Presseschau: Kiffen auf Rezept: 32-Jähriger hat trotzdem Ärger mit der Polizei (Augsburger Allgemeine)

In Beuren im Kreis Esslingen (Baden-Württemberg) hat ein weiterer Patient eine Ausnahmeerlaubnis für die medizinische Verwendung von Cannabisblüten unerwünschten Kontakt mit der Polizei bekommen, weil er mangels finanzieller Mittel zum Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke Cannabis selbst anbaut.

„Andreas Butzmann ist krank. Gegen die Schmerzen raucht er Marihuana – ganz legal, denn ein Arzt verschrieb die Droge als Therapie. Ärger mit der Polizei gibt es trotzdem.

Als die Polizisten den Keller des Hauses in Beuren betreten, steigt ihnen sofort dieser Geruch in die Nasen. Süßlich ist er, rauchig, ein bisschen wie eine Kräutermischung. Für die Fahnder ist es von Berufs wegen ein vertrauter Duft. Marihuana. Hier wird gekifft, das ist ihnen gleich klar. Eine Glastür gibt den Blick ins verdächtige Zimmer frei: An der Wand hängt ein Bob-Marley-Poster, auf dem Boden reihen sich Wasserpfeifen auf.

Derart ausstaffierte Jugendzimmer dürften die Drogenermittler schon öfters betreten haben. Doch sie enttarnen nicht nur eine weitere heimliche Vorliebe für berauschende Rauchwaren, dieser Fall unterscheidet sich von anderen Einsätzen. Denn Andreas Butzmann, der Bewohner des Kellerraums, raucht sein Marihuana ganz legal. Weil er an einer heimtückischen Krankheit leidet, darf er die Droge mit einer Spezialerlaubnis in der Apotheke kaufen. Mächtig Ärger mit der Polizei hat er aber trotzdem.“

Kiffen auf Rezept: 32-Jähriger hat trotzdem Ärger mit der Polizei

Andreas Butzmann ist krank. Gegen die Schmerzen raucht er Marihuana – ganz legal, denn ein Arzt verschrieb die Droge als Therapie. Ärger mit der Polizei gibt es trotzdem.

Als die Polizisten den Keller des Hauses in Beuren betreten, steigt ihnen sofort dieser Geruch in die Nasen. Süßlich ist er, rauchig, ein bisschen wie eine Kräutermischung. Für die Fahnder ist es von Berufs wegen ein vertrauter Duft. Marihuana. Hier wird gekifft, das ist ihnen gleich klar. Eine Glastür gibt den Blick ins verdächtige Zimmer frei: An der Wand hängt ein Bob-Marley-Poster, auf dem Boden reihen sich Wasserpfeifen auf.

Derart ausstaffierte Jugendzimmer dürften die Drogenermittler schon öfters betreten haben. Doch sie enttarnen nicht nur eine weitere heimliche Vorliebe für berauschende Rauchwaren, dieser Fall unterscheidet sich von anderen Einsätzen. Denn Andreas Butzmann, der Bewohner des Kellerraums, raucht sein Marihuana ganz legal. Weil er an einer heimtückischen Krankheit leidet, darf er die Droge mit einer Spezialerlaubnis in der Apotheke kaufen. Mächtig Ärger mit der Polizei hat er aber trotzdem.

Es beginnt mit einem Kribbeln in den Armen. Zuerst ganz sachte, kaum spürbar. Doch das Gefühl von Taubheit wird immer stärker und schließlich reicht die Kraft in den Händen nicht einmal mehr, um eine Packung Gummibärchen aufzureißen. „Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt“, sagt Butzmann. Damals ist er Anfang 20, hat gerade in Ulm seine Ausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik absolviert und arbeitet als Maschineneinsteller bei einer Firma im Donautal.

Seine Karriere ist zu Ende, bevor sie richtig beginnt. Schuld daran ist eine hinterlistige Krankheit, welche die Nerven des jungen Mannes angreift und schwer schädigt. Die Ursache dafür ist ein seltener Gendefekt – hereditäre Neuropathie (HNPP). Unheilbar. Die Folgen: Butzmann verliert das Gefühl in Armen und Beinen, leidet immer wieder an unerträglichen Schmerzen. „Ich konnte nicht mehr alleine Essen.“ Der Patient muss zeitweilig in die Pflege, doch sein Zustand bessert sich kaum. Er wird Frührentner. Das ist nun zehn Jahre her.

Marihuana nimmt Butzmann die Schmerzen
Heute ist der Beurener 32 und gilt wegen seiner Krankheit als zu 60 Prozent körperbehindert. Mit den geliebten Hobbys ist es längst vorbei: Skifahren, Snowboarden, Mountainbiken – inzwischen alles undenkbar. Butzmann liebte es, kleine Figuren zu bemalen, aber auch das ist Geschichte. „Nach fünf Minuten zittern mir die Finger.“ Die Einschnitte habe er damals als extrem empfunden, sagt er. Depressionen seien die Folge gewesen, sogar Selbstmordgedanken. Butzmann schaffte sich einen Hund an, der tierische Freund half dem Patienten, sich mit seiner Situation zu arrangieren.

Er hat sich mit seinem Leiden arrangiert. „Gehen, sitzen, liegen – das geht eigentlich alles ganz gut, aber eben nicht lange.“ Drei Mal täglich führt der Beurener seinen Hund Gassi, danach muss er sich jedes Mal lange ausruhen, wieder zu Kräften kommen. Dass Butzmann seine Tage trotz der Schmerzen überhaupt bestreiten kann, führt er ganz klar auf ein einziges Mittel zurück: Marihuana. Der Wirkstoff der Pflanze entspanne die geschundenen Nerven, lindere die Pein.

Die Droge ist hierzulande illegal. Doch ein Arzt stellte ein Attest aus. Seitdem ist Butzmann einer von wenigen Deutschen, die Marihuana mit Erlaubnis kaufen dürfen. In einer örtlichen Apotheke deckt er sich damit ein, bis zu 110 Gramm erhält er jeden Monat. Das funktioniert nur dank einer Genehmigung der Bundesopiumstelle.

Die Alternative zum Kiffen: Morphium. Doch das starke Schmerzmittel hat schlimme Nebenwirkungen. Übelkeit, Erbrechen, Lethargie, sagt Butzmann. „Damit geht es einem ganz dreckig.“ Ganz anders sehe das bei Marihuana aus. „Das ist viel besser“, sagt er. Dass die Pflanzen gegen sein Leiden helfen, habe er vor einigen Jahren bei einem Besuch in Holland festgestellt. Dort ist der Konsum von Cannabis nicht verboten, der Beurener rauchte mit Freunden. Und bemerkte nach eigener Aussage gar nicht, dass er sein Morphium nicht dabei und folglich auch nicht genommen hatte. „Mir hat nichts gefehlt.“ Seitdem schwöre er auf Marihuana als Therapie.

Cannabis könne bei manchen Erkrankungen helfen – oder zumindest Beschwerden lindern, bestätigt ein Mitarbeiter der Apotheke der Uniklinik auf Anfrage. Ein Arzt müsse den Einsatz als medizinisch notwendig begründen. Die Voraussetzung: Gängige Therapien sind ausgeschöpft und ergebnislos geblieben. „Wegen ein paar Kopfschmerzen bekommt man das nicht verschrieben“, sagt der Mediziner. Hierzulande werde Marihuana als Therapie nur selten eingesetzt. Etwa bei Patienten, die an Multipler Sklerose oder an Spastiken leiden, also Krankheiten, bei denen Nerven oder Muskeln angegriffen werden. Der Wirkstoff des Cannabis könne Verkrampfungen lösen, sagt der Arzneimittelfachmann. Groß angelegte Studien über die Wirksamkeit gebe es allerdings nicht.

Mit Morphium geht es ihm „dreckig“
Für Butzmann ist das Kiffen auf Rezept mit Problemen verbunden. Das medizinische Marihuana ist teuer, die Krankenkasse bezahle es nicht. Über 1600 EURo muss Butzmann jeden Monat aus eigener Tasche aufbringen, eine große Summe angesichts seiner kleinen Rente. Meist hole er in der Apotheke zu Monatsbeginn einen ganzen Karton, der Inhalt: Dutzende Plastikdöschen.

Wer den Deckel abschraubt, dem schlägt sofort der schwere Duft der getrockneten Blüten entgegen. Butzmann raucht sie mehrfach, bis zu vier Gramm täglich. In Joints, in der Wasserpfeife oder im sogenannten Vaporisator – das Gerät verdampft das Cannabis, der Rauch kann über einen Schlauch inhaliert werden, pur, ohne Tabak. „Das ist gesünder“, glaubt Butzmann. Ohne das unangenehme Kratzen.

Es gibt aber Monate, da wartet in der Apotheke kein Karton auf Butzmann. Die Drogen-Lieferungen kommen nicht immer pünktlich und manchmal gar nicht. Deshalb wollte Butzmann seine Versorgung vor einiger Zeit selbst in die Hand nehmen. Eine folgenschwere Entscheidung. Denn für die Aufzucht besitzt er keine Erlaubnis.

Die Polizei wurde darauf aufmerksam, es gab eine Durchsuchung und Beschlagnahmungen. Aktuell wird gegen Butzmann ermittelt, ein Prozess steht im Raum. Der Beurener fühlt sich ungerecht behandelt: Schmerzen, Kosten und Lieferengpässe hätten ihm „quasi keine Alternative“ gelassen. Die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis verfolgt er deshalb mit großem Interesse.

Für Butzmann steht fest – Marihuana bietet ihm Lebensqualität, er wird es weiterhin rauchen. Auch wenn diese Therapie für ihn fast unbezahlbar sei. Er streitet vor einem Gericht dafür, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Das sei allerdings noch nie jemandem geglückt. Aktuell muss der 32-Jährige die berauschenden Pflanzen aus eigener Tasche bezahlen – angesichts der Kosten zunehmend eine Herausforderung. „Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll.“

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