Presseschau: 142.000 Cannabisrezepte in 2018 – (k)ein Zeichen für Missbrauch? (Deutsche Apotheker Zeitung)

Im zweiten Jahr nach der Gesetzesänderung hat die Zahl der Cannabisrezepte weiter deutlich zugelegt. Man kann daher heute von etwa 15.000 Patienten ausgehen, die eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen erhalten. Weitere 15.000-30.000 Patienten erhalten vermutlich Privatrezepte mit oder ohne Kostenerstattung. Das ist noch weit unter den Zahlen, die wir aus anderen Ländern kennen bzw. als Bedarf hochrechnen können. In Industrieländern benötigen etwa 1 bis 2 % der Bevölkerung Cannabisprodukte zur Linderung ihrer Leiden. Das entspricht für Deutschland 800.000 bis 1.600.000 Bürgern. Insofern sind die aktuellen Zahlen ein Dokument der Unterversorgung der Bevölkerung mit solchen Medikamenten.

142.000 Cannabisrezepte in 2018 – (k)ein Zeichen für Missbrauch?

Rund 142.000 Kassenrezepte über Cannabisarzneimittel landeten 2018 in Deutschlands Apotheken. Dies geht aus einer Statistik des Marktforschungsinstituts IQVIA hervor. Den Daten zufolge zeichnet sich ein anhaltender Wachstumstrend ab, insbesondere bei Cannabisrezepturen. Für Kritiker wie die Bundesapothekerkammer ist diese Entwicklung ein Zeichen für Missbrauch. Stimmen aus der Praxis interpretieren den Trend als eine Art Lernkurve mit dieser relativ jungen Behandlungsoption.

Seit knapp zwei Jahren können Ärzte Cannabis als Medizin verordnen.Nach ersten Anlaufschwierigkeiten hatte sich die Zahl der Kassenrezepte vor allem in eine Richtung entwickelt, und zwar nach oben. Dies zeigt auch die aktuelle Verordnungsstatistik des Marktforschungsinstituts IQVIA, die am heutigen Freitag veröffentlicht wurde.

Als Datengrundlage zog IQVIA die Zahl der Cannabisrezepte heran, die im Jahr 2018 als Fertig-, als Rezepturarzneimittel oder als unverarbeitete Cannabisblüten zulasten der GKV abgerechnet wurden. Die Blütentherapie fließt damit an zwei Stellen ein. So umfasst die Gruppe der Cannabisrezepturen sowohl Zubereitungen mit Rezeptursubstanzen (z.B. Dronabinol oder Tilray-Extrakte) als auch die Verarbeitung von Blüten, beispielsweise durch Zerkleinern. Eine weitere Aufschlüsselung der Kategorie geht aus der Statistik allerdings nicht hervor.

Wachstumstrend ungebrochen
Vergleicht man die Medizinalhanf-Verordnungen monatsweise im Vergleich zum Vorjahr, ergibt sich zwischen März und Dezember 2018 jeweils ein Zuwachs im dreistelligen Bereich gegenüber dem entsprechenden Monat in 2017. Zwischen März und August 2018 lag der Anstieg bei über 200 Prozent. Dabei ist zu bedenken, dass die Gesetzesänderung im März 2017 in Kraft trat, und in den ersten Monaten danach die Zahl der Verordnungen noch niedrig war.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Statistik keine Rückschlüsse auf die Zahl der Cannabispatienten zulässt, da auch Folgeverordnungen eingeflossen sind. Außerdem fehlen die Zahlen von Privatversicherten und Selbstzahlern.

Zunehmend mehr Rezepturen als Fertigarzneimittel
Laut IQVIA wurden 2018 rund 142.000 Kassenrezepte ausgestellt. Über ein Drittel davon ging auf das Konto von Allgemeinärzten, gefolgt von Neurologen, Ambulanzen und Anästhesisten. Dieses Facharztgruppenverhältnis weicht von einer Statistik der Techniker Krankenkasse vom Mai 2018 ab, bei der die Neurologen und Psychiater vorne gelegen hatten.

In der aktuellen IQVIA-Statistik entfallen 42 Prozent der Verordnungen auf Cannabisrezepturen, gefolgt von Fertigarzneimitteln mit 34 Prozent und Cannabisblüten ohne Verarbeitung mit 24 Prozent. Dies zeigt eine Verschiebung zwischen den Kategorien, denn bis einschließlich Februar 2018 dominierten Fertigarzneimittel als mengenstärkste Kategorie. Im März 2018 vereinten erstmals Zubereitungen den größten Anteil auf sich, seit Mai 2018 zeigt sich dies auch für die restlichen Monate des Jahres.

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