Oberverwaltungsgericht Münster weist Berufung in der Auseinandersetzung um den Eigenanbau von Cannabis zurück – Strafverfahren gegen mehrere Erlaubnisinhaber wegen Eigenanbaus

Die betroffenen Patienten waren nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 11. Juni 2014 enttäuscht. Hatten sie doch gehofft, dass OVG würde endlich den Weg für eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke von Michael F., Multiple-Sklerose-Patient aus Mannheim, durch die Bundesopiumstelle freimachen. Der Anwalt des Patienten erklärte jedoch nach der Urteilsverkündung gegenüber der ACM, dass zur Enttäuschung kein Anlass bestehe, da nicht zu erwarten gewesen sei, dass die Angelegenheit heute erledigt wird. Es habe von vornherein festgestanden, dass der Weg zum Bundesverwaltungsgericht führen würde. Der Weg sei jetzt erfreulicherweise offen, da das OVG die Revision zugelassen habe. Beim ersten Urteil des OVG vom 7. Dezember 2012 war das noch anders.

Worum ging es in diesem Verfahren?
Im Dezember 2012 hatte das OVG Münster nahezu alle Argumente der Bundesopiumstelle gegen eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis durch Patienten zurückgewiesen, wie beispielsweise Bedenken hinsichtlich der Sicherung gegen Entwendung durch Dritte, die Klage jedoch abgewiesen, da für ihn mit Dronabinol eine gleichwertige Therapie verfügbar sei (siehe: Die Klage für den Eigenanbau von Cannabis geht in die nächste Runde).
Im aktuellen Verfahren ging es vor allem um die Frage, ob ein Therapieversuch des Patienten mit Dronabinol Ende 2012 ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ob ein weiterer Therapieversuch unter stationären Bedingungen möglicherweise Aussicht auf Erfolg haben könnte und zumutbar sei. Ein erneuter Therapieversuch wird vom Patienten abgelehnt, da dieser mit unzumutbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen könnte.

Zu diesem Thema waren die beiden behandelnden Ärzte, der Neurologe Dr. Schubert aus Mannheim und Dr. Grotenhermen aus Rüthen, als sachverständige Zeugen geladen. Sie erklärten übereinstimmend, dass der Therapieversuch mit Dronabinol nach ihrer Auffassung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Dieser Versuch hatte ergeben, dass ein kleiner Teil der bisher vom Patienten verwendeten Cannabisblüten (3,5 g Cannabis der Sorte Jack Herer, entsprechend der Sorte Bedrocan des niederländischen Unternehmens Bedrocan) durch reines Dronabinol (THC) ersetzt werden konnte. Höhere Dosierungen über 20 Tropfen führten nach Angaben der Lebensgefährtin und Dr. Schubert zu nicht zumutbaren Nebenwirkungen (Unruhe, Anspannung, Hektik), sodass die Dosis nicht weiter erhöht werden konnte.

Dr. Grotenhermen wies darauf hin, dass die Sorte Bedrocan einen THC-Gehalt von 19-22 % aufweist, und dass es unwahrscheinlich sei, dass die gleiche Sorte, die vom Patienten angebaut wird, weniger als 15 % THC aufweist. Daraus errechne sich eine Tagesdosis von mindestens 525 mg THC. Da bereits 20 Tropfen Dronabinol-Lösung, entsprechend etwa 17 mg THC, Nebenwirkungen verursachen, sei nicht zu erwarten, dass der Patient die Cannabisblüten vollständig durch reines THC ersetzen könne, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erleiden.

Die beiden Vertreter der Bundesopiumstelle insistierten, dass der Dronabinolversuch nicht optimal durchgeführt worden sei, und dass zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei einer Umstellung ein weiterer Therapieversuch mit Dronabinol unter stationären Bedingungen durchgeführt werden könnte. Dr. Schubert wies darauf hin, dass sich vermutlich keine Klinik finden würde, die bereit sei, einen solchen Umstellungsversuch durchzuführen, insbesondere da es nicht darum gehe, durch eine stationäre Therapie die medikamentöse Behandlung des Patienten zu optimieren. Zudem sei wenig wahrscheinlich, dass eine Klinik bereit sei, die erforderlichen hohen Dronabinol-Dosen zu verabreichen.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es weiter
Zur weiteren Einschätzung muss die Urteilsbegründung abgewartet werden. Insbesondere wird es von Bedeutung sein, ob das Gericht Dronabinol weiterhin als eine mögliche Alternative für Cannabisblüten betrachtet. In der Begründung des Urteils vom Dezember 2012 hatte das OVG allerdings die Einschätzung des behandelnden Arztes in dieser Frage als ausschlaggebend genannt. Es wäre jetzt überraschend, wenn das OVG nun hinter seine eigene Entscheidung zurückfällt. Der Prozess wird voraussichtlich vor dem Bundesverwaltungsgericht weitergeführt werden. Zuvor wird das Verwaltungsgericht Köln über weitere Klagen von Patienten gegen ablehnende Bescheide der Bundesopiumstelle auf ihre Anträge auf eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke entscheiden. Die erste Verhandlung soll am 28. Juli stattfinden.

Strafverfahren gegen Erlaubnisinhaber wegen des Eigenanbaus
Zur Zeit laufen (mindestens) vier Ermittlungs- bzw. Strafverfahren gegen Erlaubnisinhaber für den Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke aus mehreren Bundesländern mit verschiedenen Erkrankungen (chronische Schmerzen, ADHS, Tourette-Syndrom, posttraumatische Belastungsstörung), die sich den Cannabis aus der Apotheke nicht in dem erforderlichen Umfang leisten können und daher Cannabis selbst angebaut oder sich aus illegalen Quellen besorgt haben. „Dieser Wahnsinn muss beendet werden“, erklärte Dr. Franjo Grotenhermen, Vorstandsvorsitzender der ACM. „Die Bundesopiumstelle muss jetzt endlich beginnen oder gerichtlich gezwungen werden, Anträge auf Eigenanbau zu genehmigen, damit die medizinische Versorgung dieser Patienten gesichert wird, ohne dass strafrechtliche Konsequenzen drohen. Die ACM wird mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die zurzeit strafrechtlich bedrohten Patienten unterstützen, um für alle Freisprüche wegen rechtfertigenden Notstands zu erzielen. Was sollen Patienten, die auch nach Auffassung der Bundesopiumstelle einer Behandlung mit Cannabisblüten benötigen, sich diese aus der Apotheke jedoch nicht leisten können, anderes machen, als alternative und preiswertere, wenn auch illegale Lösungen umzusetzen, solange Politik und Justiz ihnen keine legalen finanzierbaren Lösungen im Geiste des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005 anbieten.“

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