Presseschau: Anerkanntes Medikament mit Einschränkungen (Deutschlandfunk)

Der Deutschlandfunk berichtete über die therapeutischen Möglichkeiten durch Cannabisprodukte sowie Grenzen des Einsatzes und geht dabei auch auf die historische Verwendung von Cannabis zur medizinischen Zwecken ein: „Schwerkranke Menschen, bei denen nur Cannabis zu helfen scheint, aber auch Mediziner, vor allem in der Palliativversorgung, setzen sich dafür ein, dass Hanf für den medizinischen Gebrauch legal eingesetzt werden kann. In Deutschland gibt es bislang aber nur ein einziges zugelassenes Medikament.
Die Inder nannten die Pflanze „Beschwichtiger des Kummers“, in der mittelalterlichen Kloster- und Volksmedizin war sie verbreitet als Mittel gegen Rheumatismus, „Frauenleiden“, Husten oder Krampfanfälle. Und noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in deutschen Apotheken „Dr. Dralles Somnium“, eine Hanftinktur als Einschlafhilfe.“

Anerkanntes Medikament mit Einschränkungen

Schwerkranke Menschen, bei denen nur Cannabis zu helfen scheint, aber auch Mediziner, vor allem in der Palliativversorgung, setzen sich dafür ein, dass Hanf für den medizinischen Gebrauch legal eingesetzt werden kann. In Deutschland gibt es bislang aber nur ein einziges zugelassenes Medikament.
Die Inder nannten die Pflanze „Beschwichtiger des Kummers“, in der mittelalterlichen Kloster- und Volksmedizin war sie verbreitet als Mittel gegen Rheumatismus, „Frauenleiden“, Husten oder Krampfanfälle. Und noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in deutschen Apotheken „Dr. Dralles Somnium“, eine Hanftinktur als Einschlafhilfe.

Cannabis (sativa), die Hanfpflanze – der Stoff, aus dem die Hippie-Träume waren – hat eine uralte Tradition, sagt Matthias Melzig, Professor für Pharmazeutische Biologie an der FU Berlin:

„Sowohl als Faserpflanze ist sie genutzt worden, sie ist genutzt worden wegen der ölreichen Samen und Früchte, und man weiß, dass sie zu den ältesten genutzten Arzneipflanzen gehört.“

Cannabis wurde auch immer schon als Rauschmittel benutzt. Aber das war nicht der Hauptgrund dafür, dass schließlich in den 1960er Jahren – vor allem auf Betreiben der USA – der Anbau, Handel und Konsum von Hanf weltweit verboten wurde. Vielmehr stellte die vielseitige Nutz- und Heilpflanze eine große Konkurrenz dar für die Textil- und Pharmaindustrie.

Etwa gleichzeitig begann aber auch das wissenschaftliche Interesse am Cannabis: Es gelang, einige medizinisch wirksame Inhaltsstoffe der Hanfblüten und des Harzes, die Cannabinoide, zu isolieren: das Cannabidiol und vor allem das Tetrahydrocannabinol, kurz THC:

„Ein Cannabinoid, das solche Reaktionen auslöst wie Appetitsteigerung, oder es löst eine Sedierung, eine Beruhigung aus, eine gewisse schmerzlindernde Wirkung und es wirkt sowohl entzündungshemmend als auch gegen Spasmen.“

Wie diese Wirkungen zustande kommen, haben die Wissenschaftler aber erst verstanden, als sie entdeckten, dass das menschliche Gehirn selbst ähnliche Substanzen produziert, die Endocannabinoide, die viele neurologische und emotionale Vorgänge regulieren. Sie bereiten den Körper gewissermaßen vor für das Andocken der pflanzlichen Stoffe:

„Es gibt im Organismus Cannabinoid-Rezeptoren, an die diese Cannabinoide aus dem Hanf binden können und dann eine pharmakologische Reaktion ausüben.“

Ein anerkanntes Medikament für Krebspatienten
„Aufgrund dieser Erkenntnisse lassen sich verschiedene Cannabis-Substanzen inzwischen synthetisch herstellen. Sie werden wissenschaftlich getestet und einzelne auch bereits klinisch eingesetzt“, sagt Professor Christoph Stein, Leiter der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Charité.

„Heutzutage wird das häufiger verwendet bei Tumorpatienten zum Beispiel zur Appetitsteigerung, aber auch zur Reduktion von Übelkeit und Erbrechen, die häufig im Rahmen von Chemotherapien auftreten, dazu ist es ein relativ anerkanntes Medikament.“

Ebenfalls gute Studienergebnisse gibt es beim Einsatz von THC-haltigen Arzneien bei HIV-Patienten, die wegen der vielen Medikamente auch häufig unter Übelkeit und Appetitlosigkeit leiden. Ferner wirkt Cannabis bei Muskelkrämpfen:

„Bei multipler Sklerose können solche Spastiken, solche krampfartigen Episoden unterdrückt werden, hier kann auch mittlerweile ein Extraktpräparat, was aus dem medizinischen Hanf gewonnen wird, eingesetzt werden. „

Solche Spasmen können auch sehr schmerzhaft sein. In der Schmerzbehandlung sind jedoch Cannabis-basierte Medikamente noch längst nicht klinischer Alltag, betont der Experte für Schmerztherapie, Christoph Stein:

„Für Schmerzbehandlung setzen wir es nicht regelmäßig ein, es ist eine seltene Alternative, die bei Patienten, die sehr schwierige, komplexe Schmerzprobleme haben, auch mal versucht werden kann. Auch da gibt es mittlerweile einige Studien, nicht sehr viele, die teilweise kleine Effekte gezeigt haben, also es ist auf keinen Fall stärker wirksam als diese sogenannten schwächeren Schmerzmittel. Es ist sicher nicht so stark wirksam wie die traditionellen Opiate. Aber es gibt Überlegungen, dass man Abwandlungen von verschiedenen Cannabinoiden chemisch verändert und möglicherweise in Zukunft für so was einsetzen kann.“

Begleiterscheinungen wie bei einer Droge
Individuell haben schon viele Menschen mit chronischen Schmerzen gute Erfahrungen mit hanfbasierten Substanzen gemacht. Sie nutzen sie vor allem, wenn ihnen die Nebenwirkungen von Opiaten zu schlimm werden. Allerdings kann auch der Gebrauch von Cannabis als Medizin ähnliche Begleiterscheinungen haben wie der als Droge.

„Ja, kann man ganz klar so sagen, das sind die bekannten Nebenwirkungen der Cannabinoide, die heutzutage verfügbar sind: Konzentrationsstörungen, Sedierungen, Müdigkeit, Suchtpotential, das sind alles Probleme, die wir momentan nicht gelöst haben mit den jetzt verfügbaren Substanzen.“

Auch Herzrasen, die Gefahr von schizophrenen Schüben bei vorbelasteten Patienten oder eine erhöhte Asthmagefahr. Der Pharmazeut Matthias Melzig weist allerdings darauf hin, dass die Nutzen-Risiko-Abwägung eine Frage der Dosierung ist:

„Gerade bei Cannabinoiden sollte man die Dosis individuell anpassen. Und quasi mit einer geringen Dosis beginnen, die man dann solange steigert, bis die gewünschten Effekte vorhanden sind. Wenn man in diesem Dosisbereich bleibt, dann kann man ziemlich ausschließen, dass diese gefürchteten Nebenwirkungen oder auch die halluzinogenen Wirkungen, dass die nicht eintreten.“

Schwerkranke Menschen, bei denen nur Cannabis zu helfen scheint, ebenso wie einige Mediziner, vor allem in der Palliativversorgung, setzen sich dafür ein, dass die gesetzlichen Bestimmungen gelockert werden. In mehreren Ländern ist Hanf für den medizinischen Gebrauch bereits freigegeben. In Deutschland dagegen haben es Patienten und Ärzte derzeit schwer, an solche Arzneimittel zu kommen. Professor Christoph Stein:

„Das ist ein Problem natürlich, wir können nicht jeden Patienten ohne Weiteres damit behandeln, wir brauchen auch oft eine spezielle Erlaubnis dafür.“

Das einzige in Deutschland bisher zugelassene Cannabis-Medikament ist das Mundspray Sativex, das mit einem besonderen Betäubungsmittel-Rezept ärztlich verordnet werden kann.

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