Richtlinie das Nähere zur Leistungsgewährung regeln wird (§ 36 Abs. 6 Satz 8 SGB V). Dies wird somit erst 2022 der
Fall sein.

Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu relevanten Indikationsgebieten
Nach einer Recherche der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) liegen für Cannabisarzneimittel akzeptable wissenschaftliche Erkenntnisse bislang nur für die begleitende Behandlung von Spastiken, Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika sowie chronische Schmerzen vor. Eine mögliche Wirksamkeit wird zudem in der Literatur für Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei HIV-AIDS, Schizophrenie, Morbus Parkinson, Tourette-Syndrom, Epilepsie, Kopfschmerzen sowie chronisch entzündliche Darmerkrankungen diskutiert.

https://www.akdae.de/Stellungnahmen/Weitere/20160114.pdf

Eine von Whiting et al.4 durchgeführte Meta-Analyse von 79 Studien zum Thema ergab eine moderate Evidenz für den Einsatz von Cannabinoiden zur Behandlung von chronischen Schmerzen und Spastiken. Eine geringere Evidenz zeigte sich für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Kontext von Chemotherapien, von Gewichtsverlust bei HIVInfektion, von Schlafstörungen und für die Behandlung des Tourette-Syndroms.

Eine ausführliche Übersichtsarbeit5 der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine stellt dar, dass eine gute Evidenz für eine therapeutische Wirksamkeit von Cannabinoiden in folgenden Indikationen vorliegt: die Behandlung chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, von Spastik bei Multipler Sklerose und für die antiemetische Therapie von Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika. Mäßig oder wenig Evidenz liegt vor u. a. für die Behandlung von Schlafstörungen in bestimmten Situationen, Gewichtsverlust bei HIV/AIDS und Symptomen des Tourette-Syndroms.

Die bisherigen Ausnahmegenehmigungen für eine Behandlung mit Cannabis nach § 3 Abs. 2 BtMG (siehe hierzu Frage 15) wurde vom BfArM vorrangig bei folgenden Indikationen erteilt:

Quelle:Deutscher Bundestag (27.03.2017): Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der LINKEN, Drucksache 18/11701, Cannabismedizin und Straßenverkehr, S. 3 Weitere mögliche Indikationen werden von Müller-Vahl und Grotenhermen in ihrem Artikel „Medizinisches Cannabis – Die wichtigsten Änderungen“ (DÄBl. Jg. 114 Heft 8 24. Februar 2017, A354) genannt. 4 Whiting PF et al. (2015): Cannabinoids for Medical Use ‐ A Systematic Review and Meta‐analysis. In: JAMA 2015;313(24):2456‐2473. doi:10.1001/jama.2015.6358 5 National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (2017): The health effects of cannabis and cannabinoids: https://www.nap.edu/catalog/24625/the‐health‐effects‐of‐cannabis‐and‐cannabinoids‐thecurrent‐state 9

Hinsichtlich der Indikationen ist darauf hinzuweisen, dass cannabinoidhaltige Arzneimittel ausschließlich symptomatisch wirken und für sie bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich eines therapeutischen Nutzens für die Behandlung der jeweiligen Primärerkrankung vorliegen.

Zu berücksichtigende Kontraindikationen
Für die bislang zugelassenen cannabinoidhaltigen Fertigarzneimittel werden in den Fachinformationen folgende Kontraindikationen genannt:

Canemes®:

Müller-Vahl und Grotenhermen (2017)8 weisen auf folgende mögliche Kontraindikationen hin:
„Cannabis sollte bei Bestehen einer schweren Persönlichkeitsstörung, Psychose und schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schwangeren und stillenden Müttern nicht verordnet werden. Wegen fehlender Daten sollte die Behandlung von Kindern und Jugendlichen (vor der Pubertät) sehr sorgfältig abgewogen werden. Besonders bei älteren Patienten können stärkere zentralnervöse und kardiovaskuläre Nebenwirkungen
auftreten.“

https://www.gelbe‐liste.de/produkte/sativex‐spray‐zur‐anwendung‐in‐dermundhoehle_
534377/fachinformation https://www.gelbe‐liste.de/produkte/canemes‐1‐mg‐kapseln_976309/fachinformation 8 Müller‐Vahl, K.; Grotenhermen, F. (2017): Medizinisches Cannabis, Die wichtigsten Änderungen, in: Dtsch Arztebl, 2017, 114(8): A 352–6