ACM-Mitteilungen vom 30. März 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

eines hat der Gesetzgeber mit dem neuen, lange auf der Kippe stehenden Cannabisgesetz, das nach dem erhofften Verlauf der Sitzung des Bundesrats am 22. März 2024 nun am 1. April in Kraft treten kann, bereits geschafft. Es wird vermehrt über die möglichen Risiken des Cannabiskonsums, insbesondere für Kinder und Jugendliche sowie für Verkehrsteilnehmer, gesprochen. Und es ist gut, dass darüber nun einfacher gesprochen werden kann. Das ist ein guter Anfang, auch wenn die Diskussion zum Teil noch etwas hysterisch geführt wird.

Ohne öffentliches Aufsehen hat eine Arbeitsgruppe des Bundesverkehrsministeriums einen Vorschlag für neue THC-Grenzwerte im Blut bei der Teilnahme von Cannabiskonsumenten am Straßenverkehr erarbeitet. Wir hatten in der Arbeitsgruppe Stillschweigen vereinbart. Die wichtigsten Informationen finden sich in der Pressemitteilung des Bundesverkehrsministeriums sowie den Empfehlungen und deren Begründungen. Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe lagen zunächst mit ihren Vorstellungen weit auseinander, es gelang aber durch an der Sache orientierte Gespräche zu einem nahezu einheitlichen Vorschlag zu gelangen. Es war den meisten Teilnehmern ein großes Anliegen, den politischen Entscheidungsträgern eine wissenschaftlich fundierte sowie gut nachvollziehbare und transparente Basis für ein praktikables Gesetz an die Hand zu geben.

Ab heute besteht die Möglichkeit, sich für den vor einer Woche angekündigten Anbaukurs für Cannabis anzumelden. Abschließend möchte ich auf einen Podcast mit unserer Vorstandsvorsitzenden Professorin Kirsten Müller-Vahl hinweisen.

Beste Grüße

Franjo Grotenhermen

Inhalt

Das neue Cannabisgesetz: was ändert sich für Patienten?

Nachdem die Präsidentin des Deutschen Bundesrats, Manuela Schweig (SPD), das Cannabisgesetz in Vertretung des Bundespräsidenten am 27. März 2024 unterzeichnet hat, kann das neue Cannabisgesetz mit einer Teillegalisierung der Droge wie geplant am 1. April 2024 in Kraft treten. Bereits heute gibt es zum Teil wilde Spekulationen über seine Auswirkungen, beispielsweise über die Frage, wie Cannabiskonsum beim Münchner Oktoberfest gehandhabt werden sollte. Hier einige Informationen zu den Auswirkungen auf die medizinische Verwendung von Cannabis.

THC-haltige Medikamente sind ab dem 1. April 2024 keine Betäubungsmittel mehr. Bisher waren THC-haltige Cannabismedikamente (Extrakte, Dronabinol, Cannabisblüten, etc.) Betäubungsmittel. Sie mussten daher auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Jetzt werden diese Medikamente auf einem normalen Rezept verschrieben. Der synthetische THC-Abkömmling Nabilon, der in Deutschland als Canemes eine arzneimittelrechtliche Zulassung zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie, zugelassen ist, bleibt jedoch weiterhin ein Betäubungsmittel. Der Cannabisextrakt Sativex, zugelassen zur Behandlung der Spastik bei MS, ist ab dem 1. April auch kein Betriebsmittel mehr, da er aus zwei Cannabisextrakten besteht. Im Einzelnen bedeutet dies:

1. Keine strafrechtliche Verfolgung wegen Verstoßes gegen § 13 Betäubungsmittelgesetz.

Ärzt:innen brauchen nicht länger einen Verstoß gegen § 13 Betäubungsmittelgesetz befürchten, weil sie zuvor noch andere Therapieverfahren hätten ausprobieren müssen. Eine strafrechtliche Verfolgung von Ärzten, wie sie in der Vergangenheit einige Male beobachtet wurde, entfällt in der Zukunft vollständig.

2. Reduzierte Dokumentationspflichten für Ärzte und Apotheker.

Rezepte für THC-haltige Medikamente enthalten keine Durchschläge mehr. Sie können daher auch einfach per E-Mail oder Fax verschickt werden. Es wird auch möglich sein, ein E-Rezept für ein solches Medikament auszustellen. Ärzte und Apotheker sind von der Aufbewahrungspflicht der Durchschläge und weiterer Dokumentationspflichten entbunden.

3. Längere Gültigkeit von Rezepten.

Die Rezepte mit THC-haltigen Medikamenten sind länger gültig. Betäubungsmittelezepte sind 7 Tage lang gültig. Ein Kassenrezept mit Cannabis ist nun 28 Tage, ein Privatrezept je nach Situation 1-3 Monate lang gültig.

4. Reduzierung der Rezeptgebühren.

In der Apotheke entfällt der Aufschlag für Betäubungsmittel, sodass es auch einen kleinen Vorteil beim Preis des Medikamentes gibt.

Einige Vorschriften, die sonst nur für Betäubungsmittel gelten, bleiben jedoch bestehen. Dies hängt vor allem mit internationalen Verträgen und der Situation in unseren Nachbarländern zusammen.

1. Bei der Mitnahme ins Ausland müssen weiterhin Dokumente zu Betäubungsmitteln mitgeführt werden.

Cannabisbasierte Medikamente können nicht einfach so ins Ausland mitgenommen werden. Das wäre ein unerlaubter Export und im Allgemeinen auch unerlaubter Import. Es gibt jedoch internationale Vereinbarungen, nach denen Patientinnen und Patienten Betäubungsmittel für einen Therapiebedarf von 30 Tagen mit ins Ausland nehmen dürfen. Im Schengen-Raum, also den Ländern Europas, die dem Schengenraum angehören, muss dazu ein Schengen-Formular mitgenommen werden. Für andere Länder gibt es ein internationales Formular. Ausführliche Informationen finden sich bei der Bundesopiumstelle. Diese Regelung besteht fort, auch wenn Cannabis in Deutschland kein Betäubungsmittel mehr ist.

2. Keine grundsätzliche Änderung bei der Verwendung von Cannabis im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr.

Weiterhin gelten strenge Regelungen für Cannabispatienten, wenn diese am Straßenverkehr teilnehmen. Insbesondere muss weiterhin darauf geachtet werden, dass Patienten sich exakt an die Dosierungsanleitung halten. In diesem Bereich gibt es die meisten Probleme – wenn die Menge des verschriebenen Cannabis nicht zur eingenommenen Cannabismenge bzw. zur Dosierungsanleitung passt. Es gibt Begutachtungsstellen oder Führerscheinstellen, die selbst bei geringen Abweichungen von Arzneimittelmissbrauch reden, mit zum Teil erheblichen Konsequenzen für die betroffenen Patienten, beispielsweise weil der Verlust des Arbeitsplatzes droht, wenn der Führerschein verloren geht.

Die Umklassifizierung cannabisbasierter Medikamente könnte zu Veränderungen führen, die heute noch nicht gut abgesehen werden können. Dazu ein Beispiel. Bisher galt die Regel, dass vor einer Verschreibung von Cannabis zur Behandlung einer ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) die Standardtherapien mit Stimulanzien (Methylphenidat, Amphetaminderivate, etc.) und gegebenenfalls Atomoxetin oder Bupropion durchgeführt sein sollten. Da aber Methylphenidat und Amphetamine weiterhin Betäubungsmittel bleiben, dies jedoch für Cannabis nicht mehr gilt, wäre es denkbar, dass die Verschreibung eines Medikamentes mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Präparate: Medikinet, Ritalin, Concerta, etc.) irgendwann in der Zukunft erst dann zulässig ist, wenn vorher überprüft wurde, ob eine Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten nicht möglicherweise genauso wirksam ist. Schließlich besagt der § 13 Betäubungsmittelgesetz, dass eine Verschreibung eines Betäubungsmittels – in diesem Fall Methylphenidat – nur zulässig ist, wenn der gleiche Zweck nicht auf andere Weise – in diesem Fall durch eine Cannabistherapie – erreicht werden kann.

Anbaukurs für Cannabis und Heilpflanzensprechstunde

Erstmals bietet die ACM ab dem Sonntag, 7. April 2024, einen Anbaukurs mit „Heilpflanzensprechstunde“ an. Wenn Patienten den Anbau unter natürlichem Licht (Garten, Gewächshaus, Balkon) anstreben, muss für optimalen Ertrag spätestens im April gesät werden, und es sollten alle Voraussetzungen bis dahin erledigt sein.

Deshalb ist eine entsprechende Grundinformation rechtzeitig zu vermitteln. Dies erfolgt bei einem 8-monatigen Webinar durch einen erfahrenen Gärtner online per Zoom.

Diese Inforeihe richtet sich an Menschen mit geringen oder keinen Vorkenntnissen als Gärtner, und setzt sie in die Lage, die nötigen Vorbereitungen zu erledigen und rechtzeitig loszulegen. Der Ansatz ist niederschwellig, und es werden Grundlagen vermittelt, um mit einfachen Mitteln und kostengünstig zum gewünschten Erfolg zu kommen.

Am 7. April werden die Grundlagen des Anbaus unter natürlichem Licht erläutert, am 5. Mai werden die Grundlagen des Anbaus unter Kunstlicht erklärt. Ab Juni wird dann jeweils am ersten Sonntag im Monat eine Pflanze in ihrem Wachstum gezeigt und alle in der jeweiligen Vegetationsphase relevanten Fragen besprochen.

Der Workshop endet im November. Bis dahin gibt es eine monatliche Ausbildungseinheit von jeweils 90 Minuten.

Zeit: Erster Sonntag im Monat von April bis November 2024

Uhrzeit: 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr

Ort: Online als Zoom-Webinar

Zeitraum: 8 Termine von April bis November 2024

Kosten:

– 80 € (10 € pro Termin)

– ermäßigte Gebühr von 40 € für ACM-Mitglieder, Studenten, Arbeitslose.

Anmeldung.

Pressemitteilung: Unabhängige Expertengruppe legt Ergebnis zu THC-Grenzwert im Straßenverkehr vor (Bundesministerium für Digitales und Verkehr)

Vom Dezember 2023 bis März 2024 hat eine vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Arbeitsgruppe, an der auch Dr. Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der ACM, teilgenommen hat, einen Vorschlag für einen neuen Grenzwert für THC im Blutserum entwickelt und dem Ministerium unterbreitet.

Unabhängige Expertengruppe legt Ergebnis zu THC-Grenzwert im Straßenverkehr vor

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat ein Cannabisgesetz auf den Weg gebracht, das am 23. Februar 2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Es sieht in § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG) vor, dass eine vom BMDV eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31. März 2024 den Wert einer Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff von Cannabis) im Blut vorschlägt, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist.

Laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG soll die Festschreibung des Grenzwertes anschließend durch den Gesetzgeber erfolgen.

Das Ergebnis der vom BMDV hierzu im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei liegt vor.

Die wissenschaftlichen Experten geben danach folgende Empfehlungen ab:

– Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.

– Um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden, wird empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG vorzusehen.

– Es seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening – zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich. Es wird empfohlen, die Details zur Umsetzung dieses Ansatzes auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Ausland zu klären.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko vergleichbar sei mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist.

Zur Einführung des von der Expertenarbeitsgruppe empfohlenen Grenzwertes ist laut der Gesetzesbegründung zu § 44 KCanG eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) (§ 24a) durch den Gesetzgeber erforderlich.

Die unabhängige, interdisziplinäre Arbeitsgruppe setzte sich aus folgenden Experten zusammen:

– Prof. Dr. med. Markus Backmund, Leiter des Praxiszentrums im Tal (pit), Lehrpraxis an der LMU München

– Dr. med. Maurice Cabanis, Ärztlicher Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten, Klinikum Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit

– Prof. Jan Ramaekers, Leitung des Instituts für Psychopharmakologie und Neuropsychologie, Universität Maastricht

– Dr. med. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e. V. (ACM), Geschäftsführer der International Association for Cannabinoid Medicines e. V. (I-ACM)

– Prof. Lorenz Böllinger, Emeritierter Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bremen

– PD Dr. rer. nat. Stefanie Iwersen-Bergman, Leitung der Toxikologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

– die Thomas Seidel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolizeiliche Angelegenheiten (AG VPA) Hessisches Ministerium des Innern und für Sport

Teilgenommen an den Sitzungen haben auch Vertreter des BMDV, des BMG und der Bundesanstalt für Straßenwesen sowie der Vorsitzende der Grenzwertkommission, Prof. Stefan Tönnies (ohne Stimmrecht)

Das Ergebnis ist dem federführenden Bundesministerium für Gesundheit übermittelt worden, die Fraktionen wurden informiert.

Die Empfehlungen der unabhängigen interdisziplinären Expertengruppe finden Sie unter nachfolgenden Links:

www.bmdv.bund.de/expertengruppe-kurzfassung
www.bmdv.bund.de/expertengruppe-langfassung
www.bmdv.bund.de/verkehrspolizeiliches-votum

Presseschau: Neuer Grenzwert für Cannabis am Steuer (Süddeutsche Zeitung)

Viele Medien haben das Thema THC-Grenzwert im Blut für Verkehrsteilnehmer nach einer Pressemeldung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr sowie der dpa (Deutschen Presseagentur) aufgegriffen und berichtet.

Neuer Grenzwert für Cannabis am Steuer

Eine Expertenkommission schlägt eine THC-Obergrenze von 3,5 Nanogramm vor. Was das für den Cannabis-Konsum bedeuten würde.

Wer am Abend einen Joint geraucht hat, kann sich künftig am nächsten Morgen beruhigt ans Steuer setzen: Der Grenzwert für THC im Blut soll deutlich steigen. Das hat eine von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) eingesetzte Kommission am Donnerstag vorgeschlagen.

Ihr zufolge ist eine Konzentration von 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) je Milliliter Blutserum eine sinnvolle Obergrenze im Straßenverkehr. Ab diesem Wert sei nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt. Die Kommission spricht hierbei immer noch von einem konservativen Ansatz; er sei demnach vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille.

Bislang ist die Regelung hierzulande sehr strikt: Autofahren nach dem Konsum von Cannabis ist faktisch verboten. Es gibt zwar keinen offiziellen Grenzwert wie etwa die 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol. Autofahrer müssen aber ab einem Wert von 1,0 Nanogramm mit einer Geldstrafe und dem Entzug des Führerscheins (häufig in Verbindung mit einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung) rechnen – was schlicht dem untersten Wert entspricht, den die Messgeräte erfassen können. Sprich: Sobald THC im Blut nachweisbar ist, droht eine Strafe.

Vorerst gilt noch die Ein-Nanogramm-Schwelle

Das soll sich nun ändern. Dem ADAC zufolge hat die Expertenkommission mit ihrem Vorschlag die Grenzen des mit Blick auf die Verkehrssicherheit Vertretbaren ausgereizt. Es gelte weiterhin der Grundsatz, dass Personen, die unter der Wirkung von Cannabis stehen, kein Kraftfahrzeug führen sollten. Viele Ampel-Politiker begrüßen den Vorschlag. Der Grenzwert von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum schützt die allgemeine Verkehrssicherheit, aber auch die Freiheit der Konsumenten, sagt die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Kristine Lütke. Auch die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Isabel Cademartori begrüßt den Vorschlag der Kommission. Die aktuelle Regelung von 1,0 Nanogramm sei schlicht nicht verhältnismäßig.

Tatsächlich kann THC bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Joint im Blutserum nachgewiesen werden. Bei einem gelegentlichen Konsum von Cannabis mit Konsumpausen von mehreren Tagen wird der aktuelle Grenzwert laut ADAC aber nur für etwa sechs Stunden überschritten.

Mit dem neuen Grenzwert sollen der Expertenkommission zufolge nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabis-Konsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges erfolgte. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte sich bereits gegen eine 0,0-Grenze für THC im Blutserum ausgesprochen. Das wäre ein Konsumverbot über das Verkehrsrecht. Das will ich nicht, sagte er. Wissing hatte die Expertenkommission eingesetzt, weil er selbst kein Mediziner sei und eine solche Fragestellung nicht entscheiden könne.

Die Kommission, der Experten aus Medizin, Recht, Verkehr und Polizei angehören, empfiehlt über die THC-Grenze hinaus ein absolutes Alkoholverbot am Steuer für alle Cannabis-Konsumenten. Der Mischkonsum stelle demnach im Straßenverkehr ein besonderes Risiko dar. Der ADAC spricht sich darüber hinaus dafür aus, dass bei Fahranfängern weiterhin die Grenze von 1,0 Nanogramm THC gilt.

Um den neuen THC-Grenzwert rechtlich zu verankern, ist nun eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes erforderlich. Zum Start der Cannabis-Legalisierung am Ostermontag gilt also vorerst weiterhin die Ein-Nanogramm-Schwelle.

Presseschau: Nicht zu bekifft ans Steuer (TAZ)

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden von den Fachpolitikern der Regierungsfraktionen, dem ADAC sowie von der Gewerkschaft der Polizei begrüßt.

Nicht zu bekifft ans Steuer

Nach der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes hat eine unabhängige Expertengruppe im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eine Empfehlung für einen THC-Grenzwert im Straßenverkehr vorgelegt. Er soll bei 3,5 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) Blutserum liegen, teilte das Bundesverkehrsministerium am Donnerstag in Berlin mit.

Dem Wissenschaftler-Gremium zufolge entspricht der Wert einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Ab diesem Wert sei die Fahrsicherheit beeinträchtigt. Er liege aber unterhalb der Schwelle, ab der das Unfallrisiko steige.

Bisher wird der niedrigere Grenzwert von 1 ng/ml THC im Straßenverkehr toleriert. Als THC (Tetrahydrocannabinol) wird die psychoaktive Substanz von Cannabis bezeichnet, die den Hauptanteil der berauschenden Wirkung ausmacht. Die Substanz wirkt anders als Alkohol und ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Zug an einem Joint nachweisbar.

Mit der Anhebung des Grenzwerts auf 3,5 ng/ml werde erreicht, dass nur die Verkehrsteilnehmer sanktioniert würden, die nicht allzu lange vor der Autofahrt Cannabis konsumiert haben, erklärten die Experten aus der Medizin, Pharmakologie und der Polizei. Sie empfehlen außerdem, für Cannabiskonsumenten Alkohol am Steuer ganz zu verbieten. Der Mischkonsum stelle im Straßenverkehr ein besonderes Risiko dar.

„Wissenschaftlich fundiert“

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Kristine Lütke, bezeichnete den Vorschlag der Kommission als „wissenschaftlich fundiert“. Der Grenzwert schütze die allgemeine Verkehrssicherheit, aber auch die Freiheit der Konsumenten, sagte die FDP-Politikerin. Sie forderte den Bundestag auf, ein zügiges Gesetzgebungsverfahren für den neuen Grenzwert einzuleiten.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Empfehlungen des Expertengremiums. Damit ziehe bei dem „unausgegorenen Cannabis-Gesetz“ zumindest in einem wichtigen Punkt mehr Rechtssicherheit ein, sagte Alexander Poitz, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft. Allerdings vermisse die Gewerkschaft einen zusätzlichen, niedrigeren Grenzwert für Fahranfänger oder Fahrer von Personentransporten.

„Unseren Kolleginnen und Kollegen wird nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, wie sich der empfohlene Grenzwert auf die Fahrsicherheit auswirken wird“, sagte Poitz. Dazu seien vermehrte Kontrollen notwendig. Für diese benötige die Polizei laut dem Gewerkschafter moderne Kontrollinstrumente sowie Fortbildungen. Darüber hinaus müsse erfasst werden, wie sich Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss entwickeln.

Der Vorschlag des Expertengremiums ist den Angaben zufolge dem Gesundheitsministerium zugeleitet worden. Mit dem Cannabis-Gesetz, das am 1. April in Kraft tritt, wird der Besitz und Anbau von Cannabis für Erwachsene in begrenzten Mengen legalisiert. Bis ein neuer THC-Grenzwert im Straßenverkehr gesetzlich geregelt ist, gilt laut Verkehrsministerium der gegenwärtige Wert von 1 ng/ml.

Presseschau: Legalisierung light bringt Cannabis-Firmen in Bedrängnis (WirtschaftsWoche)

Mit den Auswirkungen der Teillegalisierung von Cannabis auf die Cannabiswirtschaft befasst sich ein Artikel der Wirtschaftswoche.

Legalisierung light bringt Cannabis-Firmen in Bedrängnis

Lange haben Befürworter gewartet. Nun hat der Bundesrat den Weg für eine Cannabis-Teillegalisierung freigemacht. In der Branche ist die Stimmung geteilt. Viele setzen lieber auf Cannabis als Medikament.

Die Erwartungen an die Legalisierung waren riesig. Einer der größten Märkte für den Freizeitkonsum weltweit könnte entstehen, schwärmten Cannabis-Firmen. Fachgeschäfte in deutschen Fußgängerzonen statt Verbotspolitik, legaler Verkauf statt Dealer, Kiffen raus der Schmuddelecke. In der Hoffnung auf lukrative Geschäfte drängten Start-ups in den Markt.

Prominente wie Mario Götze, Moritz Bleibtreu und der US-Rapper Snoop Dogg investieren in Cannabis-Firmen. Die Legalisierung schien das nächste große Ding und Deutschland als großer Markt auch aus ausländischer Sicht verheißungsvoll. Längst liefen sich Anbieter aus der Schweiz, Kanada und den USA warm.

Legalisierung nur light

Nun hat nach dem Bundestag auch der Bundesrat den Weg für eine Teillegalisierung ab 1. April freigemacht. Doch mit den Beschlüssen ist klar, was sich seit Monaten abzeichnete: Die Teillegalisierung für den Freizeitkonsum geht lange nicht so weit, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angepeilt war. Zwar soll Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, wo es bisher neben anderen Drogen als verbotene Substanz geführt und mit Strafvorschriften belegt ist. Besitz und Eigenanbau begrenzter Mengen sollen für Volljährige schon in wenigen Tagen erlaubt sein. Und in Vereinen sollen Mitglieder die Droge anbauen und gegenseitig abgeben dürfen. Der einstige Plan aber, Cannabis in Fachgeschäften an Erwachsene zu verkaufen, wurde vertagt. Das soll zunächst in Modellprojekten erprobt werden – Ausgang ungewiss.

Teillegalisierung dämpft Euphorie

Das bringt manche Cannabis-Firmen in Bedrängnis, beobachten Branchenexperten. Längst ist die Goldgräberstimmung Ernüchterung gewichen. Um neue Cannabis-Geschäftsideen von Schauspielern oder Fußballern ist es ruhig geworden.
Klar ist: Einen Freizeitmarkt mit Cannabis-Läden wie in den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Zwar begrüße er die Entscheidung des Gesetzgebers, sagt Alessandro Rossoni, Gründer der Medizin-Cannabisfirma Nimbus Health. Aber: „Dass der Eigenanbau nun begrenzt erlaubt wird, hilft der Branche nicht“. Gleiches gelte für Cannabis-Clubs. Einige Cannabis-Firmen seien in Schwierigkeiten geraten, andere verschwunden oder aufgekauft worden. So rutschten Fachmedien zufolge mehrere Cannabis-Reimporteure in die Pleite. Der Verband Cannabiswirtschaft sieht dennoch Aufwind für die Branche. „Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind zwar an sich nicht kommerziell, sie benötigen jedoch Infrastruktur, Ausstattung und Dienstleistungen“, sagte jüngst Lisa Haag vom Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen.

Viele Start-ups in Schwierigkeiten

Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden – von Hanfduschgels über Hanftee bis Cremes. In München etwa eröffnete ein „Hanf-Megastore“, der auf 800 Quadratmetern rund 1000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanfliköre fällt aber eher in die Spaßabteilung.

„Die Meinungen, ob die Teillegalisierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinander“, sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennotierten Arzneiherstellers Dr. Reddy’s ist und sich auf Cannabis-Fertigarzneien konzentriert. Jedenfalls sei die Wachstumsstory rund um eine Volllegalisierung vieler Start-ups zusammengebrochen.

Höhere Zinsen und knausrige Investoren

„Wir sehen keine nennenswerten Neueintritte von Firmen mehr in den Markt“, beobachtet Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa. Das hessische Unternehmen handelt mit medizinischem Cannabis, Jahresumsatz rund 17 Millionen Euro. Erschwerend dazu kommen gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren – das Umfeld für Start-ups ist generell rauer geworden. „Einigen Firmen geht die Puste aus“, sagt Sons. „Wir beobachten erste Insolvenzen im Markt. Die Konsolidierung schreitet voran.“

Sons sieht in der Teillegalisierung dennoch Vorteile. Der Beschluss des Bundesrats bedeute für Cansativa enorme Planungssicherheit. „Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmatisierung von Cannabis.“ Da Cannabis ab April aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben.

Die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß. „Mit der Teillegalisierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschland“, meint sein Bruder und Gründungspartner Benedikt Sons. Daher habe man sich bei Investitionen auf den Medizinbereich konzentriert. Für alle Partner im Verteilungsprozess – vom Anbauer über den Händler bis zur Apotheke – werde die Entscheidung zu bürokratischer Erleichterung und Wachstum führen, glaubt er.

Cannabis auf Rezept

Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisierung 2017 einen Boom erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreiben lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Beschwerden nach Krebs-Chemotherapien. Laut dem Marktforscher Insight Health bekamen 2023 rund 77.000 Cannabis-Patienten in Deutschland mindestens ein Rezept. Dazu kommen private Selbstzahler. Doch die Dokumentationspflichten für Ärzte sind bisher groß. Hier werde die Teillegalisierung helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus Health. „Die Akzeptanz bei Ärzten dürfte steigen.“

Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept gab es Spekulationen über eine Liberalisierung auch im Freizeitkonsum. Doch die Zweifel an der Umsetzung sind groß. Kiffen im öffentlichen Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden – konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingang. Und die Cannabis-Clubs sind als nichtkommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentationspflichten. Rossoni ist skeptisch. „Ob sich das alles als praxistauglich erweist, muss sich noch zeigen.“

Presseschau: Cannabis kein BtM mehr – was heißt das für die Fertigarzneimittel? (Deutsche Apotheker Zeitung)

Die Veränderungen im Freizeitbereich betreffen zum Teil auch die medizinische Anwendung von Cannabis.

Cannabis kein BtM mehr – was heißt das für die Fertigarzneimittel?

Mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes – geplant ist das für den 1. April – sind Cannabis und Dronabinol keine Betäubungsmittel mehr. Die Position wird aus der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes gestrichen. Doch was heißt das für die Fertigarzneimittel Sativex und Canemes?

In der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) „verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel“ sind die Wirkstoffe gelistet, die in der Apotheke nur auf ein Betäubungsmittelrezept hin abgegeben werden dürfen und dort auch besonders gesichert aufbewahrt und dokumentiert werden müssen.

Das kürzliche verabschiedete Cannabisgesetz sieht vor, die Positionen „Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)“ sowie „Dronabinol“ in dieser Anlage III zu streichen. Die Änderung soll zum 1. April unter Dach und Fach sein, so ist zumindest der Plan. Cannabisblüten, Extrakte, Dronabinol und Co. fallen dann nicht mehr unter das BtMG. Für Apotheken bedeutet das vor allem weniger Bürokratie. Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) zeigte sich daher gegenüber der DAZ „hocherfreut“, dass der Bundesrat das Gesetz hat passieren lassen. Der nun wegfallende Dokumentationsaufwand sei eine große Erleichterung für die Apotheken. Dass auch der BtM-Zuschlag passé ist, fällt für Neubaur weniger ins Gewicht. Diese 4,26 Euro hätten den tatsächlichen bürokratischen Aufwand ohnehin keinesfalls abgebildet. Auch Arztpraxen, in denen Medizinalcannabis verordnet wird, dürften erfreut sein, dass der Aufwand mit dem dreiteiligen amtlichen Formblatt dann wegfällt.

Ebenfalls aus der BtM-Pflicht fällt das Fertigarzneimittel Sativex. Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Nachfrage der DAZ erklärt, handelt es sich bei Sativex um ein Gemisch aus zwei Dickextrakten aus Cannabis. Bei Streichung der Position Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz werde Sativex nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft.

Nabilon bleibt BtM

Anders ist die Lage bei Canemes mit Wirkstoff Nabilon. Bei Nabilon handele es sich um ein vollsynthetisch hergestelltes Cannabinoid, so das BfArM. Eine Streichung der Position „Nabilon“ in Anlage III BtMG sei im Cannabisgesetz nicht vorgesehen. Somit bleibe Nabilon ein Betäubungsmittel.

Presseschau: „Die CSU tut so, als gäbe es keine Drogen in Bayern“ – FDP-Cannabis-Expertin kritisiert Söder (Merkur)

Der anhaltende Widerstand vor allem in der CSU gegen die Teillegalisierung von Cannabis bei anhaltender Parallelisierung des Alkoholkonsums macht deutlich, dass die konservativen einen Kulturkampf führen und sich vor einer sachlichen Debatte drücken.

„Die CSU tut so, als gäbe es keine Drogen in Bayern“ – FDP-Cannabis-Expertin kritisiert Söder

Bayern gilt als größter Kritiker des Cannabis-Gesetzes. Der Freistaat will „keine Kifferhochburg“ werden. Aus der Ampel gibt es wenig Verständnis für diesen Knallhart-Kurs.

München – Markus Söder ist einer der größten Gegner des Cannabis-Gesetzes. Jüngst kündigte der bayerische Ministerpräsident an, Bayern werde das Gesetz „extrem restriktiv“ umsetzen. Zudem schickte er eine Botschaft an alle Konsumenten: Wer kiffen möchte, solle das „woanders machen“.

Bayern plant Kiffer-Kontrolleinheit

Söders Gesundheitsministerin Judith Gerlach unterstützt diesen Kurs. Vergangene Woche präsentierte sie Pläne für eine zentrale Kiffer-Kontrolleinheit beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Damit will die bayerische Staatsregierung den Cannabis-Anbau im Freistaat strikt und engmaschig kontrollieren.

Polizei und Kreisverwaltungsbehörden sollen zudem den Konsum in der Öffentlichkeit, insbesondere die sogenannten Konsumverbotszonen, streng überwachen. Gerlach betonte, die Staatsregierung werde dafür sorgen, dass Bayern keine „Kiffer-Hochburg“ werde. Der Freistaat werde „mit Sicherheit kein lauschiges Plätzchen zum Kiffen“ sein.

„Die CSU tut gerne so, als gäbe es überhaupt keine Drogen in Bayern“

Aus der Berliner Ampelkoalition gibt es Kritik am bayerischen Drogenkurs. „Die CSU tut aktuell gerne so, als gäbe es überhaupt keine Drogen in Bayern. Aber dem ist leider nicht so.“, sagt die drogenpolitische Sprecherin der FDP, Kristine Lütke, im Interview mit IPPEN.MEDIA. Lütke kommt wie Söder aus Nürnberg und sagt: „Nürnberg ist die Stadt mit einer der höchsten Zahl an Drogentoten in Deutschland.“ Das werde nicht besser, „wenn wir einfach nur so tun, als gäbe es das nicht“.

Für die Kiffer-Kontrolleinheit hat Lütke wenig Verständnis. Wie in der Kabinettssitzung vom 12. März deutlich wurde, rechnet die bayerische Staatsregierung mit Kosten von rund sechs Millionen Euro für ebenjene Kontrolleinheit. „Das ist schon auch interessant“, findet Lütke. „Wenn man bedenkt, was man mit den sechs Millionen Euro alles machen könnte: Präventionsmaßnahmen, Zuschuss für Krankenhäuser, Investitionen in die Bildungspolitik. Aber nein, man braucht unbedingt eine zentrale Drogenkontrolleinheit, die quasi die Wohnungen der Cannabiskonsumenten kontrolliert. Das ist, wie Kanonen auf Spatzen schießen.“

Lütke hat das Cannabis-Gesetz maßgeblich mitverantwortlich und steht wie die Bundesregierung für ein Umdenken in der Drogenpolitik. Cannabis soll entkriminalisiert und der Eigenanbau sowie die Weitergabe in Anbauvereinigungen (Cannabis-Clubs) erlaubt werden. Bayern lehnt das ab. „Ich würde mir wünschen, dass die bayerische Staatsregierung zur Vernunft kommt“, meint Lütke. „Denn der bisherige Weg der Repression und Prohibition, der in Bayern sehr stark durchgeführt wird, ist gescheitert. Wir haben überall steigende Cannabis-Konsumentenzahlen, auch in Bayern.“

Cannabis-Gesetz: Bund kommt Ländern entgegen – Entscheidung am Freitag

Bayern gilt als größter Kritiker dieser Drogenreform, ist damit aber nicht alleine. Mehrere Bundesländer positionierten sich zuletzt öffentlich gegen das Cannabis-Gesetz der Ampel. Am Freitag könnte der Bundesrat das Gesetz in den Vermittlungsausschuss schicken. In diesem Gremium landen vom Bundestag beschlossene Gesetze, die in der Länderkammer keine Mehrheit finden.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnte zuletzt vor dem Scheitern des Gesetzes und will die Teil-Legalisierung unbedingt retten. Die Bundesregierung ist den Ländern mittlerweile sogar entgegenkommen. In einer Protokollerklärung, die unserer Redaktion vorliegt, macht sie einige Zugeständnisse. Neben mehr Geld für Präventionsprogramme gibt es auch nachträgliche Gesetzesänderungen bei den Cannabis-Clubs.

Die Länder kritisieren aber vor allem eine Mehrbelastung für die Justiz. In diesem Punkt gibt es laut Protokollerklärung kein Entgegenkommen. Deshalb ist noch nicht absehbar, ob das Gesetz die Mehrheit der Bundesländer überzeugt.

Weitere Meldung der vergangenen Tage

Mit der Cannabis-Freigabe gewinnt die Selbstmedikation (Ärztezeitung)

Forderung aus Union: Steinmeier soll Cannabisgesetz aufhalten (Deutsches Ärzteblatt)

Wann, wo und wie Cannabis legal wird – Das gilt ab April (Bayerischer Rundfunk)

Warum schweigt der Bundesjustizminister? (The European)

Unbekannte Risiken von Cannabis für junge Leute (Tagesspiegel)

Kiffen und Auto fahren – Der Streit um den richtigen THC-Grenzwert (Mitteldeutscher Rundfunk)

Wie verbreitet der Cannabis-Konsum ist – Statistik der Woche (Heise)

Einen „Bubatz“ löten? Cannabis-Slang und was er bedeutet (RedakationsNetzwerk Deutschland)

Cannabis-Gesetz unterschrieben – Freigabe am 1. April (Ärztezeitung)

Cannabis-Dampfen fällt nicht unter das Rauchverbot (Die Welt)

Nach der Legalisierung: Wie baue ich zu Hause Cannabis an? (Sächsische Zeitung)

Legales Gras aus dem Gewächshaus – wie sich deutsche Social-Clubs vorbereiten (Rheinische Post)

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