ACM-Mitteilungen vom 20. August 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

jahrzehntelang haben Direktoren rechtsmedizinischer Institute deutscher Universitäten wider besseren Wissens gutachterliche Stellungnahmen verfasst, nach denen Cannabiskonsumenten unter dem akuten Einfluss von Cannabis stünden, nachdem minimale Mengen von THC im Blut nachgewiesen wurden. Mit dieser beschämenden unwissenschaftlichen Praxis soll nun bald Schluss sein, zumindest ein wenig. Der „Grenzwert“ von 1 Nanogramm/Milliliter Blutserum sollte nach Auffassung des Verkehrsgerichtstags 2022 angehoben werden.

Nach dem Gesetz hat dieser analytische Grenzwert für Patienten, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, keine Bedeutung, denn sie dürfen nach § 24a Straßenverkehrsgesetz unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen – eigentlich. In der Praxis versuchen nicht wenige Führerschein- und MPU-Stellen dieses Medikamentenprivileg auszuhebeln, indem sie beispielsweise infrage stellen, dass der betroffene Patient Cannabis tatsächlich aus medizinischen Gründen erhält. Bei keinem anderen Medikament maßen sich die Führerscheinstellen an, derartig in die ärztliche Behandlung einzugreifen.

Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wird der Entzug des Führerscheins vielfach als Ersatzstrafe für Cannabiskonsumenten und seit einigen Jahren nun auch für Cannabispatienten verwendet. Insider wissen, dass es dabei nicht um Verkehrssicherheit, sondern um Einnahmequellen für rechtsmedizinische Institute und MPU-Stellen geht. An den Gutachten lässt sich gut verdienen. Viele denken so wie Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer: Alkohol und Cannabis werden ungleich behandelt, das ist aber im Moment auch völlig korrekt, weil das eine eine legale und das andere eine illegale Droge ist.“

Einer der einflussreichsten Verfechter für die Repression von Cannabispatienten, der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der LMU München, hat es möglicherweise mit der eigenen wissenschaftlichen Sorgfalt nicht so genau genommen-

Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind einfach: diese ungerechte Praxis muss beendet werden. Die bisherige Vorgehensweise schadet dem Einzelnen und der Gesellschaft. Allgemein wird in Deutschland ein Fachkräftemangel beklagt. Andererseits wird toleriert, dass viele Menschen unnötigerweise aufgrund des Führerscheinverlusts ihren Arbeitsplatz sowie das Vertrauen in die deutschen Behörden und den Gesetzgeber gleich mit verlieren.

Viel Spaß beim Lesen!

Franjo Grotenhermen

Inhalt

Veranstaltungen

12. September 2022 in Dortmund

Medizinisches Cannabis in der GKV Quo vadis in der Versorgung nach der Begleiterhebung?
Referent:innen: Peter Cremer Schaeffer, Matthias Karst, Sven Gottschling, Gerhard Kurlemann, Kirsten Müller-Vahl und andere.

23. September 2022 in Berlin

Fachsymposium Cannabinoide in der Medizin
Referent:innen: Kirsten Müller-Vahl, Thomas Herdegen, Oliver Kayser, Rudolf Brenneisen, Matthias Karst und andere.

20. und 21. Oktober 2022 in Basel/Schweiz

Cannabinoid Conference 2022
Referent:innen: Walter Zieglgänsberger, Vincenzo Di Marzo, Marta Vázquez, Dustin Sulak, Allyn Howlett, Barbara Broers, Carola Perez, Christina Sanchez, Franjo Grotenhermen, Lumir Hanus, Kirsten Müller-Vahl, Timna Naftali, Vincenzo DiMarzo, Rudolf Brenneisen, Markus Leweke, Hinanit Koltai, Reto Agosti, Paola Cubillos, Jose Alexandre de Souza und andere.
Kongresssprache: Englisch, mit Simultanübersetzungen ins Deutsche und Französische. Dies ist eine einmalige Chance, einen IACM-Kongress zu besuchen, auch wenn man nicht gut Englisch spricht

Presseschau: Deutscher Verkehrsgerichtstag empfiehlt Erhöhung des THC-Grenzwerts (Deutsches Ärzteblatt)

„Jahrzehntelang haben Direktoren Rechtsmedizinischer Institute in Deutschland wider besseren Wissens gutachterliche Stellungnahmen verfasst, nach denen Cannabiskonsumenten unter dem akuten Einfluss von Cannabis stünden, nachdem minimale Mengen von THC im Blut nachgewiesen wurden. Mit dieser beschämenden unwissenschaftlichen Praxis soll nun bald Schluss sein.“ Franjo Grotenhermen

Deutscher Verkehrsgerichtstag empfiehlt Erhöhung des THC-Grenzwerts

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat dem Gesetzgeber eine Erhöhung des THC-Grenzwerts im Stra­ßenverkehr empfohlen. Der derzeit angewandte Grenzwert solle „angemessen“ heraufgesetzt werden, teilte das Gremium heute in Goslar mit. Eine konkrete Zahl wurde nicht genannt.

Derzeit liegt die Grenze bei einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum. Grundsätzlich seien der Konsum von Alkohol und Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr voneinander zu trennen, erklärte der Ver­kehrsgerichtstag.

Nach aktuellem Stand der Wissenschaft könnten für Cannabis im Straf- und im Ordnungswidrigkeitenrecht keine vergleichbaren Grenzwerte festgelegt werden. Der momentan angewandte Grenzwert für Cannabis liege so niedrig, dass er zwar den Nachweis des Konsums ermögliche, aber keinen Rückschluss darauf zulasse, ob die Verkehrssicherheit beeinflusst sei.

In der Praxis führe das dazu, dass Betroffene „in einem nicht vertretbaren Umfang“ sanktioniert würden, bei denen sich eine Verminderung der Fahrsicherheit aus wissenschaftlicher Sicht nicht tragfähig begründen lasse, kritisierte das Gremium. (…)

Presseschau: 57 Tonnen Cannabis für medizinische Zwecke importiert (Deutsches Ärzteblatt)

Auch der Umfang des Imports von Cannabis nach Deutschland zeigt, dass die Begleiterhebung der Bundesopiumstelle nur einen Bruchteil der Cannabispatienten erfasst haben kann.

57 Tonnen Cannabis für medizinische Zwecke importiert

Seit der Freigabe von Cannabis für medizinische und wissenschaftliche Zwecke 2017 hat Deutschland bis Mitte dieses Jahres rund 57 Tonnen der Droge importiert. Das geht laut Spiegel aus einer Antwort des Bun­desfinanzministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Max Mordhorst hervor.

Größter Lieferant ist mit 21,6 Tonnen Kanada, gefolgt von den Niederlanden mit 15,2 Tonnen. Auf Platz drei liegt mit 6,1 Tonnen Dänemark.

Von 2017 bis 2021 hätten gesetzliche und private Krankenversicherung in Deutschland Umsätze von mehr als 588 Millionen EURo mit Cannabismedikamenten verzeichnet. Darauf seien rund 94 Millionen EURo an Umsatz­steuern angefallen, wie das Finanzministerium auflistet, Tendenz steigend.

„Die Zahlen zeigen: Bereits jetzt gibt es einen funktionierenden, legalen Markt weltweit“, sagt Mordhorst dem Spiegel. Deutschland könne an diesem Markt teilhaben, wenn es Cannabis schnell legalisiere. Eine mögliche Cannabissteuer bewertet Mordhorst zurückhaltend, da schon Mehrwertsteuer auf die legali­sierte Droge anfalle.

„Sollten wir am Ende dennoch eine Cannabissteuer machen, muss diese unbedingt so niedrig sein, dass der Endpreis wettbewerbsfähig mit dem Schwarzmarkt bleibt und wir diesen damit effektiv austrocknen.“

Die Ampel-Parteien hatten die kontrollierte Freigabe von Cannabis auch für Genusszwecke in ihrem Koaliti­onsvertrag vereinbart. Bis Jahresende wollen sie einen Gesetzentwurf vorlegen. Die meisten Bundesländer verzichten bereits auf eine Strafverfolgung bei dem Besitz geringer Mengen Cannabis.

Presseschau: Vayamed Cannakits®: Innovative Cannabis-Rezeptur-Sets ermöglichen neue Applikationsformen für ein erweitertes Therapiespektrum – klinische Begleiterhebung startet (Pressemitteilumg Sanity Group)

Vayamed ermöglicht neue Anwendungsgebiete für Cannabis, die Nordamerika schon weit verbreitet sind.

Vayamed Cannakits®: Innovative Cannabis-Rezeptur-Sets ermöglichen neue Applikationsformen für ein erweitertes Therapiespektrum – klinische Begleiterhebung startet

Der Medizinalcannabis-Spezialist Vayamed der Berliner Sanity Group bringt eine Rezeptur-Innovation in den Markt, die neue Möglichkeiten in der Cannabis-Therapie eröffnen soll: Die Vayamed Cannakits® sind spezielle Rezeptur-Sets, die auf einer innovativen Zwei-Spritzen-Technologie basieren und alle Bestandteile zur standardisierten Herstellung cannabinoidhaltiger neuer Darreichungsformen in der Apotheke auf Basis von Cannabis-Extrakten enthalten. Die ab sofort in den Apotheken verfügbare erste Version der Vayamed Cannakits® richtet sich besonders an Ärzt:innen mit Cannabis-Therapieerfahrung, die das Produkt bei ausgesuchten Patient:innen im individuellen Heilversuch in der eigenen Therapiehoheit einsetzen möchten.

Die speziellen Rezeptur-Sets gibt es zum Start in drei Varianten zur standardisierten Herstellung von Nasenspray-Emulsion, Vaginalzäpfchen und Rektalzäpfchen (Cannabis-Extrakte nicht enthalten): Das Vayamed Cannakit® Nasenspray soll den schnellen Wirkeintritt durch die Aufnahme an der Nasenschleimhaut unterstützen und bietet eine einfache und im Alltag diskret anwendbare Alternative zur oralen oder inhalativen Darreichung. Die Vayamed Cannakit® Vaginalzäpfchen bieten eine Alternative zur oralen oder inhalativen Darreichung und haben zudem das Potenzial, neue Therapiegebiete wie die Behandlung von Endometriose-Symptomen, PMS oder Entzündungen zu erschließen. Die Vayamed Cannakit® Rektalzäpfchen sollen eine Alternative bieten, wenn orale oder inhalative Darreichungsformen erschwert möglich sind, zum Beispiel in der Palliativmedizin. (…)

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Bericht: Deutschland hat bisher 57 Tonnen Cannabis für medizinische Zwecke importiert (gesundheit.de)

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