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Presseschau: Ministerium: Cannabis-Prüfaufwand in der Apotheke ist Ländersache (Deutsche Apotheker Zeitung)

Medizinalcannabisblüten gelten in den meisten Bundesländern als Rezepturarzneimittel, sodass die Apotheker gemäß der Arzneimittelpreisverordnung 90 bzw. 100 % auf den Einkaufspreis aufschlagen müssen. Schleswig-Holstein betrachtet diese Blüten als Fertigarzneimittel. Wenn andere Bundesländer diese Sichtweise übernehmen würden, würden die aktuell hohen Preise von 20-25 € pro Gramm deutlich reduziert werden können.

Ministerium: Cannabis-Prüfaufwand in der Apotheke ist Ländersache

Da Cannabisblüten als Rezepturausgangsstoff gelten, verursachen sie in Apotheken einen enormen Arbeitsaufwand. Nun soll das Honorar gekürzt werden. Wie könnten die Pharmazeuten im Gegenzug entlastet werden? Danach hatte sich die FDP-Bundestagsfraktion in einer kleinen Anfrage erkundigt. Das BMG verweist in seiner Antwort auf die Zuständigkeit der Länder. Und auf Länderebene bestehen in der Tat Unterschiede. So betrachtet Schleswig-Holstein holländische Blüten als Fertigarzneimittel. Wie ist das möglich?

Der gleiche Arbeitsaufwand für deutlich weniger Geld – auf diese ungünstige Bilanz könnte es für Apotheker beim medizinischen Cannabis hinauslaufen. Denn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit dem Entwurf zum Gesetz für Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die Medizinalhanfkosten um 25 Millionen EURo – also um die Hälfte – senken. Dies würde bedeuten, dass die Apotheker für die Verarbeitung und Prüfung der Blüten kaum noch vergütet werden. Vorschläge für Arbeitserleichterungen sieht der GSAV-Entwurf allerdings nicht vor.

Weil Cannabisblüten als Rezepturausgangsstoff behandelt werden, muss deren Identität geprüft werden. Das Arzneibuch nennt dazu die organoleptische, mikroskopische und dünnschichtchromatographische (DC) Prüfung. Insbesondere die DC kann wertvolle Beratungszeit kosten, davon hatte sich DAZ.online jüngst ein Bild gemacht.

Wie könnten Apotheker entlastet werden?
Wie aufwendig die Versorgung von Cannabispatienten in der Apotheke ist, davon hatte sich im November des vergangenen Jahres der drogenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Wieland Schinnenburg, in einer Berliner Apotheke überzeugen können. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung erkundigte sich Schinnenburg kürzlich, wie die Apotheker entlastet werden könnten. Beispielsweise, ob sich der Prüfaufwand bundesweit in Apotheken reduzieren ließe.

Hessen verzichtet auf DC
Beim Prüfaufwand gibt es länderspezifische Ausnahmen. So hat das Regierungspräsidium Darmstadt entschieden, dass die Apotheken in Hessen auf die DC verzichten können, wenn ihnen ein Analysenzertifikat vom Hersteller vorliegt. Lässt sich diese Auffassung eigentlich auf andere Bundesländer übertragen?

Die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) klärt diesen Punkt nicht. So schreibt die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) hierzu: „Die Prüfung hat nach anerkannten pharmazeutischen Regeln zu erfolgen. Dabei können für die Prüfung unter bestimmten Voraussetzungen auch andere Methoden angewendet werden, als im Deutschen Arzneibuch beschrieben sind.“ Welche „bestimmten Voraussetzungen“ geeignet sind, erläutert das BMG nicht weiter.

Hauptfragesteller Schinnenburg ist mit den Ausführungen des BMG nicht zufrieden: „Die Bundesregierung bestätigt, dass die Abgabe von Medizinalcannabis für die Apotheken sehr aufwendig ist. Ihr ist aber die Situation in den einzelnen Bundesländern nicht bekannt und sie kann auch nicht sagen, was sie dagegen tun will.“

Länder entscheiden über Fertigarzneimittelstatus
Noch einfacher als in Hessen scheint es in Schleswig-Holstein zu sein. Hier gelten Blüten aus den Niederlanden als Fertigarzneimittel, wodurch die Prüfpflicht entfällt. Auch nach dieser Option, Cannabisblüten als Fertigarzneimittel einzustufen, hatte sich der der FDP-Gesundheitspolitiker erkundigt. Er hatte gefragt, in welchen Bundesländern dies der Fall sei und wie die Bundesregierung die Einstufung von Cannabisblüten als Fertigarzneimittel bewerte.

Hierzu verweist das BMG auf die Zuständigkeit der Länder. „Die Einstufung von Arzneimitteln als Fertigarzneimittel hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Sie obliegt den zuständigen Behörden der Länder. Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse vor, in welchen Ländern welche konkreten Arzneimittel als Fertigarzneimittel eingestuft werden“, schreibt Weiss.

Schinnenburg: erst Arbeitserleichterung, dann Honorarkürzung
Eine Bestrebung, die Regelungen auf Bundesebene zu vereinfachen, besteht offenbar nicht. Der FDP-Politiker Schinnenburg bemängelt, dass die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sieht: „Die Bundesregierung trägt eine erhebliche Mitverantwortung daran, dass die Abgabe von Medizinalcannabis durch Apotheken aufwendig und damit teuer ist. Ich fordere Minister Spahn auf, umgehend für eine Vereinfachung und Vereinheitlichung in allen Bundesländern zu sorgen: Er muss erreichen, dass Medizinalcannabis wie ein Fertigarzneimittel behandelt wird oder zumindest eine vereinfachte Prüfung ausreicht. Keinesfalls darf lediglich der Apothekenzuschlag gekürzt werden. Eine solche Kürzung ist nur möglich, wenn auch der Aufwand reduziert wird.“

Der „Schleswig-Holsteinische“ Weg
Eine bundeseinheitliche Regelung zur Entlastung der Apotheker könnte auch dazu beitragen, dass die Sparpläne des Ministers Erfolg haben. Zwar hat Spahn eine klare Vorstellung von der Höhe der Einsparungen. Doch der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) sollen sich auf die Senkung der Zuschläge durch Verhandlung „einigen“. Und beide Parteien streiten darüber schon seit Monaten ergebnislos.

Könnten die oben beschriebenen länderspezifischen Ausnahmen als Inspirationsquelle für eine bundeseinheitliche Regelung dienen? Die größte Arbeitserleichterung beim Cannabis scheinen ja die Apotheker in Schleswig-Holstein zu haben, wo Blüten aus Holland als Fertigarzneimittel gelten. Wie funktioniert das eigentlich in Schleswig-Holstein? DAZ.online hat nachgefragt.

Bei der Einstufung von holländischen Blüten als Fertigarzneimittel bezieht sich Schleswig-Holstein auf die Regelung zum Einzelimport im Arzneimittelgesetz (§ 73 Abs. 3 AMG). So erklärt ein Sprecher des dortigen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren gegenüber DAZ.online: „Getrocknete Cannabisblüten für medizinische Zwecke dürfen auf Vorlage einer ärztlichen Verordnung aus den Niederlanden eingeführt werden. Dabei handelt es sich um in den Niederlanden verkehrsfähige Produkte, die entweder auf Basis des § 73 Abs. 3 AMG von einer Apotheke nach Deutschland verbracht und direkt (ohne Be- oder Verarbeitung) an den Patienten abgegeben werden (im Sinne des § 4 AMG ein Fertigarzneimittel) oder in der Apotheke weiter verarbeitet werden, um daraus ein Rezepturarzneimittel herzustellen.“

Weshalb nur für niederländische Blüten?
Und was ist mit Blüten aus Kanada? Diese fallen für das Landesministerium zwar in die Kategorie Arzneimittel, jedoch nicht unbedingt als Fertigarzneimittel: „Medizinalcannabis aus Kanada wird i.d.R. für die weitere Verarbeitung (u.a. physikalische Bearbeitung und Konfektionierung) in Herstellungsbetrieben oder in Apotheken nach DE importiert. Da dieses noch nicht in einer an den Patienten abgabefähigen Form und Verpackung vorliegt, handelt es sich noch nicht um ein Fertigarzneimittel.“

Ist die fehlende Zulassung ein Problem?
Bei näherer Betrachtung stellen sich noch weitere Fragen. So haben Cannabisblüten keine Arzneimittelzulassung beim BfArM beziehungsweise der EMA. Wie kann ein Fertigarzneimittel ohne Zulassung in Deutschland verkehrsfähig sein? Dazu beruft sich das Land Schleswig-Holstein auf die Regelung im SGB V, im sogenannten Cannabisgesetz: „Aufgrund der bisher nicht ausreichenden klinischen Datenlage wurde für getrocknete Cannabisblüten noch keine Zulassung erteilt. Um trotz dessen eine Versorgung von schwerkranken Patienten mit Cannabisblüten für medizinische Zwecke zu ermöglichen, wurde vom Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht zugelassenen Medizinalcannabis ärztlich zu verordnen.“

Und wie steht eigentlich die Bundesoberbehörde zu dem „Schleswig-Holsteinischem“ Weg? Auch hier ein Verweis auf die Länderzuständigkeit. Das BfArM könne sich nicht zur Überwachung durch die Landesbehörden äußern, erklärte ein Sprecher gegenüber DAZ.online.

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